Berner Zeitung

«Ein Pitbull kann zubeissen»

Bis Freitag ist Wolfgang Schickli bei den Kloten Flyers engagiert. Ab der neuen Saison wird er als Geschäftsführer bei Playout-Gegner Langnau tätig sein. Er bezeichnet sich als Mischung aus Kampfhund und Mutter Teresa.

Presse • • von Philipp Rindlisbacher

Hand aufs Herz: Drückten Sie am Dienstagabend Kloten oder den SCL Tigers die Daumen?

Wolfgang Schickli: Langnau. (überlegt) Ich hoffte wirklich auf einen Tigers-Sieg, damit hätte sich der Klub ein zusätzliches Heimspiel gesichert, was der Kasse gut bekommen würde. In der Serie unterstütze ich Kloten.

Ihr Vertrag in Kloten wäre erst Ende Juli ausgelaufen, Sie einigten sich auf eine Auflösung per Ende dieser Woche – weshalb?
Im Sponsoringbereich laufen die Vertragsverhandlungen für die nächste Saison, in diesem Bereich will ich nicht mehr involviert sein. Würde ein potenzieller Geldgeber absagen und dereinst in Langnau einsteigen, hätte das einen schalen Beigeschmack. Im Büro ist die Situation beklemmend; wenn Sportchef André Rötheli und mein temporärer Nachfolger Lukas Hammer wichtige Telefonate führen, müssen sie den Raum verlassen, damit ich nichts vernehme. Ich sitze dann da und fühle mich so, als hätte ich eine ansteckende Krankheit.

 

Warum reichten Sie nach nur einem halben Jahr im Januar die Kündigung ein?
Als ich letzten Sommer meine Arbeit aufnahm, hatte Kloten 10 Millionen Franken Schulden und war in der Leichenhalle. Wir brachten es fertig, dass der angeblich Tote wieder Luft bekam. Dann führten wir eine Operation am offenen Herzen durch und konnten den Patienten auf die allgemeine Station verlegen. In diesem Prozess gab es kaum Zeit, zu hinterfragen, ob richtig gehandelt wird. Meine Vision war, in Kloten langfristig zu arbeiten, mit Herz und Bescheidenheit. Nach und nach sind Dinge passiert, die der Vision nicht entsprochen haben.

 

Was für Dinge?
Wir gaben Geld für Sachen aus, für die man als an und für sich arme Organisation kein Geld ausgeben sollte. Es kann Fluch und Segen zugleich sein, wenn man einen reichen Präsidenten hat.

 

Sie sprechen Klubbesitzer Philippe Gaydoul an.
Einerseits können wir unsere Rechnungen zahlen, anderseits wird dem einzelnen Franken nicht mehr genug Wertschätzung entgegengebracht. Deshalb sah meine Forderung lächerlich aus, dass jeder Mitarbeiter sein Büro selbst putzen muss, damit wir 6000 Franken Reinigungskosten einsparen können. Ich hatte damit ein Zeichen setzen wollen.

 

In welchem Verhältnis stehen Sie zu Herrn Gaydoul? Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir die Chance gegeben hat, in den Sport einzusteigen. Wir hatten zuletzt ein intensives Gespräch, sagten einander, was wir gut und schlecht finden. Wenn Herr Gaydoul um 3 Uhr morgens in einen Graben fährt, kann er mich anrufen. Ich werde ihn abholen. Natürlich haben wir aber unterschiedliche Ansichten.

 

Kamen Sie Ihrer Entlassung zuvor?
Wenn man das Firmenimperium von Herrn Gaydoul betrachtet und realisiert, was abläuft, könnte man das meinen. Ich denke, dass ich sofort freigestellt worden wäre, hätte man mich nicht mehr gewollt. Ich bin wohl der günstigste CEO aller NLA-Klubs und habe stets mit Begeisterung gearbeitet. In den ersten Monaten waren es sieben Tage pro Woche à 14 Stunden. Es gibt aber Werte wie Loyalität, Respekt und Wertschätzung. Wenn man diese mit Füssen tritt, wird es sehr unangenehm.

 

War es ungeschickt, Coach Felix Hollenstein vor der Saison zu entlassen und im Verlauf der Qualifikation mit André Rötheli einen unerfahrenen Sportchef anzustellen?
Ich hatte empfohlen, mit Hollenstein weiterzuarbeiten. Beim Sportchef haben wir uns drängen lassen, von der Aussenwelt, von den Spielern. Die Spieler wollten einen Ansprechpartner, quasi eine Art Klagemauer. Es gab auch andere Kandidaten, doch wir erhielten einige Absagen.

