Berner Zeitung, Daniel Gerber

Der Pirat aus dem Emmental

Fabio Kläy heuert bei den «Portland Jr. Pirates» an. Der Bruder von SCL-Sportchef Reto Kläy geht damit einen für Schweizer ungewohnten Weg. Er will den Sprung in die NHL über die Uniliga NCAA schaffen.

Presse •

 

Nach Sven Bärtschi und Yannick Rathgeb wagt der nächste Eishockeyspieler aus dem Umfeld des SC Langenthal den Sprung nach Übersee. Fabio Kläy (19), Bruder des SC-Langenthal-Sportchefs Reto Kläy (35), wählt dabei einen für Schweizer Nachwuchsspieler nicht üblichen Weg: Während sich Bärtschi und Rathgeb sowie viele andere junge Schweizer mit dem Ziel NHL für die Junioren-liga CHL entschieden haben, will Kläy in der NCAA (National Collegiate Athletic Association) anheuern. Der Pfad dorthin führt über die angegliederte Nachwuchsstufe namens The United States Premier Hockey League (USPHL), dort heuert Kläy bei den Portland Jr. Pirates an. Der Unterschied zur CHL besteht vorwiegend darin, dass in der NCAA weniger Spiele, dafür mehr Trainingseinheiten auf dem Programm stehen. Dazu Fabio Kläy: «Weniger Spiele bedeutet auch weniger Reisen, weniger Road Trips. Man hat also mehr Zeit für das Training, statt ewig lange im Bus sitzen zu müssen.»

 

In der USPHL wollen sich die Jungtalente für die Plätze an den prestigeträchtigen Universitäten wie Harvard, Yale, Boston oder Michigan empfehlen. Diese haben sportlich wie auch akademisch unterschiedliche Anforderungskriterien an die jungen Leute. Eine der akademisch anspruchsvollsten und namhaftesten Unis hat im Vorjahr die NCAA-Meisterschaft gewonnen: die Yale-Universität aus New Haven (Connecticut). Reto Kläy: «In dieser Mannschaft gibt es einzelne Spieler, die zwischen NHL und Wallstreet auswählen können.»

 

Erst Pionier, jetzt Pirat

Fabio Kläy wird in Übersee nicht seine erste Station im Ausland erleben. Nach der neunten Klasse zog der Langnauer nach Österreich. Er war quasi als Pionier Teil des ersten Ausbildungsjahrgangs an der internationalen Sportschule in St.Pölten (Niederösterreich). Kläys Ziel war schon damals klar: Nach Österreich soll der Sprung in die USA erfolgen. Am 2. September war es dann so weit, und das Flugzeug, welches Kläy über den Atlantik bringen sollte, hob in Zürich ab. «Im ersten Jahr werde ich mich auf das Eishockey konzentrieren, aber viel Schulstoff lernen. Meine Schwerpunkte werden Mathematik und Englisch sein.» Alles mit dem Ziel, sich aus der Juniorenorganisation in die erste Division der NCAA vorzukämpfen und von dort den Sprung in die NHL anvisieren zu können. «Sollte ich mich nicht durchsetzen, hätte ich dank der guten schulischen Ausbildung andere Optionen», zeigt sich Kläy weitsichtig. «Auch meine Familie findet es wichtig, dass ich nicht ausschliesslich auf Eishockey setze.» Dass sämtliche Schritte grosse Herausforderungen sind, ist Kläy bewusst. Selbst das Erreichen der Stufe NCAA, wo SCL-Topskorer Jeff Campbell in der Organisation der Western Michigan University gross wurde, ist nicht jedem vergönnt.

 

Auf sich gestellt oder gänzlich ohne Nestwärme ist der junge Emmentaler aber auch in Portland im Bundesstaat Maine nicht. «Ich bin bei einer Gastfamilie untergebracht, vermutlich zusammen mit einem weiteren Spieler.» Es sei ein grösserer Schritt, auf den er sich sehr freue. Einfach werde es aber nicht. Pro Spiel dürfen nur zwei Nicht-Amerikaner eingesetzt werden, die Kader aber bis zu vier Legionäre umfassen.

 

Bis zur U-15-Nationalmannschaft stand Fabio Kläy jeweils in den Aufgeboten der nationalen Auswahlen, anschliessend erfolgte sein Wechsel nach Österreich. Einer seiner Coachs in St. Pölten war Jason O’Leary, der heutige SCL-Assistenzcoach. O’Leary über Kläy: «Er war einer der ersten Spieler, die wir nach Österreich holten. Fabio ist sehr motiviert und arbeitet hart. Seine Einstellung zum Eishockeysport ist sehr gut, man muss ihn nie zweimal bitten, etwas zu tun.» Mit den in der Schweiz und in Österreich gemachten Erfahrungen habe er gute Chancen, den Sprung an die Uni und damit den nächsten Schritt in der Karriere zu schaffen, sagt O’Leary. «Fabios Voraussetzungen stimmen. Er muss noch etwas stärker und schneller werden. Aber wenn jemand so motiviert ist wie er, ist er schwer zu bremsen.»

Möglich, dass die Kläy-Brüder gleichzeitig Studenten sein werden. Neben seinem Amt als SCL-Sportchef bildet sich auch der um 16 Jahre ältere Reto weiter. «Ich lasse mich in klinischer Psychoneuroimunologie ausbilden. Das ist eine Wissenschaft, die den Zusammenhang zwischen Psyche und Immunsystem ergründet. Im weiteren Sinne kann auch von Stresswissenschaft gesprochen werden.» Der Reisestress ist für den jüngeren Bruder vorbei. Jetzt beginnt für Fabio Kläy in den USA der Alltag. Hoffentlich möglichst stressfrei.