Ein Ligaerhalt ohne «Last Minute», dafür mit «Frühbucher-Rabatt»

Der Tiger auf dem schnellsten Weg in den Ferien!

Wer hätte das gedacht? Die SCL Tigers verabschiedeten sich auf dem schnellstmöglichen Weg in die Ferien. Auf dem Weg dahin wurden schwierigste Klippen letztlich souverän umschifft.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Eigentlich ist für einen Eishockeyfan ein derart frühes Ende einer Saison keine Option. Aber ähnlich wie bei der Ferienbuchung ist der Frühbucher-Rabatt zwar weniger interessant als ein Last-Minute – Angebot, aber dafür ist es sicherer. Um den Umbau der Ilfishalle und die Planung für die nächste Saison frühzeitig an die Hand nehmen zu können, benötigten die Langnauer vor allem Sicherheit. Es war lange Zeit nicht die Saison der SCL Tigers. Als sie es schliesslich doch noch wurde, war es zu spät für die Playoffs. Viel zu spät! Denn es geht dabei nicht nur um die historische, zehn Spiele andauernde Niederlagenserie. Bereits zuvor befanden sich die Langnauer klar auf Playout-Kurs. Weshalb kam Robert Esche erst so spät in Form? Im 2012 zeigte er konstant seine eigentlich unbestrittene und auch zuvor oft bewiesene, aber wegen seiner unkonstanten Leistungen in der ersten Saisonhälfte zuletzt angezweifelte Klasse. Weshalb funktionierte die mit viel Hoffnung und Spannung erwartete «Hammerlinie» mit Pascal Pelletier, Joel Perrault und Robin Leblanc nicht. Diese drei im Zusammenspiel dominierten doch einst die kanadischen Juniorenligen beinahe nach Belieben. Leblanc, der den zum HC Lugano abgewanderten Daniel Steiner nie auch nur annähernd ersetzen konnte, blieb den Beweis seiner NLA-Tauglichkeit bis zum Saisonende schuldig. Auch Perrault konnte nach seiner Abschiebung bei seinem neuen Klub lediglich in einigen wenigen Spielen Akzente setzen, brachte aber die Leventiner ebenfalls nicht entscheidend weiter. Andreas Camenzind, der andere prominente Abgang mit Schweizerpass bei den SCL Tigers, sollte durch Claudio Neff gleichwertig ersetzt werden. Pech, dass Neff rund zwei Drittel der Saison wegen des pfeifferschen Drüsenfibers krankheitshalber ausfiel. Steiner und Camenzind nicht vollwertig ersetzt, da fehlte es an spielerischem Potential. Hinzu kamen weitere Unzulänglichkeiten. Zum Beispiel die sieben kassierten Shorthander. Die Anfälligkeit war teilweise derart frappant, dass die Gegner erfolgreich auf die Abspielfehler der Hintermannschaft spekulierte, wenn die Tiger in Überzahl spielten, und so in Phasen der zahlenmässigen Unterlegenheit zum Teil entscheidende Treffer markierten. Die Tiger wandelten diese Schwäche später in eine Stärke um. Sieben Shorthander kassierten die Emmentaler bis zur Sasionhälfte, keinen einzigen erzielten sie. Danach kassierten sie jedoch keinen einzigen mehr, erzielten aber selbst deren sechs. Oder der mentale Hänger von Captain Pascal Pelletier nach der Abschiebung seines Freundes Joel Perrault nach Ambri. Pelletier war einige Spiele lang nur noch ein Schatten seiner selbst, bewies jedoch zum Saisonende seine Wichtigkeit für das Team. Auch die zunächst ohne Ausländer antretende Verteidigung war lange Zeit eine Baustelle, und war zeitweise beängstigend löchrig. Erst in der 49. Runde wurden die Langnauer, bei welchen der Gesetzte Simon Lüthi bereits früh wegen einer Diskusherinie bis zum Saisonende ausfiel, im Bezug auf die Gegentreffer noch vom Schlusslicht Rapperswil überholt. Die Kreativität des nach Oesterreich abgewanderten Curtys Murphy fehlte im Spiel nach vorne, zumal Jörg Reber seine überragende Saison 2010/11 nicht wiederholen konnte. Der Schlosswiler haderte bald einmal mit sich selbst und verkrampfte sich dadurch nur noch mehr. Dass er mehr kann, bewies er sich trotz seines zeitweisen Ausfalls wegen einer Schulterverletzung im zweiten Teil der Saison gleich selbst. Auch Martin Stettler fand nur sehr schwer in die Saison. Stettler, welcher in Bern einige seiner wohl besten Jahre richtiggehend «verschwendete», in der Bundesstadt nur zu wenig Eiszeit kam und kaum Verantwortung zu tragen hatte, konnte in Langnau nicht auf Knopfdruck umschalten und gleich wieder die Leistung abrufen, welche sich die Emmentaler vor seinem Wechsel nach Bern gewohnt waren. Aber Stettler steigerte sich im Verlaufe der Saison markant und war zum Schluss wieder der alte. Als geschickter Schachzug erwies sich die Verpflichtung von Mark Popovic. Nach seinem erfolgreichen Einstand beim Spiel vom 19. November in Ambri agierte der zuvor pausierende Kanadier mangels Spielpraxis vorerst eher unauffällig, entwickelte sich jedoch sowohl in offensiver als auch in defensiver Hinsicht zu einer klaren und wertvollen Verstärkung. Seine von beiden Seiten angestrebte Vertragsverlängerung ist deshalb eine logische Folge.

