Wochen-Zeitung, Werner Haller

Das neu definierte Leistungsdenken

Mit der Anstellung des schwedischen Trainerduos Bengt-Ake Gustafsson/Peter Andersson ist das Leistungsdenken neu definiert und auf ein höheres Niveau angehoben worden.

Presse •

Headcoach Gustafsson und Assistent Andersson trafen Mitte Oktober schwer beladen im Emmental ein. Mit einem riesigen «Rucksack» voller Eishockeywissen. Vollgepackt mit der Erfahrung aus zusammen 30 Saisons mit 1328 Spielen in zwei der weltbesten Ligen, der NHL und der schwedischen Elitserien. Zurückgelassen in ihrer Heimat haben sie 17 Medaillen, sechs goldene, vier silberne und sieben bronzene, gewonnen an den drei bedeutendsten Turnieren, den Olympischen Spielen, der WM und dem Canadacup. Gustafsson ist der einzige Headcoach der Geschichte, der im gleichen Jahr (2006) Olympiasieger und Weltmeister geworden ist. Und er ist zudem einer von nur acht Spielern, die auch als Cheftrainer WM-Gold gewonnen haben.



Nur Resultat und Rang zählen

Wer auf allerhöchstem Niveau über so viele Jahre hinweg so erfolgreich gewesen ist, sich Jahr für Jahr gegen stärkste Konkurrenz durchgesetzt hat, der kennt nur ein einziges Ziel: Den Sieg. Das einzige, was zählt, ist das Resultat auf der Anzeigetafel und die Position in der Tabelle. Gustafsson und Andersson wollen aus den SCL Tigers ein Siegerteam formen, das in den wichtigsten Spielen am Ende der Meisterschaft die besten Leistungen zeigt. In den bald zwei Monaten seit ihrem Eintreffen in Langnau bemühen sie sich zusammen mit dem international ebenfalls sehr erfahrenen Alfred Bohren und Athletiktrainer Nik Hess mit dem Definieren und dem Umsetzen eines neuen Leistungsdenkens. Dieses war nach dem Abstieg aus der NLA und während der Neuorientierung in der NLB nicht mehr ausreichend vorhanden gewesen und gipfelte in einem Fehlstart mit 15 Punkten aus den ersten zehn Spielen. Die SCL Tigers mit ihrem modernisierten Stadion und ihrer überdurchschnittlich grossen Fanfamilie sind auch in der Zweitklassigkeit ein ambitioniertes Eishockey-Unternehmen mit entsprechend hohen Ansprüchen. Unter der Führung von Gustafsson und Andersson ist es vorerst einmal gelungen, die Mannschaft dorthin zu bringen, wo sie hingehört – in die Spitzengruppe der NLB. Der gesamte Entwicklungsprozess ist aber noch lange nicht abgeschlossen. Mitte Februar, wenn die Playoffs beginnen, wollen die beiden Schweden jeden einzelnen Spieler in- und auswendig kennen. Sie wollen beispielsweise herausfinden, auf wen man sich verlassen kann, wenn es darum geht, in den letzten fünf Minuten des alles entscheidenden Playoffspieles eine 2:1-Führung erfolgreich zu verteidigen. Oder sie wollen wissen, wer sich von den jungen, überzähligen Spielern am besten eignet, einen verletzten Stammspieler mit möglichst geringem Substanzverlust zu ersetzen. Viele haben nicht verstanden, weshalb letzte Woche im Heimspiel gegen das letztklassierte Thurgau (6:3) nur drei Blöcke eingesetzt wurden. Der Hintergrund dieser Massnahme war klar. Die Langnauer hatten sich in dieser Saison mit unprofessioneller Einstellung bereits drei Mal gegen einen Tabellenletzten blamiert. Da war sie nun, die Chance zur Korrektur. Gleichzeitig bot sich die Möglichkeit, mit einem Dreipunktesieg zu Leader Langenthal aufzuschliessen.

 

Beide Ziele wurden erreicht. Wie sagte doch Roger Federer, der erfolgreichste Schweizer Sportler aller Zeiten, in einem seiner Interviews: «Sieger haben immer recht, egal was sie machen.» Diese Erfahrung haben in ihren Karrieren auch Gustafsson und Andersson gemacht. Und deshalb werden sie sich weiterhin mit aller Konsequenz damit beschäftigen, das Leistungsdenken und damit auch das Team mit den grössten Erfolgschancen zu definieren.

 

Der hohe Preis für ein schwaches Drittel

Die SCL Tigers konnten sich nur gerade 72 Stunden über ihre Leaderposition in der NLB freuen. Diese eroberten sie in Langenthal mit einer überzeugenden Leistung und einem verdienten 5:2-Sieg in einer spannenden Direktbegegnung der beiden Tabellenersten. Doch nur drei Tage später mussten sie nach einer keineswegs zwingenden 2:3-Niederlage in Martigny den ersten Platz bereits wieder an Olten abgeben. Gegen die heimstarken Walliser bezahlten die Langnauer einen hohen Preis für ein sehr schwaches erstes Drittel. Sie verspielten einen durchaus möglichen Dreipunktesieg, die Fortsetzung ihrer Serie auf sieben Erfolge hintereinander und schliesslich auch noch die Spitzenposition. Die ersten zwanzig Minuten in Martigny bestätigten, dass das Leistungsdenken noch nicht im erforderlichen Mass angekommen ist. Mehr oder weniger das ganze Team blieb aus unerfindlichen Gründen unter der zuletzt gezeigten Leistungs- und Einsatzbereitschaft, war zu passiv, liess den spielerisch und läuferisch starken Gegner zu sehr gewähren und geriet mit 0:2 in Rückstand. Kein Vergleich zum Derby in Langenthal, wo die Mannschaft entschlossen, siegeswillig und konzentriert aufgetreten war. Nach der ersten Pause, dem Ausfall von Topskorer Sandro Moggi und der Umstellung auf drei Linien begannen die Langnauer Druck zu machen und brachten die Walliser prompt in Schwierigkeiten. Aber die Chancenauswertung, die gegen Langenthal noch einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren gewesen war, fiel in Martigny mit bloss zwei Toren bei 38 Schüssen miserabel aus.