Gedanken zum Saisonende

Das Eishockey-Herz wohnt im Emmental

Mit drei Siegen in Folge verabschieden sich die SCL Tigers in die Sommerpause. Die Freude über den geschafften Ligaerhalt ist riesig. Zeit, sich ein paar Gedanken zu machen.

Blog • • von Bruno Wüthrich

In Langnau gibt es viel zu feiern. Und zwar nicht allein nur zum Saisonende. Bild: Peter Eggimann.

 

Was war doch das für eine geile Saison! Klar, im Nachhinein ist es leicht, das zu sagen oder zu schreiben. Jetzt haben wir alle positive Emotionen. Da erscheint alles in einem schönen Licht. Trotzdem: Erlebten wir nicht geile Siege und dramatische Niederlagen? Unterhielten uns die SCL Tigers nicht mit spektakulärem Eishockey? Hatte es nicht einen guten Grund, weshalb die Fans immer wieder derart zahlreich an die Spiele der SCL Tiger pilgerten? Doch, es hatte seinen Grund. Denn wir wurden gut unterhalten. Und die Siege waren geil und die Niederlagen teilweise dramatisch. Das sind eben die Zutaten, aus denen gute Storys gemacht werden. Auch 2013 war die Geschichte an Dramatik nicht zu überbieten. Doch damals führte der Weg in den Abstieg. Diesmal aber hat unser Märchen ein Happyend.

Wie guter Sex

Wir durften den Ligaerhalt sogar zwei Mal feiern. Gut, das erste Mal blieb uns das Feiern nach kurzer Zeit nochmals im Halse stecken. Der Shorthander von Robbie Earl stürzte die Zuschauer beinahe in eine kollektive Depression. Zum Glück nur die Zuschauer, nicht aber die Spieler. Die glaubten nämlich weiterhin an sich. «Dies war unser Tag! Solche Spiele spielt man nicht alle Tage», erklärte Thomas Nüssli die Einstellung der Mannschaft zu diese Spiel. Und tatsächlich: Einige Minuten später war es dann trotzdem so weit. Nach dieser «Ehrenrunde» war der Klassenerhalt geschafft. Und damit das Saison-Minimalziel. Wobei: Minimalziel tönt jetzt nach nicht viel. Doch es ist eben trotzdem viel. Die Playoffs muss sich jede Mannschaft als Ziel setzen. Auch die SCL Tigers. Etwas anderes wäre in den 50 Qualifikationsrunden nicht akzeptabel. Doch ernsthaft rechnen durfte mit der Erreichung dieses Ziels niemand. Dafür, dass mit der Erreichung niemand rechnete, waren die Jungs von (damals noch) Benoît Laporte aber trotzdem sehr nahe dran. Näher jedenfalls, als von den Experten im Vorfeld vermutet. Blenden wir die Zielsetzung Playoffs aus, so bleibt nur noch der Klassenerhalt. Diesen jedoch möglichst frühzeitig. Vier Chancen dazu gibt es. 1.) Mit der Qualifikation für die Playoffs ist automatisch der Ligaerhalt geschafft. 2.) Rang 10 nach der Klassierungsrunde ist gleichbedeutend mit dem Klassenerhalt. 3.) Der Gewinn des Playout-Finals und 4.) der Gewinn der Ligaqualifikation gegen den Meister der NLB. Die Langnauer benötigten also nicht alle vier Chancen, um das primäre Saisonziel zu erreichen. Sie schafften dies souverän in Chance Nr. 3.

Im Bett (und auch anderswo) gilt: wer zu schnell schiesst, hat keinen guten Sex. So gesehen haben uns die SCL Tigers gestern Abend den perfekten Sex geboten. Sie haben nämlich den Orgasmus im letzten Moment nochmals etwas verschoben (verzögert). Sie haben damit ihr Publikum, als schon alles entschieden schien, emotional nochmals ins Tal gezogen, um es danach, kurze Zeit später, auf einen noch höheren Gipfel zu führen. Absolut perfekt! Natürlich könnte man jetzt sagen, dass die Erfüllung noch weiter hätte hinaus gezögert werden können. Zum Beispiel bis zu einem siebten Spiel in der Ligaqualifikation. Denn zugegeben: Wer derart durch die emotionalen Täler schreiten muss, bei dem ist die Erfüllung (bzw. die Freude) in Form des Ligaerhalts schier grenzenlos. Doch wohin so etwas führen kann, erlebten wir im Frühjahr 2013. Da wurde der Schuss nicht einfach verzögert. Es wurde überhaupt nicht mehr geschossen.

