Watson, Klaus Zaugg

Die SCL Tigers, der rätselhafte Aufstiegskandidat

Die SCL Tigers stehen als erster NLB-Finalist fest. Kommt es zu einer Liga-Qualifikation zwischen den SCL Tigers und den Lakers, dann steigen die Lakers ab.

Presse •

 

Es gibt ein paar grosse Rätsel der Menschheit:

  • Wer baute Stonehenge?
  • Wer zeichnete die Nazca-Linien in der peruanischen Wüste?
  • Wo endete der Flug MH370?
  • Was explodierte 1908 im sibirischen Tunguska? 
  • Gibt es Leben auf dem Mars? 
  • War der Ball im Wembley-Final 1966 hinter der Linie?    
       

Auf all diese Fragen werden wir wohl nie eine Antwort erhalten. Nun kommt noch so ein Rätsel dazu: Sind die SCL Tigers gut genug für den Aufstieg in die National League A? Im Gegensatz zu den vorangegangenen Fragen werden wir darauf eine Antwort erhalten. Aber jetzt gibt es noch keine definitive Antwort. Die SCL Tigers sind nämlich ein schwer einzustufender, ja rätselhafter Aufstiegskandidat.

56 Spiele, 43 Siege – der Fall ist klar. Eigentlich.

Die SCL Tigers haben die Qualifikation gewonnen und sind nun durch mit acht Siegen in acht Spielen durch die Viertel- und Halbfinals durchmarschiert. Sie werden am Dienstag in einer Woche zu Hause das NLB-Finale gegen Olten oder Martigny eröffnen. Sie haben 43 von 56 Partien in dieser Saison gewonnen. Wahrlich, ein Titan der NLB.

Aber sind die SCL Tigers auch ein Aufstiegskandidat? Niemand sagt auf diese Frage: «Ja, natürlich.» Höchstens: «Ja, aber.» Was ist los? Warum gilt die Mannschaft nicht als Aufstiegs-Favorit, die in der NLB alles in Grund und Boden spielt? Die soeben im Halbfinale den Lokalrivalen Langenthal nach allen Regeln der Kunst in allen Situationen dominiert, ganz egal, ob geprügelt wurde wie zu Gotthelfs Zeiten oder bloss auf leisen Sohlen gespielt, als sei es Unihockey?    

   

Dominanz mit vier Linien

Es liegt an der ganz speziellen und so noch nie gesehenen Spielweise eines NLB-Spitzenteams. Die Langnauer sind Sowjets ohne Tretjak. Will heissen: Sie dominieren spielerisch mit vier Linien ihre Gegner so wie zuletzt die sowjetische Nationalmannschaft in den 1970er und 1980er Jahren. Die einzige Differenz: Sie haben keinen Torhüter wie Wladislaw Tretjak.
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Die totale aber nicht eben fassbare und nicht einzuordnende Überlegenheit hat sich soeben am frühen Sonntagabend im vierten Halbfinalspiel auswärts in Langenthal erneut gezeigt. Die SCL Tigers gewannen zwar nur 5:4, mussten zwischenzeitlich das 4:4 hinnehmen und verloren erstmals überhaupt in diesem Halbfinal ein Drittel. 

Aber was es so bei einem NLB-Team wahrscheinlich noch nie gegeben hat: Die Langnauer dominieren das Spiel mit vier Linien und gerieten nie in Gefahr, dieses vierte Halbfinalspiel zu verlieren. In der Regel sind NLB-Mannschaften kopflastig. Will heissen: Nur die erste Linie mit den beiden Ausländern kann ein Spiel reissen. Wer diesen ersten Sturm neutralisiert, hat gewonnen. Diese Berechenbarkeit gibt es bei Langnau nicht.

Jeder skort, nicht nur die Ausländer

Anton Gustafsson, der in 7 Playoffpartien 12 Treffer erzielt hat, spielte gestern in Langenthal wegen einer Grippe nicht. Niemand merkte es. Zehn Langnauer haben in den acht Playoffpartien mehr als fünf Skorerpunkte gebucht. Bei Olten, dem mutmasslichen Finalgegner, sind es zwei. Fünf Langnauer haben zehn und mehr Punkte produziert. Bei Olten ist es gerade mal einer.

Diese Dominanz macht die SCL Tigers, wenn sie denn den Final gewinnen und in die Liga-Qualifikation einziehen, für den Playout-Verlierer aus der NLA zu einem gefährlichen Gegner. Der NLA-Vertreter darf ja nur noch zwei Ausländer einsetzen.    

