Ein Coupe Dänemark vor dem Spiel

«Nicht die Jahre in deinem Leben zählen, sondern das Leben in deinen Jahren.» So eindrücklich die Weisheit aus dem Leitzirkular, so eindrücklich und emotional war die Gedenkfeier für Wale Gerber, die mit dem Rückzug der Nr. 44 bei den SCL Tigers endete. In der Ilfishalle war es trotz ca. 1'200 Wale Fans ruhiger als in der Kirche Langnau mit 12 Predigtgängern. Dies schlug vor allem Biels Coach Kevin Schläpfer aufs Gemüt.

News • • von Bruno Wüthrich

 

Wale Gerber und Kevin Schläpfer verbindet eine lange Freundschaft. Deshalb war es auch logisch, dass der heutige Coach des Ligakonkurrenten Biel nach Langnau eingeladen wurde, um sich gemeinsam mit den weit über 1'000 Anhängern von Wale zu erinnern. Es falle ihm schwer, sagte der gebürtige Baselbieter tief bewegt, jetzt zu sprechen, denn eigentlich sei er gar nicht vorbereitet. Er habe die Ilfishalle noch nie so ruhig erlebt. Das habe er sich gar nicht vorstellen können. Eigentlich habe er gedacht, er könne hier locker ein paar lustige Anekdoten von Wale erzählen. Aber mit dieser Ruhe habe er nicht gerechnet. Und er wisse nicht, ob er dies durchstehe: «Als ich nach Langnau kam, fragten sich wohl viele, was der denn da wolle mit seiner Basler Schnorre und seinem Porsche. Der passt doch gar nicht zu uns. Aber Wale nahm sich sofort meiner an, und erleichterte mir die Integration,» erinnerte sich der heutige Coach des EHC Biel an seinen verstorbenen Weggefährten. «Nach dem Aufstieg mit dem SC Langnau wechselten wir gemeinsam zum EHC Chur, wo vor allem Wale eine schwere Zeit durchlebte. Er, der den Tiger im Herzen trug, spielte nun in Chur, und nicht mehr in Langnau. Der SCL war ein tägliches Thema.» Es sei ihnen beiden nicht von Beginn weg gut gelaufen im Bündnerland, erzählte Schläpfer den andächtig lauschenden Trauernden. «Zwar haben wir seriös trainiert und auch immer auf die Ernährung geachtet, aber es wollte einfach nicht richtig anhängen.» Sie seien täglich auch privat zusammen gewesen, und da habe einmal Wale am Abend vor einem Spiel beim Essen gesagt: «So, und jetzt nehmen wir noch einen Coupe Dänemark.» Und so geschah es, dass die beiden eine der schlimmsten ernährungstechnischen Sünden begingen, die Spieler vor einem Spiel begehen können. Sie hauten sich die schwer aufliegende Kalorienbombe in den Magen mit der Folge, dass es ihnen am Spiel des nächsten Tages lief, wie zuvor noch nie in Chur. «Von da weg assen wir vor jedem Spiel einen Coupe Dänemark, und auch danach war es bei uns Tradition, dass wir immer, wenn wir uns trafen, gemeinsam einen Coupe Dänemark verspeisten.» Schläpfer beendete sein Referat mit: «Wale, wenn ich dir einmal nachfolge, dann erwarte ich, dass du da oben mit einem Coupe Dänemark auf mich wartest.»

 

Und auch John Fust erinnerte sich: «Ich lernte Wale zuerst als Gegenspieler kennen. Und immer, wenn es im direkten Fight an der Bande gegen Wale ging, da wusste ich: Das wird schwer. Ich war zwar grösser als Wale, aber mit ihm kam einer, der alles gab.» Wale Gerber und John Fust waren beide Mitglieder der Aufstiegsmannschaft von 1998. «Wale war ein grosses Vorbild für uns alle. Er war kein technischer Blender und auch kein Schönspieler. Aber mit seinem Kampfgeist und als Leader war er enorm wichtig für das Team.»

