Deshalb muss Ruedi Zesiger gehen

Die Meldung schreckte gestern alle auf. Die SCL Tigers trennen sich von Ruedi Zesiger. Die Entlassung bringt die Gefühle der Fans in Aufruhr. Doch Szenenkenner sind nicht überrascht. Denn Zahlen lügen nicht.

Blog • • von Bruno

Fans interessieren sich für das, was auf dem Spielfeld geschieht. Ihre Stars sind die Spieler, und falls sie erfolgreich sind, auch die Coachs. Erst wenn ein Sportunternehmen derart in Schieflage gerät, dass es der Rettung bedarf, rücken auch andere Personen ins erweiterte Blickfeld der Fans. Peter Jakob ist so eine Figur. Ruedi Zesiger auch.

 

Ruedi Zesigers Verdienste um die SCL Tigers sind und bleiben völlig unbestritten. Er wird sich in Langnau zu jedem Zeitpunkt blicken lassen dürfen und wird immer gerne gesehen bleiben. Er war bereits Geschäftsführer der SCL Tigers, als die Langnauer im Jahr 1998 völlig überraschend in die NLA zurück kehrten. Er holte Todd Elik nach Langnau. Zesiger liess sich im Sommer 2009 erneut vor den Tigers-Karren spannen. Er leistete seinen Teil zur Rettung der SCL Tigers. Er hatte als Sportchef gemeinsam mit Coach John Fust vorerst eine glückliche Hand bei der Rekrutierung von neuen Spielern. Fust schaffte mit den SCL Tigers in der Saison 2010/11 die erstmalige Qualifikation für die Playoffs. Doch das Rekrutierungsglück verliess die beiden danach, und seither schwächeln die Tiger im sportlichen Bereich. Zesiger spielte jedoch eine wesentliche Rolle bei der Sanierung der Ilfishalle. Als Schnittstelle zwischen der Bauherrschaft und den SCL Tigers hatte er alle Hände voll zu tun. Der in Schangnau lebende Zesiger ging in dieser Rolle auch voll auf. «Rüedu» war zum richtigen Zeitpunkt der richtige Mann am richtigen Ort. Aber die Zeiten haben geändert. Die Aufgaben auch. Zesigers Zeit als Geschäftsführer der SCL Tigers endet am 31. Mai 2013.

 

Bei den Fans wurde Ruedi Zesiger vor allem durch seine Art, mit ihnen zu sprechen, sehr beliebt. Zesiger ist ein hervorragender Rhetoriker. Deshalb war er auch als Politiker erfolgreich. Als Politiker weiss er, wie er die Menschen ansprechen muss, damit sie ihn mögen. Zudem passt seine Art hervorragend nach Langnau.

 

Aber eben: In finanzieller Verantwortung stehen andere. Peter Jakob und seine VR-Crew müssen dafür gerade stehen, wenn die Finanzen nicht stimmen. Sie waren es auch, welche die Rettung der SCL Tigers orchestrierten und finanzierten. Sie bezahlten letztendlich auch Zesigers Lohn. Und sie sahen, dass die Sanierung der Ilfishalle nicht das bewirkte, was sie sich dadurch erhofften. Spätestens nach dem kurzen Flirt mit dem ehemaligen Tigers-CEO Heinz Schlatter öffnete Insidern die Augen. Irgendetwas stimmte nicht mehr. Auch wenn die Aktion mit Schlatter mit (unerwünschten) Pauken und Trompeten beerdigt wurde, war Szenekennern sofort klar: Wo so eine Aktion gestartet wird, ist Feuer im Dach. Die wichtigen Einnahmen im Sponsoring stimmen nicht. Ruedi Zesiger gelang es nicht, neue Sponsoren nach Langnau zu holen.

 

Ruedi Zesiger ist von Haus auf Lehrer und Politiker. Er hat auch ausgeprägte Führungsfähigkeiten. Er ist einer, den man dann braucht, wenn es gilt, die Ruhe zu bewahren, durchzuhalten, zusammen zu stehen. Er ist einer, der den Fans erklären kann, weshalb dies oder jenes nicht geht. Der ihnen erklären kann, weshalb sie bescheiden sein müssen.

 

Bescheidenheit ist unsexy

Die SCL Tigers müssen den Anspruch und das Ziel haben, eine Eishockey-Organisation zu werden, die in der erweiterten Spitze des nationalen Eishockeys mithalten kann. Und sie müssen einen Plan haben, wie und in welchem Zeitraum sie dies realisieren wollen. Selbstverständlich müssen sie sich dafür mehrere Jahre Zeit geben, und es kann gut sein, dass wir uns in den ersten Jahren noch mit Playouts zufrieden geben müssen.

 

Aber die erweiterte Spitze, und nichts anderes muss der mittel- und langfristige Anspruch sein. Und mit dieser Vorstellung müssen die Verantwortlichen an den Markt. Es gilt hinzuhören, was Sponsoren wollen, und es muss daran gearbeitet werden, dass die SCL Tigers dies möglich machen können. Und sie müssen dies so kommunizieren.

