Berner Zeitung, Isabelle van Beek

Das Eishockey entdeckt die Frau

Das Publikum wird immer weiblicher. Das freut die Clubs und den Verband.

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Stiefel mit Absätzen, schicke Kleider und Make-up – so gingen am Samstagabend zwei Frauen ins Hallenstadion. Der Anlass? Kein Konzert, nicht Art on Ice, nein, ein Eishockeyspiel zwischen den ZSC Lions und dem HCD. «Wir machen einen Frauenabend, Eishockey als Einstieg, und nachher geht es in den Ausgang», erklärte die eine. «Eishockey gefällt uns viel besser als Fussball, es ist mehr los. Während des Spiels quatschen wir aber ehrlich gesagt auch sehr viel.»

 

Die beiden waren bei weitem nicht die einzigen weiblichen Fans. Manche waren mit Fanschal und Fahne bestückt, andere hätten in ihrer Aufmachung auch in ein schickes Restaurant gepasst. «Wenn man viel Eishockey schaut, kennt man die Regeln. Dann ist es noch spannender», erklärt eine andere Zuschauerin.

 

ZSC: Ein Anteil von 30 Prozent

Immer mehr Frauen interessieren sich für Eishockey und gehen auch ins Stadion. Es ist ein Trend, den auch die Clubverantwortlichen erkannt haben. Bruno Vollmer, Leiter Spielbetrieb der ZSC Lions, sagt: «Bei unseren Heimspielen beträgt der Frauenanteil rund 30 Prozent. Vor rund 10 Jahren war er noch etwa halb so gross.» Genaue Zahlen gibt es aber nicht. Die Angaben der Vereine sind Schätzungen. Der Ticketverkauf an der Abendkasse läuft anonym, und wer mit der Saisonkarte tatsächlich ins Stadion geht, ist unklar. Auf Anfrage bei neun NLA-Vereinen wird die steigende Tendenz aber von allen bestätigt.

 

Vor zwei Jahren untersuchte Jeannette Badoer dieses Phänomen in einer Bachelorarbeit an der Hochschule Luzern und arbeitete im Auftrag der National League Handlungsempfehlungen zur Steigerung des Frauenanteils aus. Ihre Umfragen ergaben, dass das Interesse am Sport die Hauptmotivation ist für einen Spielbesuch – 80 Prozent nannten es als Hauptgrund.

 

Bei den Clubs erklärt man sich den Anstieg des Frauenanteils indes vor allem mit der verbesserten Infrastruktur. Und Patrick Reber von der National League sagt: «Das vorhandene Interesse am Spiel ist gekoppelt ans Ambiente, den Komfort und die Unterhaltung, die das Stadion bietet.» Bei Swiss Ice Hockey wurde die Erhöhung des Frauenanteils in den Arenen vor einigen Jahren sogar als strategisches Ziel formuliert. Präsident Marc Furrer erklärt: «Unser Ziel ist es, die Stadien zu füllen. Die Zielgruppe Frau hat noch viel Potenzial.»

 

Den Clubs scheinen die Frauen am Herzen zu liegen. Lukas Hammer, Leiter Marketing und Kommunikation der Kloten Flyers, sagt: «Die Förderung dieser Zielgruppe ist sehr wichtig. Wir wollen den Sport für alle verfügbar machen. Wenn Mann und Frau zusammen an den Match gehen, ist später oft auch der Nachwuchs im Stadion. Wenn der Mann alleine geht, ist das eher weniger der Fall.» Wer auf die Frauen setzt, tut damit also auch noch etwas für seinen Nachwuchs.

 

Neben speziellen Fanartikeln für Frauen, die mittlerweile fast alle im Angebot haben, organisieren manche Vereine Events, die weibliche Fans ansprechen sollen. Während der EV Zug im Rahmen seines Sommerprogramms «Fit 4 Zug» eine Zumba-Lektion anbietet, planen die Lakers eine Ladies Night – einen Abend, an dem Frauen gratis an den Match können und noch ein Geschenk erhalten. Ähnliche Ideen wurden am Montag auch in der Geschäftsleitung der ZSC Lions diskutiert. Die Pläne wurden jedoch verworfen, weil für den Club zu grosse Kosten anfallen würden.

 

In Genf gibt es die Ladies Night schon seit rund zehn Jahren. Jedoch ist der Frauenanteil auch bei gewöhnlichen Spielen mit 42 Prozent (gemäss Club) deutlich höher als sonst wo. Zu verdanken haben sie dies vor allem Chris McSorley. Als er 2001 Trainer wurde, brachte er viele Eventideen aus Nordamerika mit. Der Kanadier weiss um die Wichtigkeit, die Frauen fürs Eishockey zu begeistern: «In einem Haushalt treffen immer die Frauen die Entscheidungen. Sie sagen, ob die Familie an ein Spiel geht oder alle zu Hause bleiben.»

 

Unterwäsche mit Clublogo

Das Beispiel Genf zeigt, dass die Inszenierung eines Spiels wie in Nordamerika auch in der Schweiz gut ankommt. «Früher reichten Eishockey und eine Bratwurst. Heute muss man aus dem Match ein Event machen», sagt Thomas Walser, Marketingleiter der Lakers. «Trotzdem wird es wohl nie so wie in der NHL. Wir müssen einen Mittelweg finden.» In der NHL können weibliche Fans sogar Unterwäsche, High Heels und Handtaschen mit dem Logo ihres Clubs erwerben. Bis es auch in der Schweiz so weit wäre, müsste der Anteil an Besucherinnen wohl noch um einige Prozentpunkte steigen.