 

In Langnau werden in Sie grosse Erwartungen gesetzt. Sie sollen die Halle auslasten, den Verein übers Emmental hinaus vermarkten.
Die SCL Tigers werden nicht die kleinere Herausforderung darstellen als die Kloten Flyers. Ich habe grossen Respekt vor der Aufgabe, traue mir aber auch vieles zu. Am Montag werde ich mich erstmals in Langnau umsehen.

 

Passt ein forscher Zürcher ins beschauliche Emmental?
Das Emmental ist das Gallien der Schweiz; nun kommt der böse Zürcher, also der Römer. Das ist ein Klischee, welches ich nicht erfülle. Ich habe keine Berührungsängste, es spielt mir keine Rolle, ob ich mit Milliardären, Metzgern oder Bauern zu tun habe. Ich erwarte keine offenen Arme, muss erst einmal «liefere statt lafere». Aber wissen Sie: Ich eroberte vor sechs Jahren bereits eine Bernerin, die sich nie hatte vorstellen können, einen Zürcher an ihrer Seite zu haben.

 

Die SCL Tigers arbeiteten in den letzten Jahren stets defizitär...
...deshalb werde ich mir einige Dinge genau anschauen. In Kloten konnte ich im Sicherheitsbereich 100'000 Franken einsparen, bei den Versicherungen waren es 60'000. Manchmal hilft ein anderer Blickwinkel.

 

Ihr Spitzname lautet Pitbull. Was hat es damit auf sich?
Ein Pitbull ist ein Familienhund, er ist treu und loyal. Ein Pitbull kann aber auch zubeissen und unpopuläre Entscheide fällen. Ich wurde aber auch schon als Mutter Teresa bezeichnet.

 

Inwiefern?
Als ich in Deutschland arbeitete, musste ich zwischen einem Geschäftsführer und seinen Mitarbeitern vermitteln. Ich bin wohl eine Mischung aus beidem. Wissen Sie: Mutter Teresa versucht immer, zu verhindern, dass der Pitbull beissen muss.

 

Bei der Distriforce AG mussten Sie einst 500 Angestellte entlassen.
Es war schlimmer, die 500 Mitarbeiter zu entlassen, als Felix Hollenstein zu kündigen. Diese Schicksale beschäftigten mich. Jede Entlassung ist auch eine Niederlage für den Vorgesetzten.

 

Wie beurteilen Sie die Lohnentwicklung im NLA-Hockey?
Früher oder später ist sie der Tod für die Zwölferliga. Was abgeht, ist ungesund. Die Exponenten, die den Exzess unterbinden können, müssten sich zusammensetzen und Regeln definieren. Ich denke an den SCB, die ZSC Lions, Kloten, Lugano. Schon nur bei den Spieleragenten könnte jeder Verein pro Jahr Hunderttausende von Franken sparen.

 

Sie sind noch immer ein neues Gesicht in der Eishockeyszene, dennoch gelten Sie bereits als polarisierende Figur. Wie erklären Sie sich das?
Journalisten haben Dinge geschrieben, ohne auch nur einmal mit mir gesprochen zu haben. Es mag Leute geben, die mich als arrogant bezeichnen. Jene Leute, die mich kennen, sagen: Auf den kann ich mich verlassen.

 

Bei den SCL Tigers überlegt man sich, eine Sportkommission zu gründen. Wie viel verstehen Sie von Eishockey?
Nichts.

 

Das ist nicht Ihr Ernst.
Ich bin neugierig, will möglichst alles über Eishockey wissen und habe mich seit letztem Sommer mit vielen Leuten aus der Szene unterhalten. Ich kann aber immer noch nicht Schlittschuh laufen.

 

SCB-CEO Marc Lüthi und SCB-Sportchef Sven Leuenberger zählen zu Ihrem Freundeskreis. Holen Sie sich bei Ihnen Rat?
Marc schenkte mir den Namen Pitbull (lacht). Ich habe ihn vor einigen Jahren kennen gelernt, wusste gar nicht, wer er ist. Mit ihm und Sven diskutiere ich oft, habe mir schon Tipps geholt. Auch wenn uns derselbe Spieler angeboten wird, tauschen wir uns aus. Die Freundschaften reduzieren sich aber nicht aufs Eishockey.

 

Gibt es Ideen, künftig mit dem SCB zusammenzuarbeiten?
Nein, das wäre nicht klug. Bären und Tiger vertragen sich nicht.

 

Ab Samstag können Sie die Playout-Serie zwischen Langnau und Kloten als Privatperson verfolgen. Wem werden Sie dann die Daumen drücken?
Ich brauche jetzt zwei Wochen Abstand. Ich kann nicht einfach die Flügel abnehmen und das Tiger-Kostüm anziehen.