Neue Zürcher Zeitung

Der Niedergang im SC Langnau begann 2011

Nach 15 Saisons in der höchsten Liga ist der SC Langnau abgestiegen. Allein der Status eines Kultvereins schützt nicht vor Misserfolg. Die Relegation ist die Quittung für viele Fehler der Technik im letzten Winter, doch der Niedergang setzte schon früher ein.

Presse • • von Jürg Vogel

Die Emmentaler waren zum Ausklang der Epoche des intensiven Amateur-Eishockeys eine Spitzenmannschaft, ein halbes Jahrzehnt lang auf zweite oder dritte Plätze abonniert. Die Equipe bestand aus Einheimischen, kam ohne Stadtberner oder Zürcher aus, delegierte einen ganzen Block ins Nationalteam. Und der bei der Tiger-Käse AG angestellte Transferchef John Mauerhofer engagierte Ausländer mit Profil, bei deren Auftritten ein Raunen durch die Liga ging. In jener Zeit ohne Internet und ohne geteerte Strasse bis in die Beiz Chuderhüsi hinten im Krachen begann der Kult der Hockey-Tiger.

 

Wildkatze ohne Biss

Bis heute ist der Tigerkopf mit den abstehenden Schnauzhaaren geblieben, nur die Beisskraft der Wildkatze hat sich geändert. In der Play-off-Zeit ab 1985 lernte Langnau leiden, verbunden mit zwei Abstiegen bis in die 1. Liga. Der Einstieg ins Halbprofi- und Profi-Eishockey veränderte die Szene im Dorf radikal. Vor gut zehn Jahren, in der Ära des früh an Krebs verstorbenen Coachs Jim Koleff, bezahlte der Klub Rekordlöhne, bis zu 400 000 Franken. Alle, der Materialwart eingeschlossen, sprachen Englisch. Das Hockey-Country, wie das Emmental heute im Marketing heisst, war damit geboren. Allein, der Geist, wie ihn Jeremias Gotthelf alias Pfarrer Bitzius aus dem benachbarten Lützelflüh in seinen Büchern beschrieben hatte, war verflogen.

 

In der Klubführung folgte die Zeit der Selbstdarsteller und Gaukler, es gab Schulden und Arbeit für den Betreibungsweibel. 2005 rettete der heutige Nationalrat Hans Grunder die Tiger vor dem Bankrott. Aber auch unter diesem Politiker wollte die Vetternwirtschaft nicht enden. Als Grunder 2009 ging, hatte Langnau im Nachwuchs markant Terrain eingebüsst. Der Juniorentrainer Ueli von Arx, Polizist und Vater von Reto und Jan von Arx, wurde mehr oder weniger aus dem Verein geekelt.

 

Der heutige Präsident, der Unternehmer Peter Jakob, kam danach an die Macht. Im Tal der heulenden Winde (ein Bonmot aus kalten Wintertagen) türmten sich die Schulden wieder auf Rekordhöhe. Jakob führte im Verein eine neue Währung ein: Demut und Solidität. Indes musste der Branchennovize rasch lernen, dass im Eishockey Emotionen oft die nüchternen Fakten dominieren. Doch unter Jakobs Regie wurde im Verbund mit der politischen Gemeinde Langnau 2012 der Umbau der Halle in ein Bijou erfolgreich abgeschlossen. Also alles richtig gemacht, nur im Sport nicht?

 

Langnaus Niedergang begann im Frühjahr 2011. Viele im Verein, darunter auch der Trainer-Autist John Fust, verloren die Klarsicht, als im Teletext der Name der Langnauer in der Rangliste grün unterlegt war, weil der Klub erstmals im Play-off-Paradies stand. Schleichend setzte der Schlendrian ein, in der Führung der Technik, im täglichen Geschäft, in dem schliesslich Panikreaktionen folgten.

 

Der Verein setzte im Abstiegswinter acht Ausländer, vier verschiedene Coachs und sage und schreibe vier verschiedene Torhüter ein. In Erinnerung an den meisterlichen Kitt von 1976 war die Mannschaft keine verschworene Gemeinschaft mehr. Die Verträge von 15 Spielern liefen aus, mindestens einer bot während der Liga-Qualifikation gegen Lausanne den Waadtländern seine Dienste für die nächste Saison an.

 

Vermeidbarer Abstieg

Trotzdem wäre, da stimmen die meisten Techniker überein, allein mit einem besseren Torhüter und Ansätzen zu einem sicheren System in der eigenen Zone der Abstieg zu verhindern gewesen – schon gegen Rapperswil-Jona und nachher auch gegen das starke Team aus Lausanne. Ein Clou der Geschichte: Der im Herbst als Nothelfer-Goalie verpflichtete Tscheche Jaroslav Hübl wäre vor dem Play-out zur Verfügung gestanden, nachdem er in der finnischen Meisterschaft mit Ilves Tampere ausgeschieden war. Doch er wartete vergebens auf einen Anruf des SC Langnau, für den er ja eine Lizenz hatte.

 

Langnau bleibt nun die Hoffnung auf einen Wiederaufbau über zwei, drei Jahre. Als Anker wirkt Präsident Jakob, der von seinen technischen Kaderleuten schmählich im Stich gelassen wurde. Jakob verblieb zu lange in der Rolle des Gutmenschen. Im Eishockey aber muss zwischendurch mit dem verwöhnten Personal Tacheles geredet, mit der Peitsche gearbeitet werden. Bereits scheidet der neu verpflichtete Geschäftsführer Wolfgang Schickli die Geister. Es würde die Kenner an der Ilfis überraschen, wenn der aus Kloten fürs Langnau-Sponsoring geholte Mann länger als eine Saison am Puck bleiben wird.