Wir erlebten also den perfekten Abschluss einer emotionalen, unerwartet attraktiven und deshalb guten Saison. Die SCL Tigers haben nicht nur das letzte Spiel, sondern die drei letzten Spiele der Saison gewonnen. Die Weichen sind jetzt gestellt für weitere Schritte vorwärts. Auch nächste Saison wird es schwierig mit der Erreichung der Playoffs. Doch die Chancen dafür sind zweifellos weiter gestiegen. Jörg Reber hat bereits gute Transfers getätigt. Mit Pascal Berger und Flurin Randegger (beide vom SCB), Roland Gerber (Servette), Yannick Blaser (EV Zug), Raphael Kuonen (Rapperswil) und Philippe Seydoux (Langenthal) wurden Spieler verpflichtet, welche die Langnauer weiter bringen können. Jetzt, wo klar ist, in welcher Liga die Tigers nächste Saison spielen werden, dürften noch weitere dazu kommen. Die Trainerfrage dürfte erst nach Abschluss des Playoff-Finals zwischen dem HC Lugano und dem SC Bern geklärt (bzw. kommuniziert) werden. Wir werden uns noch einige Zeit mit den SCL Tigers beschäftigen dürfen.

Ein Signal an die Sport-Schweiz

Eines ist jedoch bereits jetzt klar: Dass die SCL Tigers nach der letztjährigen NLB-Saison nun auch in der NLA einen respektablen Gewinn erwirtschaften, dürfte sie für Sponsoren interessant machen. Wenn es gelingt, sportlich kontinuierlich Schritte nach vorne zu machen, den Anschluss ans NLA-Mittelfeld in absehbarer Zeit zu schaffen und gleichzeitig weiterhin Gewinne zu erwirtschaften, dann wird das Langnauer Eishockeyunternehmen für Sponsoren ein äusserst gefragter Partner. Denn mit Langnau kann ein Sponsor bereits jetzt in positivem Sinn auf sich aufmerksam machen. Sponsoring ist eine sehr emotionale Sache. Die SCL Tigers bieten diese Emotionen und haben zudem eine nationale Ausstrahlung, die längst nicht nur vom sportlichen Erfolg abhängig ist. Dass eine Ortschaft, die in der Rangliste der grössten Ortschaften erst an 154 Stelle erscheint, in einer der beiden Top Publikums-Mannschaftssportarten (Fussball und Eishockey) eines von lediglich 22 Teams in der höchsten Spielklasse stellt, ist schier unglaublich. Dass in dieser Ortschaft NLA-Eishockey sogar gewinnbringend betrieben wird, grenzt an eine Sensation. Sponsoren müssen also in Langnau nicht Löcher stopfen, sondern ihr Geld wird für die Zukunft verwendet. Dies könnte so manchen Entscheid, eben gerade in Langnau zu investieren, positiv beeinflussen.

In Langnau, dem Emmental und dem angrenzenden Entlebuch wird Eishockey nicht einfach gespielt, sondern gelebt. Hier ist tatsächlich Eishockey-Land. Noch ist nicht alles Gold, was glänzt. Doch die SCL Tigers mit der Crew um VR-Präsident Peter Jakob nehmen Schritt für Schritt in die richtige Richtung und sie sind auf dem besten Weg dazu, eines der am besten vermarktbaren Sportunternehmen der Schweiz zu werden. Oder um es in den Worten von Klaus Zaugg zu sagen: Wenn je ein Werbeslogan von der Wirklichkeit noch übertroffen worden ist, dann ist es Langnaus Slogan «Hockey Country».

Die Verantwortlichen der Langnauer Eishockey-Bewegung müssen nur noch selbst merken, wie gut ihr Produkt inzwischen ist, und die entsprechenden Schlüsse ziehen.

Das Schweizer Eishockey ist nicht in Zürich zuhause. Und auch nicht in Davos oder Lugano. Das Herz des Schweizer Eishockeys wohnt im Emmental!