Berner Zeitung, Philipp Rindlisbacher

Besser sein im trauten Heim

Meistertitel oder Saisonende: Für die SCL Tigers steht im heutigen (19.45 Uhr) siebten NLB-Finalspiel in der Ilfishalle gegen Visp einiges auf dem Spiel. «Wir werden gewinnen», sagt Lukas Haas.

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Die Aussage von Ralph Krueger war sonderbar, und nicht wenige empfanden sie als Affront. Der ehemalige Schweizer Nationaltrainer erklärte das Scheitern seines Teams an der WM 2009 in Bern und Zürich unter anderem mit dem Heimnachteil. Der Druck sei zu gross gewesen und habe seine Spieler gehemmt, liess Krueger verlauten. Nun, in der NLB-Finalserie zwischen den SCL Tigers und Visp scheint es vielmehr ein Trumpf zu sein, vor eigenem Anhang spielen zu können. In den ersten sechs Vergleichen siegte jeweils die Heimmannschaft, die entscheidende Partie findet heute (19.45 Uhr) in Langnau statt.

 

Der Berner Sportpsychologe Jörg Wetzel zeigt sich nicht überrascht vom Verlauf der Serie. «Es ist ein Bonus, in gewohnter Umgebung spielen zu dürfen. Das schafft Vertrauen, was wiederum einen eistungsfördernden Effekt hat.» Gemäss einer Studie der Universität Zürich ist der Heimvorteil empirisch erwiesen; nicht zuletzt deshalb, weil sich die Unparteiischen zuweilen beeinflussen lassen. «Die Emotionen der Fans können auf den Schiedsrichter abfärben», konstatiert Tigers-Profi Lukas Haas. «In Langnau hat das Publikum phasenweise die Wirkung eines sechsten Feldspielers. Ich bin froh, können wir zu Hause spielen.»

 

Schafe und Actionfilme

Auch Tigers-Geschäftsführer Wolfgang Schickli ist zuversichtlich. Der Zürcher verzichtete in den letzten Tagen auf spezielle Motivationshilfen – anders als im Vorjahr während der Ligaqualifikation gegen Lausanne, als er die Garderobe aufgesucht und Captain Simon Moser aufgefordert hatte, ihm eine Ohrfeige zu erteilen. Damit wollte Schickli (Übername: Pitbull) ein Zeichen setzen, frei nach dem Motto: Mit Leidenschaft und Härte ist alles möglich. Nun hält er sich zurück, sagt, «ich glaube an die Mannschaft, die qualitativ besser ist als jene des Gegners».

 

Vor der 7.Partie innert 15 Tagen trainierten die Emmentaler am Montag nur kurz. Die Regeneration stehe im Vordergrund, meint Haas; «es ist wichtig, etwas Abstand zu gewinnen». Womöglich werde er seine Schafherde aufsuchen, lässt der Angreifer verlauten. Chris DiDomenico sagt derweil, er werde als Inspiration einen Actionfilm schauen. Der Kanadier ist in der Finalserie mehrmals in Raufereien involviert gewesen. Auch mit Starstürmer Alexei Kowalew geriet er aneinander. Kowalew sei ein aussergewöhnlich talentierter Spieler, hält DiDomenico fest. «Wenn sich die Chance bietet, ihn zu checken, muss ich sie nutzen.» Ein Muss sei überdies der Gewinn des Meistertitels. «Unsere Fans leben fürs Eishockey. Sie verdienen den Erfolg.»

 

Prämie und kurze Feier

Wie es sich anfühlt, in Langnau einen Pokal in die Höhe zu stemmen, weiss Kevin Schläpfer. Er stieg  1998 mit den Emmentalern in die höchste Liga auf. Als Coach des EHC Biel wird er allerdings den Oberwallisern die Daumen drücken, welche kein Interesse bekunden, den Seeländern die NLA-Zugehörigkeit streitig zu machen. Bei den Langnauern wiederum hat Wolfgang Schickli bereits eine Budgetvariante für die NLA erstellt. Sollten sie sich heute durchsetzen, wird es ab Donnerstag zum Duell zweier Freunde kommen – Tigers-Stürmer Tobias Bucher und Biel-Verteidiger Christian Moser teilen sich in Muri eine Wohnung

 

In finanzieller Hinsicht ist das vierte (ausverkaufte) Heimspiel ein Segen, die Emmentaler dürfen mit Einnahmen von rund 60'000 Franken rechnen. Im Erfolgsfall erhalten die Profis 5 Prozent des Jahressalärs als Prämie, feiern dürften sie aber nur kurz. «Wir werden siegen», sagt Lukas Haas. Sportpsychologe Wetzel indes hebt den Warnfinger. «Der Heimvorteil kann zum Bumerang werden, wenn die Spieler ihre Nervosität nicht kontrollieren können und ängstlich werden.» Die erwähnte Aussage Ralph Kruegers kommt übrigens nicht von ungefähr: Als Assistent und Chef der Edmonton Oilers gewann er in drei Jahren nur 40 von 106
Heimspielen.