Berner Zeitung, Philipp Rindlisbacher

«Der Titel muss das Ziel sein»

Vor der am Sonntag (18.15 Uhr, Langnau) beginnenden Halbfinalserie gegen La Chaux-de-Fonds spricht der schwedische Tigers-Coach Bengt-Ake Gustafsson (55) über den Wandel vom Olympiasieger zum NLB-Trainer, fehlende Führungsspieler und das Schweizer Nationalteam.

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Vor acht Jahren führten Sie Schweden zu Olympia- und WM-Gold, nun coachen sie einen NLB-Verein. Wähnen Sie sich manchmal im falschen Film?

 

Bengt-Ake Gustafsson: Steht ein Coach an der Bande, ist es für ihn sekundär, wie viele Fans im Stadion sind, wer sich auf dem Eis befindet, wie bedeutend die Partie ist. Er will nur, dass seine Jungs gewinnen. Ich halte mich nicht für besser und wichtiger als andere, vor mir braucht in Langnau niemand in Ehrfurcht zu erstarren.

 

Statt NHL-Stars betreuen Sie unter anderen junge Profis und Akteure, welche den Durchbruch nicht geschafft haben. Mussten Sie Ihre Arbeitsweise anpassen?

 

Ich bin quasi der Lehrmeister – die Rolle des Ausbildners ist relativ neu für mich. Die Fehlerquote ist natürlich höher als einst beim schwedischen Nationalteam. Doch auch den Topcracks unterliefen Fehler; diese zu akzeptieren, fiel mir schwerer. Mich frustrierte es, dass solch talentierte Profis meine Ideen nicht immer umsetzen konnten.

 

Auffällig ist, dass Sie während Trainingseinheiten und Ernstkämpfen kaum einmal laut werden. Sie wirken, überspitzt formuliert, gelegentlich etwas teilnahmslos...

 

...ich halte nichts von Wutausbrüchen. Ich versuche, meinen Frust für mich zu behalten. Als Spieler hatte ich viele Coaches, die sehr laut wurden – gebracht hat das selten etwas. Man kann das Team auch anders anstacheln.

 

Die Aggressivität jedoch wird im Langnauer Spiel zuweilen vermisst. Wirklich begeistert hat die Mannschaft selten.

 

In vielen Spielen waren wir zehn, fünfzehn Minuten lang nicht bereit. Diese Passivität war mir lange ein Rätsel; sie hatte wohl mentale Gründe. Seit Beginn der Playoffs hat sich das verbessert.

 

Sie weilen seit Oktober in Langnau. Seither haben die SCL Tigers 39 Partien absolviert, deren 25 gewonnen und die Qualifikation auf Rang 2 abgeschlossen. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?

 

Die Mannschaft hat sich entwickelt, ich sehe viele gute Ansätze. Wir machen uns das Leben aber zu oft selber schwer. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass bei einigen Spielern die Schlittschuhe auf dem Eis standen, der Rest aber nicht bei der Sache war.

 

Fehlt es an Leaderfiguren?

Mir stehen Spieler mit Führungsqualitäten zur Verfügung.  Wir sollten aber mehr davon haben. Wir diskutieren immer wieder darüber, dass jeder Einzelne mehr Verantwortung übernehmen soll.

 

Am Sonntag beginnt die Playoff-Halbfinalserie gegen La Chaux-de-Fonds – wie stark stufen Sie den Gegner ein?

 

Wir sind gewarnt, La Chaux-de-Fonds hat Olten nicht grundlos bezwungen. Die Mannschaft besitzt viel Potenzial in der Offensive, kann sich in einen Rausch spielen. Es wird nicht einfach, und es wäre vermessen, einen Durchmarsch ohne Niederlage zu erwarten.

 

Käme nach dem souveränen Viertelfinalerfolg über Thurgau und dem überraschenden Ausscheiden von Qualifikationssieger Olten alles andere als der B-Meistertitel einer Enttäuschung gleich?

 

Ja, aber mit dem Ausscheiden von Olten hat das nichts zu tun. Der Titel muss das Ziel sein, diesen Anspruch sollte bei uns jeder haben.

 

Biel oder Rapperswil-Jona werden die Ligaqualifikation bestreiten müssen. Haben Sie diese Teams bereits beobachtet?

 

Ich habe sie ein paar Mal spielen sehen. Der Fokus liegt jetzt aber woanders. Das Thema Aufstieg befindet sich erst im Hinterkopf.

 

Zum Langnauer Kader zählt Ihr Sohn Anton, der zu den am besten bezahlten Spielern gehört. 2008 war er ein NHL-Erstrundendraft – weshalb kann er seine Qualitäten nicht konstant abrufen?

 

Er hatte mehrmals Verletzungspech, in physischer Hinsicht geht es ihm jetzt aber besser. Ich denke, er bewegt sich in die richtige Richtung. Sicher braucht er im Moment nicht zu träumen. Er nimmt Tag für Tag, denkt an heute, nicht an morgen.

 

In einigen Medien wurden Sie als Nachfolger von Nationalcoach Sean Simpson gehandelt. Hat der Schweizerische Eishockeyverband Sie kontaktiert?

 

Nein. Mein Vertrag bei den SCL Tigers läuft ohnehin weiter.

 

Wie würden Sie reagieren, sollten Sie ein Angebot erhalten?

 

(überlegt) Keine Ahnung. Der Job des Schweizer Nationaltrainers ist zweifellos sehr, sehr interessant. Es gibt viele, die würden einiges dafür geben, diesen Posten zu bekommen.