Das grosse Interview mit Wolfgang Schickli

Ist er der Zürcher Dank für Simon Schenk. Der Meisterspieler des SC Langnau verhalf als Entwicklungshelfer dem zuvor maroden Zürcher Eishockey zu mehrfachen Meisterehren. Nun kommt Wolfgang Schickli nach Langnau, um den SCL Tigers zu helfen. FANTIGER stellte ihm 13 Fragen.

News • • von Bruno Wüthrich

 

FANTIGER: Sie bedanken sich bei jedem Käufer eines Saisonabonnements persönlich mit einer handgeschriebenen Postkarte. Wie weit sind Sie mit Ihrer Aktion fortgeschritten?

Wolfgang Schickli: Die Anzahl der Adressen neigt sich leider dem Ende zu. Ich habe noch rund 200 Adressen und somit 200 Karten zu schreiben.

Wie viele Postkarten müssen sie insgesamt versenden? Hoffen sie noch auf weitere? Wir haben seit letzter Woche (23. August) die stolze Zahl von 3'000 Saisonkarten erreicht. Ich hoffe, dass sich noch viele Menschen für die Tigers begeistern lassen, und wir noch rund 500 Saison-Karten verkaufen dürfen.

Uns ist nicht bekannt, dass jemals ein anderer Geschäftsführer einer Sportorganisation eine solche Aktion gestartet und durchgezogen hat. Was bezwecken Sie damit? Es geht in erster Linie um die Wertschätzung unserer wichtigsten "Sponsoren". Eine Karte zu schreiben und die Marke aufzukleben dauert rund zwei Minuten. Zwei Minuten um einem Menschen zu danken, der es überhaupt möglich macht, dass wir hier eine Arbeit haben. Und es ist ein Zeichen, dass die SCL Tigers eben mehr sind als "nur" ein beliebiger Eishockey-Club. Und die Erfahrung für mich war unglaublich wertvoll. Das Studium der Adressen war wertvoller als jede Marketing-Studie über die SCL Tigers.

In Langnau reiben sich viele verwundert die Augen ob der Wirkungsweise des Wolfgang Schickli. Dies meinen wir durchaus positiv! Welche Philosophie steckt dahinter? Es ist nicht unbedingt eine Philosophie sondern meine persönliche Einstellung zum Leben. Ich bin dankbar, hier sein zu dürfen und diese wunderbare Aufgabe als Geschäftsführer dieses aussergewöhnlichen Eishockey-Club zu haben. Ich bin getrieben vom Wunsch, eine qualitativ gute und ehrliche Arbeit abzuliefern. Jeden Tag ein wenig besser werden. Und ich habe den grossen Wunsch, meinen Teil zu leisten, damit wir wieder in die oberste Spielklasse aufsteigen.

Ihnen eilte der Ruf voraus, sehr zielstrebig und ausserdem ein Workaholic zu sein. Ausserdem sollen Sie eine ausgeprägten Hang zur Kontrolle haben. Was davon ist richtig? Würden Sie uns sich selbst ein bisschen näher vorstellen? Arbeit ist mein Leben. Ich bin mir bewusst, dass das, was ich tun darf, etwas sehr privilegiertes ist, und aus diesem Grund betrachte ich es nicht als eine Selbstverständlichkeit. Sicher habe ich auch klare Vorstellung, wie ein Unternehmen geführt werden sollte und was man von Mitarbeitern erwarten kann und auch darf. Wir müssen alle (Spieler, Trainer, Geschäftsstelle, Staff), den Anspruch haben, uns immer wieder in Frage zu stellen und noch professionellere Arbeit abzuliefern. Wenn wir stehen bleiben und uns nicht in kleinen, verträglichen Schritten weiterentwickeln, dann sind wir am falschen Platz. Ein Kontroll-Freak bin ich sicher nicht. Da mich aber alle Abläufe, Prozesse und die damit verbundenen Arbeiten interessieren, stelle ich automatisch viele Fragen. Und wenn ich mit den Antworten nicht zufrieden bin, dann bohre ich so lange weiter, bis wir zwischen Meinungen und Tatsachen unterscheiden können. Wenn es nicht optimal läuft, dann müssen wir auch liebgewordene Dinge verändern, weil sie der Unternehmung nichts bringen.  

Es gelingt Ihnen, in Langnau zu überraschen. Überrascht Langnau Sie ebenfalls? Falls ja, in welcher Weise? Ich bin glücklich in Langnau und das ist das grösste Kompliment, das an einem "Arbeitsort" geben kann. Ich bin sehr froh um die kritische, zurückhaltende und ehrliche Art der Menschen, die ich bis jetzt kennen und auch schätzen lernen durfte. Meine positiven Vorurteile über das "Gallien" der Schweiz wurden vollständig erfüllt. Bescheidenheit. Ehrlichkeit. Gelassenheit und Leistungsbereitschaft.

Ohne jetzt in Polemik in Richtung ihrer ehemaligen Wirkungsstädte zu machen – worin unterscheiden sich die SCL Tigers zu den Kloten Flyers? Ich möchte festhalten, dass ich die Erfahrung bei den Kloten Flyers nicht missen möchte. Es war eine anspruchsvolle, bereichernde und spannende Zeit. Der grösste Unterschied ist sicher im Umgang von Mensch zu Mensch. Hier in Langnau zählt ein Wort und hier gilt der Handschlag um ein Geschäft zu besiegeln. Sicher verfügt auch der Verwaltungsrat über eine andere Wertvorstellung in Bezug auf die Entwicklung der Unternehmung, der sozialen Verantwortung sowie die mittel und langfristige Planung. Auch der Zusammenhalt im Emmental ist nicht vergleichbar mit dem teilweise oberflächlichen Umgang in Zürich. Im Emmental wird eine Person beurteilt nach dem, was sie macht und wie sie sich verhält. In Zürich wird oft einfach verurteilt und eine Meinung gebildet, obwohl man den Menschen nicht kennt, über den man urteilt.