 

Starke Reaktionen und starke Entscheidungen

Es gibt keine Rezepte, wie Krisen unter Garantie zu verhindern sind. Krisen sind auch nicht auf Knopfdruck zu beenden. Die Art und Weise, wie in Langnau mit dem sich früh abzeichnenden Scheitern im Rennen um die Playoffs und mit der langen Serie von Niederlagen im Dezember umgegangen wurde, zeigt die wahre Stärke des Unternehmens SCL Tigers. In Langnau gingen alle den Weg, den sie gehen mussten. Die Verwaltungsräte um Präsident Peter Jakob zeigten sich unerschütterlich, und die Art und Weise, wie sie nie einen Zweifel an der Sanierung der Ilfishalle und dem eingeschlagenen Weg aufkommen liessen, stärkte dem Management um Geschäftsführer Ruedi Zesiger den Rücken. Zesiger dankte dies mit klugen Entscheiden, und indem es nicht zu liess, dass wegen der schlechten Resultate Unruhe in sein Unternehmen einkehrte. Der «Exil-Seeländer» bewiess damit nicht zum ersten Mal, dass nicht nur derjenige handlungsfähig ist, der viel Geld zur Verfügung hat. Zesiger traf mit den Verpflichtungen von Mark Popovic und Paul diPietro die richtigen Massnahmen, um die nötigen Impulse ins Team zu bringen, und verstärkte die Mannschaft auf die Playouts hin mit starken B-Lizenz – Spielern wie Thomas Nüssli und dem Ex-Young Tiger Philipp Wüst. Coach John Fust bewies, dass er Krisen meistern kann und dass er es versteht, sein Team an schwierigen Situationen wachsen zu lassen. Dem kanadisch-schweizerische Doppelbürger gelang es, die gute Stimmung im Team aufrecht zu erhalten, und er liess keine Selbstzerfleischung oder gegenseitige Schuldzuweisungen aufkommen. Seine Mannschaft arbeitete unverdrossen weiter, suchte den Ausweg aus der Krise und fand diesen schliesslich auch. Und nicht zu vergessen das Publikum! Viel zu wenig ist bewusst, was laufend leerer werdende Zuschauerrränge auf ein Team für negative Wirkung haben können. Als der EHC Basel 2008 in die NLB abstieg, fanden die entscheidenden Heimspiele in der modernen, 6'000 Zuschauer fassenden St. Jakobshalle noch vor etwas mehr als 1'000 Zuschauern statt. Kein Wunder, dass so die Signale auf «Zerfall» gestellt waren und es den Baslern zunehmend schwerer fiel, den Glauben an den späten Erfolg aufrecht zu erhalten. In Langnau leerten sich die Ränge zu keinem Zeitpunkt. Die ganze Saison 2011/12 spielten die SCL Tigers nie vor weniger als 4'900 Zuschauern. Keine Spur von Hoffnungslosigkeit. Keine Spur von Zerfall! Das Publikum war zwar zeitweilig verärgert und frustriert, stand jedoch zu jedem Zeitpunkt hinter dem Team, und hinter der gesamten Organisation. Dies hat in Langnau Tradition. Als die SCL Tigers im Jahr 2007 durch die Ligaqualifikation mussten, reisten die Fans gleich mit sechs gut gefüllten Cars nach Biel, um ihre Mannschaft, für welche es um alles oder nichts ging, zu unterstützen. Noch eindrücklicher war die Unterstützung an den Heimspielen. Je mehr es damals im Kampf um den Ligaerhalt um die Wurst ging, je prekärer die Situation nach den verlorenen Halbfinal- und Finalserien wurde, desto zahlreicher marschierte das Publikum auf, und desto frenetischer wurde die Unterstützung. Diese Art der Unterstützung kann entscheidend sein. Wenn sich ein Publikum zunehmend abwendet, entzieht dies der betroffenen Mannschaft Energie. Die Treue der Fans und Zuschauer, sowie die Mobilisierung der Massen in schwierigen Situationen, so wie dies in Langnau in fast einzigartiger Manier der Fall ist, verhilft einer Mannschaft zu mehr Energie. Der Support der Massen befeuert das Team und zündet den Nachbrenner, wenn die vorhandenen Pferdestärken nicht ganz ausreichen. Der EHC Biel war 2007 nicht schlechter als im Aufstiegsjahr 2008. Aber zwischen dessen beiden Gegnern (2007 SCL Tigers, 2008 EHC Basel) lagen minimale Unterschiede im Potential, aber enorme Unterschiede in der Mentalität. Am Unterschied in der mentalen Verfassung hatten die Fans massgeblichen Anteil!