 

SCL Tigers und der EHC Oberlangenegg

An der Gedenkfeier von gestern Abend nahmen beachtliche Delegationen aller Klubs, für die Wale spielte, teil. Denn Wale spielte sich mit seinem Kämpferherzen und seinem 100-prozentigen Einsatz überall in die Herzen der Fans. Aber besonders wichtig waren ihm zwei Klubs: Sein Stammverein EHC Oberlangenegg und der SC Langnau, bzw. die SCL Tigers. Die Bedeutung der SCL Tigers in Wales Herzen bekamen wir im Referat von Kevin Schläpfer zu spüren. Die Bedeutung des EHC Oberlangenegg, neben dessen Kunsteisbahn Wale aufwuchs und starb, brachten uns EHCO-Vereinspräsident Peter Oesch und Wales Bruder Hansruedi näher. Sie berichteten vom Leben und Wirken Wales in Oberlangenegg, weshalb er dort ein Held wurde, und dass er nicht verlieren konnte. Weder im Eishockey, noch beim Jassen, noch sonst bei irgendwas. Wer gegen Wale gewann, hatte in dessen Augen immer «beschissen», oder es ging sonst irgendwie nicht mit rechten Dingen zu. Aufgelockert und illustriert wurde die Feier durch Filmsequenzen, welche in den Archiven diverser Fernsehstationen ausgegraben wurden.

 

Retired Number 44

Thomas Burri, Pfarrer von Schwarzenegg, spendete den Trauernden Trost und erzählte ebenfalls vom Leben Wale Gerbers. Davon, wie er als eines von vier Geschwistern in Oberlangenegg aufwuchs. Dass die Familie, weil Wale gerne redete, davon ausging, dass er einmal Sportreporter werde. Davon, wie er vor ein paar Jahren auf dem Estrich ein Foto seiner Jugendfreundin Monika fand, und wie die beiden sich danach wieder fanden und erneut ein Paar wurden. Und er erzählte, wie Wale von seiner Krankheit erfuhr, wie es danach weiter ging, und wie er damit umging. Als Wale, der Kämpfer und Sieger, die Gewissheit hatte, dass er diesen Kampf nicht gewinnen würde, verzichtete er darauf, sein Leben unnötig zu verlängern. Oder wie Pfarrer Burri es ausdrückte: Er wollte weder in die Verlängerung noch ins Penaltyschiessen. Er wollte, dass dieses Spiel in der normalen Spielzeit endete.

 

Ruedi Zesiger, der sichtlich und hörbar bewegte Geschäftsführer der SCL Tigers – auch er als damaliger Geschäftsführer des SC Langnau ein Weggefährte Wales - eröffnete die Gedenkfeier, und er schloss sie, indem er einen grossen Wunsch der Wale-Fangemeinde erfüllte. Wales Nr. 44 hängt unter dem Dach der Ilfishalle und wird nie mehr vergeben. Das Gleiche gilt in Oberlangenegg. Gemäss Vereinspräsident Peter Oesch wird in Oberlangenegg ein Platz gesucht und gefunden, wo Wale den Blick auf das Geschehen auf der offenen Kunsteisbahn hat, und gegebenenfalls Einfluss nehmen kann.

 

Am Abend des 9. November lag Wale Gerber bei sich zuhause in Oberlangenegg auf dem Sofa, umsorgt wie immer von Monika. Sie schaltete den Fernseher ein, und wählte zufällig den Lokalsender TeleBärn, auf dem gerade ein Bericht über die Neuanstellung von Köbi Kölliker als Sportchef der SCL Tigers gesendet wurde. Kölliker, der an der Wale-Gedenkfeier ebenfalls die Worte an die Trauergemeinde richtete und vom Leben seines ehemaligen Schützlings berichtete, war im Aufstiegsjahr 1998 Coach der Langnauer. Im Bericht von TeleBärn kam in Bildern von damals der jubelnde Wale Gerber kurz ins Bild. Zudem sah er zum letzten Mal in kleinen Teilen die sanierte Ilfishalle, die er gerne selbst einmal besucht hätte.

 

Kaum eine Stunde später verstarb Wale im Beisein von Monika, seiner wieder gefundenen, grossen Liebe.