Es ist bekannt, dass sich nach Ihrer Kündigung in Kloten auch der HC Ambri Piotta intensiv um Sie bemühte. Weshalb entschieden Sie sich für Langnau? Der Verwaltungsrat um Peter Jakob hat mich mit seiner entwaffnenden Ehrlichkeit und seinem visionären Denken beeindruckt. Das fantastische Stadion mit den daraus entstehenden Möglichkeiten ist einzigartig. Die Fan-Kultur rund um die SCL Tigers und die starke Verbundenheit der Region zum Club ist fast nicht zu übertreffen. Und in Ambrì kann ich meine stärkste "Waffe" nicht optimal einsetzen. Die Sprache.

Haben Sie diesen Entscheid nach dem Abstieg der SCL Tigers in die NLB jemals bereut? Falls ja, warum? Falls nein, weshalb nicht? Die Frage nach einem Verbleib bei den SCL Tigers, ob NLA oder NLB, war für mich kein Thema. Ich habe mich für den Club und nicht für eine Liga entschieden. Wenn ich bei einem Abstieg wieder gegangen wäre, dann hätte der Verwaltungsrat bei der Rekrutierung des Geschäftsführers elementare Fehler gemacht. Ich bin eine Person, die weiss was sie will und was sich gehört. Ich bin überzeugt, dass man mich in der NLB für die zukünftige Weiterentwicklung noch besser brauchen kann als in der NLA. Und sich wir ehrlich: hätten wir den Mut aufgebracht, uns einem Veränderungsprozess zu stellen, wenn wir in der NLA geblieben und den Kopf noch einmal aus der Schlinge gezogen hätten? Vermutlich kennt jeder die Antwort, der sich mit der Tigers-Familie beschäftigt.

In welchem Zustand haben Sie die SCL Tigers angetroffen? Und wo waren die hauptsächlichen Schwachstellen? Wir sind abgestiegen ohne Schulden. Wir haben eine hervorragende Infrastruktur für Sport, Kultur, Gastronomie und Unterhaltung. Wir haben ein funktionierendes Team. Wir haben sicher Handlungsbedarf in unseren Prozessen, Abläufen und Strukturen. Wir können uns in der Kommunikation auf allen Ebenen verbessern. Wir haben in allen Bereichen noch Potential, professioneller zu werden und Freude an Veränderungen zu bekommen. Damit ist auch der Wandel vom Verein zur Unternehmung gemeint. Wir müssen den Mut haben, neues auszuprobieren und zu testen. Und das Wichtigste aus meiner Sicht ist, alles auf unsere Kunden auszurichten. Sie müssen bei all unseren Überlegungen immer im Fokus stehen. Sie sind es, die entscheiden, ob ihnen die Unterhaltung von "Brot und Spiele" gefällt.

Wir gehen davon aus, dass ein Mann wie Sie die Ambition hat, aus einem Klub wie den SCL Tigers etwas Besonderes zu machen. Stimmen Sie dem zu? Und wenn ja, was haben Sie vor? Die SCL Tigers sind auch ohne mich schon etwas Besonderes. Meine Vision ist es, dass jeder Schweizer Nationalmannschafts-Spieler einmal in seinem Leben das Trikot der SCL Tigers getragen hat. Das heisst, unser Ziel muss es sein, die qualitativ beste Adresse im Nachwuchsbereich zu werden. Nachwuchs-Spielern die Gelegenheit bieten, in der ersten Mannschaft den "letzen Schliff" zu bekommen, um sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Den Fans, Sponsoren und Partnern die Gewissheit geben, dass sich jede Investition in die SCL Tigers lohnt und man hier mit gutem Gewissen und Überzeugung ein Engagement eingehen kann.

Ist es richtig, dass eine Ihrer vordergründigsten Zielsetzungen der möglichst rasche Wiederaufstieg der SCL Tigers in die NLA ist? Welche andern Zielsetzungen verfolgen Sie zudem? Um es zu bestätigen: die SCL Tigers müssen den Anspruch haben die B-Meisterschaft zu gewinnen. Sportler müssen an den Start gehen und gewinnen wollen. Immer und immer wieder. Neben dem Sport richtet sich unser Fokus nach neuen Einnahmequellen und darauf, die Ansprüche unserer Kunden neben dem Eis zu erfüllen und die Auslastung vom Ilfisstadion und unserer Gastronomie zu forcieren.

Wo sehen Sie die SCL Tigers in drei Jahren? Wir müssen gemeinsam den Anspruch haben, in der höchsten Spielklasse zu spielen und versuchen, mittelfristig unter die ersten acht Mannschaften zu kommen, unsere Position als Ausbildungs-Club zu verstärken und den jungen Spielern beim Aufbau ihrer Karriere zu helfen. Wir wollen wirtschaftlich auf einer stabilen sowie nachhaltigen Basis aufbauen können, um uns als Unternehmung in allen Bereichen zu entwickeln.