Zentralschweiz am Sonntag, Klaus Zaugg

Die Provokation, die Davos Millionen kostet

Die Klubs beim Spengler Cup mit. Der HC Davos muss 880 000 Franken ins Unterland überweisen. Zehn Jahre lang. Es ist die Quittung für einen HCD-Transfer.

Presse •

 Die Klubs für die Spengler Cup-Meisterschaftspause in der Altjahrswoche entschädigen? Das schien fast hundert Jahre lang undenkbar. Schliesslich ist der Spengler Cup die bestmögliche Hockey-Werbeveranstaltung. Davon profitieren alle. Polemik gegen den Meisterschaftsunterbruch hat es zwar immer wieder gegeben. Die Hunde im Unterland bellten oft und laut. Doch die Spengler Cup-Karawane zog weiter. Von Jahr zu Jahr. Und füllte dem HCD die Kasse. Die Vermarktungsfirma IMG bezahlt dem HCD für die Werberechte noch bis und mit 2014 rund 2,3 Millionen Franken im Jahr. Zusätzlich darf der HCD alle Matcheinnahmen behalten. Ab 2015 werden die Davoser die Vermarktung des Turniers selber organisieren und hoffen, den Spengler Cup-Gewinn auf über 3 Millionen steigern zu können. Aber eben: 2013 müssen sie schon zum zweiten Mal 880 000 Franken an die Klubs im Unterland weitergeben. Das ist Geld, das in Arno Del Curtos Transfer-Kriegskasse fehlt.

 

Dass der HCD die anderen Klubs am Spengler Cup-Geldsegen beteiligen muss, liegt an einem Transfer.

 

Viele historische Ereignisse werden durch eine einzelne, eigentlich unbedeutende Episode ausgelöst. Der Historiker wird etwa das Attentat von Sarajewo nennen, das den 1. Weltkrieg ausgelöst hat. Oder den Fenstersturz zu Prag, der 1618 den Dreissigjährigen Krieg provozieren sollte. In der Spengler Cup-Geschichte gibt es eine Episode, die eine ganze Lawine losgetreten hat und den HCD in zehn Jahren mehr 8 Millionen Franken kostet. Sie beginnt, wie zuverlässige Gewährsleute berichten, an einem Sonntag vor fünf Jahren. Am 7. Dezember 2008. ZSC-Manager Peter Zahner bekommt gegen Abend eine SMS-Botschaft von seinem Nationalverteidiger Beat Forster. Forster will seinen Chef am Montag im Büro sprechen.

 

Am Montag eröffnet Forster dem verblüfften ZSC-General, er werde sofort zum HCD wechseln. Trotz weiterlaufendem Vertrag. Zahner sagt Forster, ob er denn wisse, dass in diesem Falle eine Transfer-Strafsumme von über einer halben Million fällig werde. Und dann, so wird berichtet, habe Forster den Satz gesagt, der dem HCD über 8 Millionen kosten wird. Der Nationalverteidiger sagt leichthin: „Kein Problem. Das ist schon geregelt..“ Darauf angesprochen, erinnert sich Peter Zahner noch sehr genau an diese Episode. „In diesem Augenblick ist mir klar geworden, dass in Davos sehr, sehr viel Geld vorhanden ist.“ Zum sportlichen Neid – der HCD hat die Meisterschaften von 2002, 2005 und 20007 gewonnen – kommt nun die Erkenntnis, dass in Davos oben offensichtlich mit dem Spengler Cup sehr viel Geld verdient wird. Und der Spengler Cup ist nur möglich, weil im Unterland alle, auch die ZSC Lions, freiwillig den Spielbetrieb einstellen. Als Dank dafür wirbt der HCD nun im Unterland Spieler aus laufenden Verträgen ab.

 

Beat Forster wechselt dann tatsächlich sofort zum HC Davos und die Straf-Transfersumme beträgt letztlich über eine Million. Hätte Forster auf diese Weise den SC Bern oder Zug oder Kloten verlassen, wäre wahrscheinlich nichts mehr passiert. Aber ZSC-Manager Peter Zahner war vor seiner Tätigkeit bei den ZSC Lions langjähriger Verbandsdirektor. Er kennt den politischen Fuchsbau der Liga und des Verband wie seine eigene Hosentasche. Zudem ist ZSC-Präsident Walter Frey ob Forsters Treuebruch aufgebracht. An diesem 8. Dezember 2008 beschliesst Peter Zahner, sich zu rächen. Er macht sich an die Arbeit. Nach und nach überzeugt er alle wichtigen Klubgeneräle davon, dass beim HCD Geld zu holen ist. Dass der HCD für die Meisterschaftspause in der Altjahrswoche bezahlen soll. Die Davoser unterschätzen Zahners Beharrlichkeit. Es gelingt dem ZSC-General auch, den HCD politisch zu isolieren. Die Davoser bekommen vom Verband keinerlei Rückendeckung. Vier Jahre später ist es soweit. Im Frühjahr 2012 muss der HCD das Handtuch werfen und den „Knebelvertrag“ unterschreiben: Jedes Jahr müssen bis 2022 insgesamt 880 000 Franken ins Unterland überwiesen werden für die Klubs und als Entschädigung für die Freistellung von Spielern, die am Turnier teilnehmen. Auch die Aufstockung des Turniers, die einem zweiten NLA-Team die Teilnahme ermöglicht, kann die Klubgeneräle nicht mehr umstimmen. HCD-Präsident Gaudenz Domenig sagt im Rückblick, warum es gar keine andere Möglichkeit gab als zu kapitulieren: „Wir hätten pokern und die Forderungen der Liga ignorieren können. Dann hätte es keine Meisterschaftspause mehr gegeben und das hätten wir verkraften können. Aber wir durften die TV-Übertragungen nicht riskieren. Deshalb haben wir eingelenkt.“

 

Den Feldzug gegen den HCD konnte nur Peter Zahner mit der Unterstützung seines zornigen Präsidenten Walter Frey führen. Selbst SCB-General Marc Lüthi wäre es nicht gelungen, die Liga gegen den HCD in Stellung zu bringen. Deshalb darf deshalb behauptet werden: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde der HCD heute noch keinen Rappen ins Unterland überweisen, wenn Beat Forster mit seinem Transfer zur Unzeit und seiner frechen Bemerkung Peter Zahner nicht provoziert hätte.