Der Transfer, der Liga und Karrieren verändert

Torhüter-Transfers verändern die Landkarte des Schweizer Eishockeys am nachhaltigsten. Das ist auch beim Wechsel von Tobias Stephan zum EV Zug so.

Presse • • von 20 Minuten online, Klaus Zaugg

Die folgenreichsten Klubwechsel der letzten 25 Jahre waren durchwegs Goalie-Transfers: Renato Tosio ging von Chur nach Bern und begründete die Dynastie der «Big, bad Bears». Reto Pavoni zügelte 2002 von Kloten nach Genf und etablierte Servette in der NLA. Reto Berra und Leonardo Genoni verliessen die ZSC Lions und machten Davos 2009 gemeinsam zum Meister. Ari Sulander ermöglichte den ZSC Lions vier Titel und historische internationale Triumphe. Chris McSorley schickte Benjamin Conz nach Langnau und die Emmentaler schafften 2011 die Playoffs.

 

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Der Transfer von Tobias Stephan von Servette zu Zug wird ähnliche Auswirkungen haben. Stephan hat beim EVZ einen Dreijahresvertrag unterschrieben. Der Kontrakt läuft ab der übernächsten Saison (2014/15). Sollte es jedoch Servette-General Chris McSorley gelingen, für nächste Saison Biels Reto Berra zu bekommen, dann wechselt Tobias Stephan bereits auf nächste Saison nach Zug.

 

Braucht es eine Transferperiode?

Ist diese Transfer zur Unzeit verwerflich? Die Forderung, Transfers auf einen bestimmten Zeitraum zu beschränken, tönt vernünftig. Tatsächlich gab es im letzten Jahrhundert bis in die 1990er Jahre hinein die sogenannte «Transferperiode»: Transferverhandlungen und Transfers waren nur im Monat Mai gestattet. Luganos Trainer John Slettvoll war im Frühjahr 1990 über die vorzeitige Vertragsunterschrift von Thomas Vrabec beim SC Bern so erbost, dass er seinen besten und wichtigsten Feldspieler im Finale gegen den SC Bern auf die Tribune verbannte – und den Titel trotzdem holte.

 

Aber Gesetze bringen nichts, wenn die Einhaltung nicht kontrolliert werden kann. Es ist schlichtweg unmöglich, Transferverhandlungen zur Unzeit zu verbieten. Deshalb sind die Beschränkungen richtigerweise aufgehoben worden. Luganos Christian Dubé unterschrieb seinen Vertrag beim SC Bern schon an Weihnachten, Oleg Petrow besiegelte den Wechsel von Servette zu Zug bereits im Herbst.

 

Diese Transfers wurden offiziell nicht bestätigt. Ryan Gardners Wechsel von den ZSC Lions zum SC Bern wurde im Herbst 2010 offiziell bestätigt. Obwohl er erst im Sommer 2011 nach Bern zügelte. Im Januar 2013 wissen wir bereits, dass Biels Anthony Huguenin, Clarence Kparghai und Thomas Wellinger nächste Saison bei anderen Klubs (Gottéron, Lugano, SCB) spielen werden. Und nun eben der vorzeitig aufgedeckte Transfer von Tobias Stephan zu Zug.

 

Unterhaltungskultur bereichert

Agenten, Trainer, Spieler und Publikum haben längst mit diesen Transfers zur Unzeit leben gelernt. Letztlich wird in erster Linie die Unterhaltungskultur bereichert. Ein Playoff-Viertelfinale Servette gegen Zug wäre gerade aus dieser Sicht ganz besonders reizvoll und wünschenswert.

 

Mit Tobias Stephan haben die Zuger den besten und konstantesten Schweizer Torhüter ausserhalb der NHL verpflichtet. Mag sein, dass Biels Reto Berra an einem guten Abend noch besser ist, Berns Marco Bührer einen neuen Rekord herausgespielt (am längsten ohne Gegentor) oder Leonardo Genoni und Lukas Flüeler einen Titel holen. Aber kein Torhüter in der Liga spielt bereits seit so langer Zeit so konstant auf so hohem Niveau wie Tobias Stephan. Zuletzt war er an der WM unsere Nummer 1.

 

Er hat nun nach einer Rückkehr aus Nordamerika in der vierten Saison in Serie in der NLA eine Abwehrquote von mehr als 92 Prozent. Der reflexschnelle, stocktechnisch exzellente und coole Blocker hat perfekten Postur (191 cm/85 kg) für den in den 1990er Jahren in Nordamerika entwickelten Butterfly-Stil. Stark vereinfach erklärt: Der Torhüter stellt die Schoner wie Schmetterlingsfluge aufs Eis («Butterfly») und deckt mit dem Oberkörper die obere Fläche des Tors ab.

 

Talent von Anfang an

Der ehemalige Klotener Junior galt von allem Anfang an als Jahrhundert-Talent. 2001 hexte er die Schweiz an der U 18-WM bis ins Finale (2:6 gegen Russland). Später verzögerte eine Hüftoperation seine Karriere. Aber 2006 wechselte er von Kloten in die Organisation der Dallas Stars und wurde nach Pauli Jaks, David Aebischer, Martin Gerber und Jonas Hiller der fünfte NHL-Goalie (11 NHL-Spiele). Im Sommer 2009 kehrte er in die Schweiz zurück und seither ist er bei Servette der wichtigste Einzelspieler. Die NHL-Karriere scheiterte nicht an seinen Leistungen. Sondern an der ungünstigen Konstellation: Dallas hatte damals u.a. mit Marty Turco, Kari Lehtonen, Alex Auld und Mike Smith zu viele gute Goalies.

 

Die Zuger bekommen nicht nur einen sehr guten, sondern auch einen überaus pflegeleichten Torhüter. Wo der intelligente Musterprofi spielt, ist er im Team und im Umfeld sehr beliebt und eine Integrationsfigur. Tobias Stephan ist im besten Sinne des Wortes ein «Franchise Player». Dieses höchste Lob gibt es in Nordamerika für einen Einzelspieler, der dazu in der Lage ist, ein Sportunternehmen auf und neben dem Eis besser zu machen.

 

Keine Garantie für zweiten Titel

Natürlich garantiert Tobias Stephan den Zugern nicht den zweiten Titel nach 1998. Aber er schafft die Voraussetzungen für einen Titelgewinn. Trainer Doug Shedden hat in Zug seinen Vertrag bis 2015 verlängert. Für die Saison 2014/15 wird er Tobias Stephan auf jeden Fall zur Verfügung haben. Die Ausrede für sein Scheitern in den Halbfinals von 2009, 2010, 2011 und 2012 – das Versagen der Goalies – wird er, so die Hockeygötter wollen, nicht mehr bringen können.

 

Der Transfer von Tobias Stephan verändert also nicht nur unsere Hockeylandkarte, sondern auch die Karriere von Doug Shedden, dem Coach, der keine Meisterschaften gewinnen kann. Und darüber hinaus bringt sich Zugs Sportchef Jakub Horak durch sein Transfer-Meisterstück unter Leistungsdruck: Nun ist es an ihm, die Mannschaft so zu ergänzen und so mit den richtigen vier ausländischen Feldspielern zu verstärken, dass es im Frühjahr 2015 tatsächlich möglich wird, im Titelkampf eine entscheidende Rolle zu spielen.