Der Weg ans Hallendach ist weiter als in den Himmel

Viele aus der trauernden Fangemeinde der SCL Tigers wünschen sich, dass das Leibchen mit der Nr. 44 von Walter (Wale) Gerber aus Ehrerbietung an den Verstorbenen und als Würdigung seiner Verdienste ans Dach der Ilfishalle gezogen, und nie mehr vergeben wird. Der Wunsch der Fans ist verständlich. Doch der Weg ans Hallendach ist für Wale wohl zu lang. Kein einziger Spieler aus der Meistermannschaft schaffte ihn bisher, und auch Langnaus Alltime Topscorer Peter Moser (484 Spiele, 248 Tore, 215 Assists, 463 Punkte) wartet vergeblich auf diese Ehre.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Wir alle wurden aufgeschreckt durch den tragischen Tod von Walter Gerber. Wale war ein Fighter, immer zu 100 Prozent bei der Sache. Passiv sein konnte er nicht. Weggefährten erinnern sich an einen lieben Menschen mit einem sehr guten Charakter. Seine Eigenschaften passten gut zum SC Langnau. Er war ein Vorzeige-Tiger. Er absolvierte insgesamt sechs Saisons im Tigerdress. Seine erste war 1990/91. Danach spielte er von 1993 – 1998 wieder für Langnau. Insgesamt absolvierte er 243 Spiele für den SCL. In seiner ersten Saison (90/91) stiegen die Tiger von der NLB in die 1. Liga ab. In seiner zweite Saison (93/94, die Tiger hatten einen Wiederaufstieg und einen erneuten Abstieg hinter sich) stiegen die Langnauer wieder in die NLB auf. Und in seiner letzten Saison mit dem Tiger auf der Brust schaffte er mit dem Team des damaligen Coachs Köbi Kölliker den Aufstieg in die NLA. Wale verliess danach das Emmental in Richtung Chur. Er spielte nie in der NLA, aber er blieb den Fans an der Ilfis immer als wichtige Figur in Erinnerung. Sie vergassen ihn nie. Trotzdem wird ihm die Ehre, dass seine Nummer 44 zurück gezogen, und sein Leibchen ans Hallendach gehängt wird, wohl verwehrt bleiben.

 

Die Schweizermeister warten vergeblich

Kennt jemand Fritz Lehmann? Fridu trug damals die Nr. 12 und war Captain der legendären Langnauer Eishockeymannschaft, die1976 den bisher einzigen Titel der Klubgeschichte in der höchsten Spielklasse sicherte. Fritz Lehmann spielte zwischen 1962 und 1980 in 18 Meisterschaften 392 Partien für den SC Langnau, und war sowohl als Spieler als auch als Führungspersönlichkeit eine prägende Figur.

 

Simon Schenk ist allen ein Begriff. Die jüngeren kennen ihn vielleicht aus der Politik, denn Simu sass ja bis vor kurzem für den Kanton Bern im Nationalrat. Aber Schenk ist auch Mitglied der SCL Meistermannschaft von 1976. Mit der Nr. 13 auf dem Rücken bestritt er zwischen 1964 und 1980 in 15 Saisons 334 Spiele für die Emmentaler. Der spätere Nationalcoach war zu seiner Zeit als Provokateur fast so brillant wie als Spieler, und er hatte massgeblichen Anteil am Erfolg seiner Mannschaft. Zwischen 1991 und 1995 war er als Trainer, Sportchef, Geschäftsführer und Integrationsfigur gemeinsam mit dem damaligen Präsidenten Fred Wenger die entscheidende Persönlichkeit, um den zuvor völlig herunter gewirtschafteten SC Langnau wieder aus dem Dreck zu ziehen. Zuschauerschnitte von über 4'000 in der 1. Liga zeugen von dieser legendären Phase in der Geschichte des Langnauer Eishockeys.

 

Kennt jemand Rolf Tschiemer? Der Spieler mit der Nr. 8 war der beste Torschütze der Meistermannschaft von 1976. Er spielte von 1971 bis 1983 in der NLA, und neun Jahre danach, im Winter 1992/93 in der 1. Liga, in 13 Saisons insgesamt 337 Mal für den SC Langnau. Tschiemer hatte nach dem Gewinn des Meistertitels die Möglichkeit, zum SC Bern zu wechseln, widerstand jedoch dem Ruf des Geldes und blieb dem SCL treu. Er gilt als einer der fairsten Spieler seiner Zeit. Pro Saison kam er durchschnittlich auf lediglich vier Strafminuten.

 

Kennt jemand Res Meyer und Ernst Lüthi? Die beiden bildeten über Jahre ein legendäres Verteidigerpaar und waren massgeblich am Titel der Langnauer beteiligt. Ebenso wie Jürg Berger, einer der schnellsten und torgefährlichsten Flügel seiner Zeit. Oder Edgar Grubauer, unsern Meistergoali? Oder Peter Lehmann, den Verteidiger mit den legendären Rushes bis weit ins gegnerische Drittel hinein, wobei er jeweils hinter dem eigenen Tor Anlauf holte, und mit einer halben Acht über das Spielfeld preschte und einfach von niemandem aufzuhalten war. Mit Ausnahme von Edgar Grubauer spielten alle Genannten in der NLA nur für die Langnauer. Legendär ist auch der Pferdemetzger Michael Horisberger. Ein begnadeter Spieler aus der Meistermannschaft, der zwischenzeitlich je ein Jahr in Ambri italienisch und in Genf französisch lernte, und in dieser Zeit auch für die dort ansässigen Mannschaften Eishockey spielte.