   

Kloten zu stark für Langnau – Ambri hätte Mühe

Für die Playouts (und damit letztlich für die Liga-Qualifikation) kommen noch drei Teams in Frage: Die Kloten Flyers, Ambri und die Lakers. Die Kloten Flyers hätten in der Liga-Qualifikation kein Problem. Sie werden nämlich besser, wenn sie nur noch zwei Ausländer einsetzen dürfen. Denn ihre Ausländer sind so miserabel, dass die Mannschaft besser wird, wenn zwei Ausländer durch zwei durchschnittliche Schweizer ersetzt werden. Die Kloten Flyers sind die einzigen Liga-Qualifikations-Kandidaten, die über vier Linien besser besetzt sind als die Langnauer. Sie würden nicht in Abstiegsgefahr geraten.

Ambri hätte hingegen erhebliche Schwierigkeiten. Die beiden Liga-Qualifikations-Abenteuer aus der jüngsten Vergangenheit (2011 gegen Visp und 2012 gegen Langenthal) waren im Vergleich zu dem, was gegen Langnau zu erwarten wäre, bloss Kindergeburtstags-Feiern. Ambri hätte zwar dank Adam Hall und Alexandre Giroux sowie Inti Pestoni und Daniel Steiner eine klar bessere erste und zweite Linie – aber die Langnauer haben den besseren dritten und vierten Block.    

   

Schillerfalter DiDomenico, der kleine Ilfis-Gretzky

Die Lakers müssten wir im Falle einer Liga-Qualifikation gegen Langnau sogar als Aussenseiter einstufen. Auch das Nachrüsten während der Saison hat nichts daran geändert: Die Lakers sind ein NLB-Team, verstärkt durch erstklassige Ausländer. Mit nur noch zwei Ausländern hätten die Lakers Gleichstand im ersten Sturm und wären mit dem zweiten, dritten und vierten Block klar unterlegen. Gerade wegen ihrer Ausgeglichenheit haben die SCL Tigers auch das bessere Powerplay als die Lakers.

Natürlich können Ambri und die Lakers (anders als Kloten) zwei gute bis exzellente NLA-Ausländer in der Liga-Qualifikation einsetzen. Aber mit dem charismatischen kanadischen Stürmer Chris DiDomenico und dem französischen Nationalverteidiger Kevin Hecquefeuille haben die SCL Tigers eben auch zwei Ausländer mit NLA-Niveau. Trainer Bengt-Ake Gustafsson hat es sogar geschafft, den egoistischen Schillerfalter Chris DiDomenico in einen teuflisch gefährlichen Teamspieler zu verwandeln. In diesen Playoffs hat er in 8 Spielen 4 Tore und 15 Assists produziert. Die Art und Weise, wie er für seine Mitspieler Möglichkeiten eröffnet, mahnt in kurzen, lichten Momenten an Wayne Gretzky.    

   

Wenn wir so Bilanz ziehen, dann können wir die SCL Tigers einschätzen: Sie sind klare Aufstiegskandidaten! Nein, eben nicht! Denn wir wissen nicht, was ihre Goalies Damiano Ciaccio (26) und Jonas Müller (30) taugen. Mit Damiano Ciaccio sind die Langnauer 2013 in die NLB abgestiegen. Jonas Müller war in der NLA noch nie die Nummer 1.

Das ist der grosse Unterschied zur Langnauer Aufstiegsmannschaft von 1998 und dem letzten NLA-Aufsteiger Lausanne im Frühjahr 2013. Die SCL Tigers hatten 1998 mit Martin Gerber in der Aufstiegsrunde gegen La Chaux-de-Fonds und Herisau (eines der drei Teams schaffte den Aufstieg) den mit grossem Abstand besten Torhüter. Ja, Martin Gerber spielte damals auf Weltklasse-Niveau und in dieser Form hätte er diese Saison Kloten in die Playoffs gehext. Und im Frühjahr 2013 war Lausannes Cristobal Huet unendlich viel besser als eben Langnaus Daminao Ciaccio. Auch Ambris Michael Flückiger und Sandro Zurkirchen sowie Tim Wolf (Lakers) sind besser als die beiden Goalies der Langnauer.

Hast du keinen Goalie, hast du keinen Goalie

Es ist, wie es ist. Wir können alle noch so klugen Analysen vergessen, wenn eine Mannschaft keinen guten Torhüter hat. Langnaus ganze Herrlichkeit steht und fällt im Finale und allenfalls in der Liga-Qualifikation mit der Leistung seiner Goalies. Wenn Damiano Ciaccio im Finale so spielt wie im vierten Spiel gegen Langenthal, dann reicht es nicht einmal für die Liga-Qualifikation.

Wir sollten nicht vergessen, dass bereits der EHC Olten, der wahrscheinlichste Finalist, mit Michael Tobler (29) und Thomas Bäumle (30) die klar besseren Torhüter hat. Mit den SCL Tigers kann eine Mannschaft bereits im NLB-Finale scheitern, die ausser den Goalies alles für den Aufstieg in die NLA hat. Ja, die eigentlich in die NLA gehört.    

   

P.S. Wenn die Langnauer die NLB gewinnen, dann wird der Vertrag mit Trainer Bengt-Ake Gustafsson verlängert.