 

Langnaus Führung in der Spitzengruppe der Liga

Im Emmental können Management-Fehler nicht einfach mit Geld zugeschüttet werden wie in Lugano, Zürich, Bern oder Davos. Bei Letzterem sorgen seit Jahren Langnauer regelmässig für die Meistermusik. Fällt der Langnauer-Leitwolf Reto von Arx wie in diesem Jahr zur Unzeit aus, so scheitert das Davoser-Rudel in lediglich vier Spielen im Playoff-Viertelfinal. Aber dies soll uns nicht weiter beschäftigen, denn das in den Medien zelebrierte «Davos hier» und «HCD da» hängt dem normalen Eishockeyfan längst zum Halse heraus. Denn was zu viel ist, ist zu viel! Deshalb zurück nach Langnau: In Langnau ist es wichtig, dass ein fähiges Management möglichst wenig Fehler begeht. Dass Peter Jakob und Ruedi Zesiger mit ihren Crews die Organisation der SCL Tigers in der Randregion Emmental mit derart viel Schlauheit und Umsicht in sichere Gewässer führt, ist sehr selten und deshalb höchster Anerkennung wert. Normal ist, dass Leute, deren Fähigkeiten dasjenige von Abteilungsleitern in KMUs nicht übersteigt, Unternehmen mit Millionen-Umsätzen in einem emotionalen Umfeld an den Rand des Abgrunds führen, sofern nicht Mäzene wie Walter Frey (ZSC Lions) oder Geo Mantegazza (HC Lugano) die ruinösen Defizite immer und immer wieder bezahlen oder mit Bankgarantien abdecken. In Lugano oder Zürich braucht es keine Top-Managements. Dort könnten auch Lehrlinge erfolgreich sein. Ein Fehlentscheid wird einfach so lange mit dem nächsten zugedeckt, bis sich ein Glückstreffer ergibt. Dies ist vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber in der Tendenz stimmt es. Hätte Martin Bruderer (von Juli 2006 bis September 2007 CEO der SCL Tigers) seine Karriere nicht ausgerechnet als Geschäftsführer in Langnau begonnen, hätte er vielleicht in diesem Business und auf dieser Position Fuss fassen können. In Lugano hätte er wohl sorgenfrei «üben» können. Aber eine Organisation wie die SCL Tigers zu führen, erfordert Fähigkeiten, die über diejenigen eines Lehrlings deutlich hinaus gehen. Das Scheitern Bruderers war rasch absehbar. Heute haben wir mit Ruedi Zesiger einen Geschäftsführer, der es versteht, mit knappen Ressourcen umzugehen und dabei die Menschlichkeit zu bewahren. Gäbe es einer Rangliste der fähigsten Manager im Schweizer Eishockey, wäre «Rüedu» mit Sicherheit unter den besten Drei zu finden. Hinter Zesiger steht ein Verwaltungsrat mit Standfestigkeit und einer Vision, die sich umsetzen lässt, und die den SCL Tigers hoffentlich ein langes Leben in der NLA sichert.

 

FANTIGER und der Fanclub SCL Tigers gratulieren und danken allen Beteiligten zur souverän erledigten Mission Ligaerhalt. Gemeint sind damit das Team mit seinem Coaching- und Betreuer-Staff, das Management unter Geschäftsführer Ruedi Zesiger, dem Verwaltungsrat, angeführt von Präsident Peter Jakob, allen ehrenamtlichen Helfern sowie dem fantastischen Publikum.

 

In der Saison 2012/13 greifen wir wieder an. Wir freuen uns bereits jetzt darauf.