Darum trifft es immer die Kleinen

Die SCL Tigers sind sportlich grandios gescheitert. Auch ein so charismatischer Coach wie John Fust konnte der unheimlichen Logik dieses Scheiterns nicht entrinnen.

Presse • • von 20 Minuten online, Klaus Zaugg

Im 21. Jahrhundert ist ein «Kleiner» gross geworden: Servette unter Chris McSorley. Dank der Starthilfe durch einen amerikanischen Immobilien- und Unterhaltungs-Gemischtwarenladen (Anschutz Entertainment Group). Als kleines Hockeyunternehmen meine ich einen Klub, der seit Einführung der Playoffs nicht mehrmals bis ins Finale vorgedrungen oder Meister geworden ist. Also die Lakers, Biel, die SCL Tigers, Olten, Ambri, Basel, Chur, La Chaux-de-Fons, Lausanne, Sierre und Herisau.

 

Diese «Kleinen» haben teilweise sensationelle Erfolge gefeiert. Ambri kam 1999 bis in Playofffinale (gegen Lugano) und gewann ein Jahr später den Supercup und war damit die Nummer 1 in Europa. Olten spielte zweimal Playoffs und erreichte 1990 den 5. Platz. Basel beendete 2006 die Qualifikation auf Rang 6, die SCL Tigers schafften es mit der gleichen Klassierung 2011 in die Playoffs. Die Lakers spielten 2006 immerhin einmal das Halbfinale. Biel erreichte letzte Saison die Playoffs.

Keiner hats geschafft

Aber alle sind letztlich gescheitert. Lausanne, Sierre, La Chaux-de-Fonds, Basel, Chur, Olten und Herisau sind längst abgestiegen. Die Lakers, Ambri und die SCL Tigers sind die Schlusslichter der letzten Jahre und Biel kämpft nicht nur um die Playoffs. Eher noch schwieriger ist es für die Seeländer, die Mannschaft zusammenzuhalten.

 

Gescheitert sind bei den Lakers, in Biel, in Lausanne, Ambri, Olten, Basel und Langnau grosse Trainer wie Kent Ruhnke, Simon Schenk, Heinz Ehlers, Dan Hober, Kari Eloranta, Larry Huras, Gary Sheehan, Reimo Summanen, Pierre Pagé, Kevin Constantine und zuletzt John Fust. Und in Basel und Lausanne sogar Manager wie Ueli Schwarz (heute der höchste bezahlte Hockeyfunktionär im Land) und Beat Kaufmann (Meistermacher in Lugano). Alle mehr Opfer der Situation als Täter.

Das liebe Geld

Was läuft da schief? Sind die Manager der «Kleinen» einfach zu wenig schlau? Die Trainer unfähig? Nein. Sie können einfach der unheimlichen Logik des Scheiterns nicht entkommen. Es ist wie ein böser Fluch. Salopp gesagt: Es fehlen immer 10 Millionen, die während drei Jahren investiert werden können.

 

Servette bekam dieses Geld von amerikanischen Investoren und konnte dieser Logik des Scheiterns entkommen – zumal es gelungen ist, die amerikanischen Geldgeber durch osteuropäische Kapitalisten zu ersetzen. Gleiches gilt für den ZSC. Der Stadtzürcher Kultklub stand vor der Pleite und hatte keine Chance, je zu den Grossen aufzurücken. Aber 1997 kam es zur Ehe mit GC und als ZSC Lions sind die Zürcher dank dem Milliardär Walter Frei zu einem der erfolgreichsten Hockeyunternehmen Europas geworden. Frei investiert pro Saison mehr als 3 Millionen in die ZSC Lions und deren Nachwuchsorganisation.

 

Das Problem ist eigentlich ganz einfach: Ein Aussenseiter kann grosse Erfolge feiern, wenn es gelingt, Spieler zu finden, die andere übersehen haben oder wenn die eigene Nachwuchsorganisation ein Jahrzehnttalent hervorbringt. Ein gutes Beispiel für diese These liefern die SCL Tigers der Saison 2010/2011 und der EHC Biel der letzten Saison. Der Junior Benjamin Conz entwickelte sich in Langnau zu einem der besten Goalies der Liga, Daniel Steiner kehrte aus Amerika heim und aus dem eigenen Junioren Simon Moser wurde ein Nationalstürmer.

 

Gute Spieler zu halten ist unmöglich

Um die die Leistungsstärke der Playoff-Mannschaft von 2011 zu bewahren, hätten die Langnauer das Budget um drei Millionen erhöhen müssen. Nur dann hätten sie Conz und Steiner halten und vier erstklassige Ausländer finanzieren können. Aber Conz und Steiner wechselten nach Lugano und bei den Ausländern konnte nur noch Mittelmass finanziert werden. Ein Spruch von Daniel Steiner, im kleinen Kreis gemacht, ist Kult geworden und erklärt eigentlich alles. Er sagt zwar, er habe das so nicht gesagt. Aber die Episode ist verbürgt: «Ich habe in Langnau nie so viel verdient, wie ihr immer behauptet habt – aber ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viel ich in Lugano kassiere.» Kevin Schläpfer hat in Biel Thomas Wellinger, Clarence Kparghai und Anthony Huguenin zu guten NLA-Spielern gemacht – und alle drei haben jetzt schon bei der reichen Konkurrenz (Lugano, Fribourg, SCB) unterschrieben. Biel könnte sein Playoffteam nur mit einer Zusatzinvestition von 3 Millionen zusammenhalten.

