Der Bund, Tinu Heiniger

Der SCL – eine Liebeserklärung

Liedermacher Tinu Heiniger erklärt, wieso die SCL Tigers die Meister der Herzen sind.

Presse •

 

Der Mensch will dazugehören. Zur Familie, zum Quartier, zum Dorf und zum Sportverein. In Langnau ist der wichtigste Sportverein der SCL. Und als Langnauer gehört man zu diesem Club, auch wenn man vielleicht, wie meine Mutter, bloss ein einziges Spiel dort hinten an der Ilfis gesehen hat. Auch wenn Langnauer im Ausland sind, wollen sie wissen, was sie «nächti wieder g’krauet hei», was sie am Vorabend gespielt haben. Und wenn man irgendwo – auch weit ab vom Emmental – sagt, man käme von Langnau, man sei dort aufgewachsen, dann wissen zwar nicht alle, wo dieses Langnau genau liegt, waren die wenigsten Schweizer je dort, aber dass es den SCL gibt, das wissen sie. Die Hockeyeler sind immer noch die Visitenkarte und der Stolz der Emmentaler, mehr als der Käse.

 

Alle haben wir uns während Jahren und Jahrzehnten mit dem SCL identifiziert, haben mitgefiebert und mitgelitten mit diesem Club, sind innerlich selber abgestürzt, wenn sie abgestiegen sind, und wir sind, seit sie 1976 Schweizer Meister geworden sind, heimlich und im Herzen Schweizer Meister geblieben. Damals waren die meisten Spieler unter dem grossartigen Trainer Jean Cusson noch Emmentaler. Dass es heute nur noch ein paar wenige Hiesige hat, trübt unsere Liebe und unsere innige Verbundenheit mit den Tigern nicht. Auch, dass sie nicht mehr nur SCL, sondern auch noch Tigers heissen, können wir, die uralten Fans, verkraften. Wir wissen nämlich, dass der Tigername von der Langnauer Tigerchäsli-Bude kommt – und nicht etwa, wie uns das die Bandenwerbung verkaufen will, vom Tigerbalsam.

 

In der Saison 1960/61, ich weiss, das ist sehr lange her, hatten wir, wie jetzt wieder, bereits einmal entscheidende Spiele gegen den EHC Visp. Ich war damals 14-jährig und war, wie alle meine Freunde, völlig angefressen von unserem Hockeyclub. Im Jahr zuvor war aus der Natureisbahn an der Ilfis eine Kunsteisbahn geworden. Und ich weiss noch gut, wie damals Spieler aus der ersten Mannschaft mit Schaufel und Pickel beim Bau dieser Kunsteisbahn gratis mitgearbeitet haben.

 

Getreichelt wie wahnsinnig

Beim entscheidenden Spiel um den Nati-B-Meister gegen die Pfamatter, Truffer und Salzmänner von Visp wollte ich damals auch irgendwie mithelfen. Ich holte mir am Nachmittag vor dem Spiel beim «Hösubuur» an der Oberstrasse eine Treichle und ging damit am Abend, wie der Schellen-Ursli, durchs Dorf und über die Passerelle ins Stadion. Wobei Stadion ein zu grosses Wort ist, es war eine ungedeckte Eisbahn. Und wenn es geschneit hat, dann mussten die das Spiel immer wieder unterbrechen und das Eis von Hand putzen. Das war ein Gaudi, wenn einer der Putzequipe dabei auf den Ranzen fiel. Und wenn sehr viel Schnee fiel, dann mussten auch die Spieler anpacken. Ich war dort hinten also bei diesem entscheidenden Spiel, habe getreichelt wie wahnsinnig und musste doch mit ansehen, wie meine Langnauer gegen diese Walliser untergegangen sind. Die Visper haben dann auch gegen Arosa gewonnen und sind aufgestiegen. Langnau erst ein Jahr später, ich glaube gegen Servette war das. Am nächsten Tag brachte ich die Treichle dem «Hösubuur» wieder zurück. Ich dankte ihm überschwänglich und sagte auch noch, es habe dann leider doch nüt genützt. Der nahm die Treichle, hängte sie wieder auf und, ohne mich dabei anzuschauen, sagte mit seinem gruusigen Schigg im Maul: «Was danke? Mit däm hani nit gfrässe!» Das tat weh, mindestens so sehr, wie diese Niederlage gegen Visp.

 

Bei meinem letzten Spiel, an dem ich live dabei war, nämlich im entscheidenden Spiel gegen Rappi – scheinbar sind alle Spiele des SCL «entscheidende Spiele» –, schwor ich mir, nie mehr an einen Match zu gehen. Und das kam so: Langnau führte kurz vor Schluss 3:2, und damit wären sie in der Nati A geblieben. Das ganze Stadion feierte bereits diesen Triumph, und alle lagen wir uns in den Armen. Dann, es war wirklich nur zum Wegschauen, vergeigen die das noch, lassen den Ausgleich zu. Und dann kommt, was nach diesem Schock kommen muss, verlieren sie in der Verlängerung. Ich fuhr damals im Zug von Langnau Richtung Burgdorf. Es war still, wie nach einer Beerdigung. Auch ich war völlig geschafft nach dieser blöden, unnötigen Niederlage und sagte zu Hause nur noch: «I ga nümm, i mas nit verlide!»

 

Und jetzt, am letzten Freitag, war ich doch wieder dabei. Und wieder gegen Visp. Und diesmal nahmen wir Revanche für das Treichlespiel von 1961. Und einer der grossartigen Langnau-Fans hatte doch tatsächlich eine Riesentreichle dabei, die alles, auch die EHC-Gesänge der Visper Fans, übertönt hat. Und Gott sei Dank, es hat diesmal geholfen!

 

Und ehrlich gesagt, ich hätte nach diesem 5:2, das mir so gutgetan hat, eigentlich gar nicht wissen wollen, ob sie es am Sonntag in Visp geschafft haben. Aber jetzt weiss ich es. Heute Abend, wenn in Langnau das 7. Spiel stattfindet, da gehe ich lieber gar nicht hin, das halte ich nicht aus. Ich weiss, es ist krank, aber ich würde es nicht ertragen, wenn sie verlieren sollten. Ich kann ja dann nicht, wie damals als Bub, wenn ich beim «Eile mit Weile» verloren habe, einfach das Spielfeld samt den Togglen durch die Stube werfen!