Berner Zeitung, Philipp Rindlisbacher

Der Käser stopft Löcher in der Abwehr

Die SCL Tigers gastieren heute Dienstag anlässlich des zweiten Playoff-Halbfinalspiels in La Chaux-de-Fonds. Verteidiger Marc Rüegg kämpft in den nächsten Wochen um einen neuen Vertrag.

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Der Beruf des Käsers ist im Emmental freilich nichts Aussergewöhnliches. Dass ihn ein Profi der SCL Tigers erlernt hat, ist schon eher erwähnenswert – erst recht, wenn es sich hierbei um einen Zürcher handelt. Verteidiger Marc Rüegg hat die Ausbildung zum Milchtechnologen (so lautet der Fachbegriff) in der elterlichen Käserei in Hinwil absolviert. Er hätte an und für sich Schreiner werden wollen, sah jedoch davon ab, nachdem er sich in der Fräse verheddert und beinahe den Daumen verloren hatte. So wählte er den «weniger gefährlichen Job», spielte nebenbei Eishockey. Für die Kloten Flyers durfte er immerhin sechsmal in der NLA einlaufen. Im Sommer wechselte er innerhalb der zweithöchsten Spielklasse von Visp nach Langnau.

 

Die starken Schmerzen

Am Sonntag ist der Absteiger mit einem souveränen Heimsieg in die Playoff-Halbfinalserie gegen La Chaux-de-Fonds gestartet. Heute Dienstag (19.45 Uhr) gastieren die Tigers im Neuenburger Jura. Rüegg erwartet
eine schwierige Partie, «La Chaux-de-Fonds wird mit Sicherheit furios loslegen». Dass er mittun kann, ist nicht selbstverständlich. In der Qualifikation absolvierte der Defensivverteidiger lediglich 16 Spiele. Bereits zu Saisonbeginn hatte er Probleme in der linken Hüfte beklagt, er nahm Schmerzmittel und erhielt Kortisonspritzen. «Mein Ziel war, den erforderlichen Eingriff bis zum Frühling hinauszuschieben», erzählt Marc Rüegg. Die Beschwerden wurden jedoch stärker, seine Leistungen hingegen schwächer. «Ich konnte kaum rotieren, fast jeder alte Mann war beweglicher als ich», hält Rüegg fest. Vereinzelt sei es ihm schwarz
geworden vor den Augen, weil er derart starke Schmerzen verspürt habe. «In der Nacht musste ich aufstehen und ein paar Schritte gehen, um die Durchblutung zu fördern.»

 

So liess sich der Zürcher Oberländer bereits im Oktober operieren. Statt der erwarteten fünf fiel er nur dreieinhalb Monate aus. Er sei hervorragend betreut worden, sagt Rüegg, dessen Freundin idealerweise als Physiotherapeutin tätig ist. Während seiner Pause half er einmal während zweier Tage im heimischen Käsereibetrieb aus, «um den Kopf zu lüften», wie er sagt. Er verpasste indes kein Spiel; einmal wirkte er als Statistiker, und als Not am Mann war, unterstützte er den Materialwart.

 

Die ungewisse Zukunft

Weil mit Deny Bärtschi und Kim Lindemann zwei Stammverteidiger ausfallen, kommt Marc Rüegg derzeit vergleichsweise oft zum Einsatz. Er will die Gelegenheit nutzen und Werbung in eigener Sache betreiben, läuft sein Kontrakt doch Ende Saison aus. Für die kommende Spielzeit haben die SCL Tigers bereits sieben Defensivspieler engagiert, zudem dürfte ein Akteur aus dem Nachwuchs nachrücken. Er mache sich seine Gedanken, «etwas Angst vor der Zukunft habe ich schon», gesteht Rüegg. Geschäftsführer Wolfgang Schickli bezeichnet den Ostschweizer als Vorzeigeprofi, der Eigeninteressen zurückstelle. Vertragsgespräche finden derzeit aber keine statt, «diese werden folgen, nachdem wir den Meisterkübel in die Höhe gestemmt haben», meint Rüegg schmunzelnd.

 

Der 24-Jährige würde sehr gerne in Langnau bleiben. «Ich bin ein Landei, das Zürcher Oberland und das Emmental lassen sich gut miteinander vergleichen.» An den Rücktritt mag er nicht denken – die Arbeit als
Käser kann warten.