 

Weg mit Phrasen: «Wir können nicht...» oder «Im Emmental ist nicht möglich...». Wir Emmentaler sind auch wer! Deshalb sagen wir:

 

Wir sind nicht nur im Mittelpunkt der Schweiz. Wir sind DER Mittelpunkt! Wenn bei uns etwas möglich gemacht werden muss, dann machen wir das möglich, liebe Sponsoren. Sie erreichen mit uns, was Sie sich wünschen. Ein positives Image. Den Wandel. Gute Gefühle. Gute Events mit Ihren Kunden. Massenweise Kunden. Nicht nur im Emmental, sondern überall in der Schweiz. Ihr Engagement bei den SCL Tigers fliesst direkt oder indirekt mehrfach wieder zurück in Ihre Kassen. Denn wir Emmentaler haben überall ein gutes Image. Profitieren Sie von uns. Wir sind mit Ihnen. Mit uns wird bei Ihnen alles so laufen, wie sie es sich erträumen. Wir sind für Sie da!

 

Bescheidenheit ist nur dann sexy, wenn offensichtlich ist, dass der «Bescheidene» viel mehr ist, als er vorgibt zu sein. Aber sonst ist Bescheidenheit unsexy. Vor allem, wenn es um die Anspruchshaltung geht. Was will ein Sponsor mit anspruchslosen Menschen in einer anspruchslosen Gegend? Wir sind sexy! Und da, wo wir es noch nicht sind, machen wir uns sexy! Schauen Sie, liebe Sponsoren, unsere Ilfishalle an. Da ist eine Seele drin. Darin wurden wir schon Schweizermeister. Und wir werden es wieder. Irgendwann. Der Zeitpunkt spielt keine Rolle. Es reicht zu wissen, dass es so ist. Wer hat schon eine Seele, und wer hat schon so viel Heimat in seiner Eishalle? Etwa die Zürcher mit ihrem Hallenstadion? Oder die Zuger mit der Bossard Arena? Oder Kloten? Nein, meine Damen und Herren. Das finden Sie in Langnau. Und da spüren sie es auch. Weil es körperlich zu spüren ist. Das Besondere. Die Seele! Das, was ihnen nur das Emmental, und das Eishockey in Langnau bieten kann.

 

Zurück zu dem, was vorerst noch Realität ist: Wer bei den SCL Tigers regelmässig auf die Sponsorenliste schielt, der weiss, dass da jemand wieder tief in die Tasche greifen muss, damit nach dieser Saison eine zumindest einigermassen ausgeglichene Rechnung präsentiert werden kann. Das bedeutet, dass der Schwung nicht genutzt werden konnte, der dank der hervorragend gelungenen Sanierung der Ilfishalle vorhanden gewesen wäre. Es gelang offensichtlich nicht, den Sponsoren den neuen Geist in Langnau so glaubhaft zu machen, dass daraus ein Haufen Geld zu generieren ist.

 

Da braucht es einen Verkäufer, der den Sponsoren glaubhaft versichern kann, was alles möglich ist in Langnau. Was er, als Manager der SCL Tigers alles möglich machen kann. Und das ist eine ganz andere Art, etwas zu erklären, als wenn es darum geht, den Fans klar zu machen, weshalb etwas nicht geht. Den Beweis, diesen Switch zu schaffen, ist Zesiger schuldig geblieben. Vielleicht fehlte ihm auch ein wenig die Zeit dazu. Aber er war wirklich spät dran. Sehr, sehr spät. Er hätte bereits die Bauphase viel besser zur Akquisition von Sponsoren nutzen müssen.

 

Dass ihm dies nicht gelang, kostete ihn nun den Job. Ruedi Zesiger ist ein guter Mann. Er war der Richtige für uns. Aber jetzt sind offensichtlich Fähigkeiten gefordert, die nicht mehr so sehr seine Stärken sind. Dies müssen wir akzeptieren.

 

Die Tiger-Retter haben von Beginn weg klar gemacht, dass sie nicht grenzenlos zahlen, zahlen und nochmals zahlen wollen. Und das ist auch gut so. Denn so ist garantiert, dass die SCL Tigers zu dem werden, was sie sein müssen. Zu einem sich selbst tragenden, erfolgreichen Eishockey-Unternehmen der NLA. Das ist sexy!

 

PS: Hätte es etwas gebracht, Ruedi Zesiger mit anderen Aufgaben zu betrauen? Falls es diese Aufgaben (externer Berater?) geben sollte, ist noch längst Zeit dafür, Ruedi damit zu betrauen. Aber es ist eine Illusion zu glauben. Ruedi Zesiger als gewöhnlicher Mitarbeiter in ein Unternehmen einzugliedern, welches er zuvor als Geschäftsführer führte. Und es ist eine Illusion zu glauben, eine profilierte Marketing- und Verkaufspersönlichkeit lasse sich erfolgreich «unter» einem Mann eingliedern, der zuvor an den Marketings- und Verkaufsaufgaben scheiterte. Das käme nicht gut.