 

Unter dem Dach der Ilfishalle hängt kein Trikot von einem dieser Spieler. Es ist, als ob in Langnau zu früheren Zeiten kein Eishockey gespielt worden wäre. Dabei prägten diese Namen die erfolgreichste Zeit von Langnaus Eishockey. Und sie alle erfüllen die Anforderungen, die an die Ehre einer zurück gezogenen Nummer gestellt werden sollten, und die wie folgt lauten:

 

  • Der Spieler/Torhüter sollte die meiste Zeit seiner Karriere beim SC Langnau oder den SCL Tigers gespielt haben.

  • Er sollte eine tragende Rolle im Team gespielt haben.

  • Er sollte sich bei den Fans einen besonderen Status (Kult) erspielt haben, oder einen besonderen Respekt genossen haben.

  • Aufgrund der langen NLA-Tradition des SC Langnau und der SCL Tigers sollte der Spieler auch in der höchsten Spielklasse für die Emmentaler eine starke Visitenkarte abgegeben haben.

 

Die SCL Tigers (vormals SC Langnau) wurden zwar erst am 30. Januar 1946 gegründet. Aber sie spielen mittlerweile ihre 40. NLA-Saison. Da waren allein in der NLA mehrere Spielergenerationen tätig. Noch mehr Spielzeiten in der höchsten Liga haben lediglich vier andere Organisationen: Bern, Kloten, Davos und die ZSC Lions. Die SCL Tigers sind also eine der traditionsreichsten Organisationen in der Schweiz. Beim Hochziehen von Spielerleibchen macht sich dies jedoch nicht bemerkbar. Ein junger Fan muss den Eindruck erhalten, dass wohl vor Martin Gerber und Daniel Aegerter kein Spieler dieser Ehre würdig gewesen sei. Doch wie wir weiter oben allein anhand der Mitglieder der Meistermannschaft sehen, ist dieser Eindruck ist völlig falsch. Und es gab noch viel mehr starke Spieler und tolle Persönlichkeiten beim SCL.

 

Derzeit hängen die Leibchen von Martin Gerber und Daniel Aegerter am Dach der Ilfishalle. Bei genauem Hinsehen erfüllen die beiden Geehrten die aufgeführten Kriterien nicht alle. Martin Gerbers Leibchen hängt jedoch trotzdem völlig zurecht am Hallendach. Denn Martin Gerber war in der Aufstiegssaion 1997/98 und in der ersten NLA-Saison nach dem Wiederaufstieg (98/99) der wichtigste Mann im Team der Emmenataler, und ohne ihn gäbe es die SCL Tigers in ihrer heutigen Form wohl nicht. Tinu spielte in der Schweiz und innerhalb der zwei höchsten Spielklassen stets nur für Langnau, und legte danach in Schweden und in Nordamerika eine viel beachtete, tolle Karriere auf höchstem Niveau hin, worauf wohl jeder Fan insgeheim stolz ist. Martin Gerber ist mit seiner Zielstrebigkeit, seiner Hartnäckigkeit, seinem Glauben daran, «es» bis ganz oben schaffen zu können und seinem Erfolg DER Vorzeige-Emmentaler.

 

Und auch die Ehrerbietung an Daniel Aegerter ist vertretbar. Er ist der Spieler mit den meisten absolvierten Spielen für die Langnauer und trug von klein auf bis zum Zeitpunkt, da er in Langnau keinen Vertrag mehr erhielt, stets den Tiger auf der Brust. Er tat dies mit Stolz. Er hielt den Langnauern sowohl in der 1. Liga, als auch in der NLB und der NLA stets die Treue und war ein zuverlässiger Defensivverteidiger. In der Saison 1994/95 wurde er aus der NLB heraus gemeinsam mit einem gewissen Reto von Arx für die Nationalmannschaft aufgeboten, wo er vier Spiele bestritt. Aegerter trug die Nr. 17. Er wählte sie, ohne sich der berühmten Vorgänger bewusst zu sein. Meistertrainer Jean Cusson trug ebenso wie auch sein Nachfolger Normand Beaudin die Nr. 17, genauso wie auch Neil Nicholson, der legendäre Kanadier, der in seiner Langnauer-Zeit zwischen 1979 und 1985 mehrmals zum besten Verteidiger der Liga gewählt wurde.

 

Menschen werden geboren, und Menschen sterben. Menschen unterscheiden sich weder durch die Tatsache ihrer Geburt, noch ihres Todes. Wir unterscheiden uns nur durch das, was dazwischen geschieht. Der Tod kann nur dann als Kriterium für den Rückzug der Nummer gelten, wenn dieser in Ausübung des Berufes als Hockeyspieler der SCL Tigers eintrat. Andernfalls müssen Kriterien wie die oben aufgeführten heran gezogen werden (die nur als Vorschlag gelten sollen). Für die Verarbeitung der Fantrauer wäre jedoch eine Ehrerbietung wie das Zurückziehen der Nummer enorm hilfreich. Würden wir uns jedoch hinreissen lassen, die Nummer von jedem verstorbenen Spieler unter das Hallendach zu ziehen, müssten wir uns in spätestens 20 Jahren an dreistellige Nummern an den Dresses der Spieler gewöhnen. Und aktive Spieler müssten ihre Nummer bei einem Todesfall eines früheren Cracks wechseln.

 

Wale Gerber starb mit erst 43 Jahren viel zu jung. Er war einer von uns, und wir alle hätten ihm noch viele Jahre gegönnt.