Berner Zeitung, Marco Oppliger

Der gezähmte Widerspenstige

Seine Wutanfälle waren legendär, seine genialen Zuspiele ebenso. Todd Elik war ein besonderer Spieler. Nun versucht die Langnauer Legende ihr Glück in St.Imier – als besonnener Coach.

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Die Menschen drehen sich nicht um, sie tuscheln nicht einmal hinter seinem Rücken. Wie jeder andere Gast sitzt der Mann mit der schwarzen Daunenjacke, der Sonnenbrille und der markanten Narbe auf der linken Wange einfach da und trinkt seinen Kaffee in einem kleinen Restaurant in St.Imier.

 

«Ich werde nur noch vereinzelt erkannt, und das ist auch in Ordnung so», sagt Todd Elik. Seit September verdient der 48-Jährige sein Geld im 5000-Seelen-Ort im Berner Jura.

 

Dabei ging durchaus ein Raunen durch die Schweizer Eishockeylandschaft, als der lokale Erstligist im Sommer die Verpflichtung des neuen Coachs bekannt gegeben hatte. Es schien, als ob irgendjemand einen bösen Geist zum Leben erweckt hätte.

 

Begnadet und gefürchtet

Um die Jahrtausendwende hatte Elik das Schweizer Eishockey geprägt; er war einer der besten, vielleicht sogar der beste Ausländer in der NLA. Der begnadete Techniker hatte ein fantastisches Auge für den Mitspieler – und einen Hang zum Wahnsinn. Seine 1274 Strafminuten in der NLA suchen ihresgleichen.

 

Es gibt kein besseres Beispiel für das Wirken des Centers als die 7.Partie der Ligaqualifikation zwischen Langnau und Chur  1999. Früh führten die Bündner 2:0, doch mit einem Tor und sechs Assists  sorgte Elik praktisch im Alleingang für den Ligaerhalt der Emmentaler.

 

Es sei das grösste Spiel seiner Karriere gewesen, betont er. Noch heute wird Elik in Langnau verehrt, seine Nummer, die 12, darf nie mehr von einem Tigers-Spieler getragen werden. Der Kanadier spricht von «der schönsten Zeit meiner Karriere», wenn er auf die rund drei Saisons mit Langnau zurückblickt.

 

Worüber Elik lieber nicht spricht, ist die Vorgeschichte zu diesem legendären Spiel im April 1999. Denn zuvor war er gesperrt gewesen, weil er einen jungen Churer Fan mit dem Stock geschlagen hatte. «Die Zuschauer haben Feuerzeuge nach uns geworfen, die Sicherheitsleute haben nicht reagiert, da habe ich den Fans gesagt, sie sollen damit aufhören», erklärt Elik und betont danach: «Ich habe nie ein Kind geschlagen, nie!»Bengt-Ake Gustafsson, der ihn in der Saison 1999/2000 in Langnau coachte, sagt: «Er hatte wahnsinnig viel Talent, konnte auf dem Eis alles machen.» Aber es habe auch Spiele gegeben, bei denen er von Anfang an gewusst habe, dass Elik Probleme bereiten würde. Dann legte er sich mit dem Publikum, den Gegenspielern und vor allem den Schiedsrichtern an.

 

«Hätte er sich besser unter Kontrolle gehabt, er hätte in seiner Karriere noch viel mehr erlebt», sagt Gustafsson, der wieder Trainer der SCL Tigers ist. Wer Elik heute trifft, der begegnet einem freundlichen Mann. Er lacht oft, gibt aber auch zu verstehen, dass er die Fragen nach seiner turbulenten Vergangenheit langsam nicht mehr hören könne. Er bereue nichts, was er getan habe, sagt Elik.

«Die Leute haben immer gesagt, dass ich sie beleidigt hätte. Aber ich war der Erste, der beleidigt wurde. Niemand reagiert einfach so, wie ich es tat.» Aber ja, meint er dann, er müsse versuchen, sein Image in der Schweiz zu ändern, «auch wenn mir das vielleicht nie gelingen wird».

 

«Auf die Zunge beissen»

In St. Imier betreut Elik erstmals erwachsene Spieler, zuvor trainierte er in Kanada zwei Juniorenteams. «Man müsste meinen, dass Männer das Spiel besser beherrschen als Kinder. Unglücklicherweise ist das nicht bei allen der Fall, also muss ich manchmal wirklich beim Basic-Hockey beginnen», sagt Elik und lacht.  Doch er möge es, Spieler weiterzuentwickeln.

 

Wie ein Blick auf die Tabelle verrät, hat Elik noch viel Arbeit vor sich: Die Bernjurassier stehen auf dem zweitletzten Platz. Manchmal hadert der Coach mit der Einstellung seiner Spieler, etwa dann, wenn sich zwei Verteidiger während der Meisterschaft in die Ferien verabschieden. So etwas kann einer, der als Spieler alles dem Eishockey untergeordnet hat, nicht verstehen.

 

Beobachter attestieren ihm trotz allem ein ruhiges Coaching; die elf Niederlagen in Serie schmerzten ihn zwar, doch der Kanadier wurde bis jetzt noch nie ausfällig. «Ich muss mir manchmal auf die Zunge beissen», sagt Elik, «aber als Coach kann ich nicht mehr dieselben Dinge tun, die ich als Spieler getan habe. Schliesslich repräsentiere ich das Team.»

 

Der nächste Schritt

Weil St.Imier praktisch immer zur selben Zeit im Einsatz steht, kam Elik erst  einmal dazu, sich ein NLA-Spiel anzusehen. Dabei entging ihm nicht, wie sehr sich das Eishockey in den letzten Jahren verändert hat. «Es ist eine andere Sportart geworden, die Spieler scheinen grösser, stärker und vor allem schneller als damals zu sein», sagt Elik.

 

Für ihn heisst das Ziel nun erst einmal Ligaerhalt. Doch der Kanadier strebt nach Höherem: In ein bis zwei Jahren möchte er bei einem NLA-Team als Assistenzcoach an der Bande stehen. Anscheinend hat er sich nach Gerd Zenhäuserns Abgang in Biel bereits bei seinem ehemaligen Teamkollegen Kevin Schläpfer gemeldet. «Ich habe Kevin nicht wegen eines Jobs angerufen», sagt er jedoch, «sondern um einfach mit ihm zu sprechen – als Freund.» Der Widerspenstige ist zahm geworden.

 

Vom Stahlwerk an die Bande

Nach 500 Spielen in der NHL (126 Tore/245 Assists/501 Strafminuten) zog es Todd Elik 1997 in die Schweiz. Für Lugano, Langnau, Zug und Davos absolvierte er in der NLA 315 Spiele (142 Tore/316 Assists/1274 Strafminuten). Über Langenthal fand er schliesslich den Weg in die Ligen Österreichs und Sloweniens, wo er 2011 seine Karriere beendete. Danach zog Elik zurück nach Kanada, in Regina verkaufte er zuerst Werbung für verschiedene Magazine, um danach in 12-Stunden-Schichten in einem Stahlwerk zu schuften.

 

Der Kanadier lebt derzeit mit seiner 19-jährigen Tochter Vanessa in La Chaux-de-Fonds. Seine Frau Helene und Sohn Jacob (15) sind in Regina geblieben. Der Filius spielt ebenfalls Eishockey: «Er ist nicht so aggressiv wie ich, aber er hat denselben Spielstil», sagt der Vater.