 

Kleine Teams werden also für ihre Tüchtigkeit bestraft: Spieler, die besser werden, bleiben nur bei kräftiger Lohnerhöhung. So wird das Team teurer, aber nicht besser und das Kader nicht breiter. Das Geld reicht vielleicht noch für zwei mittelmässige Schweizer Transfers – aber bereits nicht mehr für vier gute Ausländer. Nur mit 3 Millionen Budgeterhöhung könnten alle Spieler gehalten, die notwendigen Transfers gemacht und gute Ausländer verpflichtet werden.

 

Düstere Aussichten im Emmental

Es ist kein Zufall, dass Basel und die SCL Tigers ihre Playoffs anderthalb Jahre später mit einer schweren Krise bezahlen. Basel ist 2008 zwei Jahre nach den Playoffs abgestiegen. Es ist noch nicht sicher, dass die SCL Tigers 2013, zwei Jahre nach den Playoffs, diesem Schicksal entgehen werden. Basel begann die Abstiegssaison mit mittelmässigen Ausländern – so wie die Langnauer diese Saison mit mittelmässigen (Popovic) oder miserablen ausländischen Feldspielern (Pelletier, McLean). Die «Kleinen» haben nicht die Tiefe im Kader und die finanziellen Mittel zur Verpflichtung von neuem Personal wie die Grossen. Wenn die Dinge aus dem Ruder laufen (etwa durch Verletzungspech und Formschwäche der Ausländer) wie diese Saison in Langnau, folgt der Sturz ans Tabellenende.

 

Dazu kommt, dass die kleinen Teams oft den Fehler machen, die ausrangierten Stars der Grossen einzukaufen. So werden sie zu «Hockey-Brockenstuben». Wer Spieler verpflichtet, die bei den Grossen nicht mehr erwünscht sind, kann die Grossen nicht einholen. Nehmen wir ein paar Beispiele aus dem vergangenen Sommer: Marc Reichert bringt Ambri ebenso wenig in die obere Tabellenhälfte wie Dominic Meier die Bieler oder wie Benjamin Winkler, Duri Camichel und Peter Sejna die Lakers oder Thomas Bäumle und Etienne Froidevaux die Tigers. Aber wen sollen die «Kleinen» sonst einkaufen? Nur wenn sie das Budget um 3 Millionen aufstocken könnten, wäre es möglich, vielleicht einmal einen ganz grossen Transfer zu machen.

 

Geld alleine ist noch keine Garantie

Eine einmalige Investition von 3 Millionen genügt ohnehin nicht. Es braucht mindestens dreimal hintereinander eine solche Investition um ein so breites und qualitativ gutes Kader zusammenzustellen, dass eine regelmässige Klassierung in der oberen Tabellenhälfte möglich wird. Wohlverstanden: Möglich wird. Eine Garantie ist es noch lange nicht. Lugano, dem unbeschränkte finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, musste im 21. Jahrhundert schon zweimal in die Playouts.

 

Die SCL Tigers hoffen auf Mehreinnahmen durch das neue Stadion. Bis die fliessen, vergehen wohl weitere zwei bis vier Jahre. Das Geld, das ins Stadion investiert worden ist, fehlt jetzt an der sportlichen Front. Und wenn die Mannschaft mässig spielt, werden diese Mehreinnahmen auf Dauer auch nicht fliessen wie erhofft. Die SCL Tigers können auch mittelfristig noch nicht in die Mannschaft investieren. Sportchef Köbi Kölliker muss mit dem gleichen Budget auskommen wie letzte Saison. Damit ist bereits jetzt klar: Die SCL Tigers sind wohl auch nächste Saison im Kampf um die Playoffs chancenlos. Wenn sie sich denn in der NLA halten können. Wenigstens haben sie, anders als die Basler, den Trainer nicht zu spät des Amtes enthoben.

 

Für John Fust wird das Scheitern in Langnau nur eine Zwischen- und nicht eine Endstation seiner Trainer-Karriere sein. Der charismatische kanadisch-schweizerische Doppelbürger ist ein fähiger Coach und ist dazu in der Lage, auch ein grosses Team (wie Lugano, Bern oder die ZSC Lions) führen. Langnau könnte noch in eine ganz teuflische Lage geraten: Was, wenn Lausanne diese Saison John Fust als Berater/Assistenten für den Aufstiegskampf holt? Dann könnten die Emmentaler viel Geld sparen. Aber was, wenn sie in der Liga-Qualifikation gegen Lausanne antreten müssen? Der Teufel schläft im Eishockey nie.