Chris DiDomenico zurück nach Langnau:

Ein Plädoyer

Die SCL Tigers stecken in der Krise. Chris DiDomenico könnte helfen. Ein Plädoyer für Pragmatismus und Opportunismus.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Kein Zweifel: Einer wie Chris DiDomenico ist, vor allem, wenn er in Form ist, für jeden Klub in der Schweiz eine Verstärkung. Mit seinem Siegeswillen und seinem Charisma bringt er genau das mit, was den SCL Tigers Ausgabe 2017/18 fehlt. Die Langnauer hätten gut und gerne die ersten fünf Spiele dieser Saison gewinnen können. Das Team ohne jede Ausstrahlung fand jedoch in allen Spielen den Weg in die Niederlage. Dabei fehlte es zwar an allen Ecken und Enden, aber eben doch immer nur einen Tick. Oder «es Bitzeli», wie es Eishockey-Gotthelf Klaus Zaugg formulierte. Anders ausgedrückt: Mit ein wenig mehr Charisma, Kampfgeist und Siegeswillen hätten aus diesen fünf Spielen durchaus zwei oder gar drei Siege erwachsen können. Damit ist bereits erklärt, weshalb ein einzelner Spieler, wenn er tickt und strahlt wie DiDo, ein ganzes Team verändern kann.

Sollen wir deshalb seinen unrühmlichen Abgang vergessen? Sollen wir vergessen, dass Chris DiDomenico die SCL Tigers gerade dann, als es wichtig wurde, in Richtung NHL verliess. Gewiss, das war kein Ruhmesblatt. Es wird Leute geben, die bei einem erneuten Engagement von DiDomenico in Langnau fragen werden, ob denn Sportchef Jörg Reber, Sport-Verwaltungsrat Käru Brügger und Coach Heinz Ehlers nichts gelernt haben. Die Antwort wird sein, dass sie trotzdem und sehr wohl etwas gelernt haben können. Aber dass die Erkenntnis aus dem Erlernten nicht zwangsläufig sein muss, den Kanadier nicht mehr zu verpflichten. Sondern vielleicht einfach die, dass der Vertrag die eine oder andere Klausel (nicht mehr) enthalten wird.

Er könnte den SCL Tigers in der aktuell beschissenen Situation helfen: Chris DiDomenico (Bild: Bruno Wüthrich)

 

Etwas erleichtert wird das «Kreide fressen» durch das Wissen, dass Chris DiDomenico nicht in erster Linie des Geldes des Geldes wegen seinen Abgang «ertäubelet» hat wie ein kleines Kind vor dem Süssigkeitenständer an der Coop-Kasse, sondern weil heutzutage die NHL der Traum von fast jedem ambitionierten Eishockeyspieler ist. Seine Chance war zwar – wie wir jetzt wissen – sehr klein. Aber sie war plötzlich – wohl ganz unverhofft – halt doch da. Und DiDo, den die SCL Tigers nach dessen schweren Verletzung aus der Versenkung im tiefen Brunnen des italienischen Eishockey wieder hochgezogen haben, wollte diese Chance nutzen.

Zugegeben: Auch ich gehörte zu denen, die eine Rückkehr von Chris DiDomenico explizit ausschlossen. Einer, der eine Mannschaft in einer derart wichtigen Phase verlässt, sollte nie mehr zurück kehren dürfen, war meine Überzeugung. Ich habe immer noch Mühe mit seinem Abgang.

Ich gehöre einer Generation an, die einst mehrheitlich überzeugt war, dass Eishockey eine Mannschaftssportart sei. Eine Sportart, in der es mehr um die Mannschaft, und weniger um die Einzelspieler geht. Selbstverständlich waren die besten Spieler eines Teams immer die Stars der Fans. Es scheint aber, dass die Spieler im Gegensatz zu den Fans ihr Herz nur noch temporär an einen Klub «vermieten», statt es zu schenken. Ein Spieler scheint heute zu funktionieren wie eine «Diva», die nur des Geldes wegen bei einem Mann ist. Kommt ein Reicherer, ist sie sofort weg, sofern sie denn von dem neuen Prinzen auch genommen wird. Mit Verlaub: Solche Einstellungen machen unsere Welt nicht besser. Obwohl es ja einer gewissen Pragmatik entspricht, dass ein Spieler nach Langnau kommt, um Spielpraxis zu erhalten oder um seine Karriere neu zu lancieren oder ebendiese ausklingen zu lassen. Heute geht es nicht mehr darum, Ehre für den Verein einzulegen. Diese ist ganz und gar unwichtig geworden, ausser man spielt für Bern, Zürich, Davos, Zug oder Lugano. Diese Klubs haben die Macht, Ehre in Form von Titeln zu fordern. Bei Klubs wie den SCL Tigers geht es um den Ligaerhalt, allenfalls mal um die Qualifikation für die Playoffs. Aber in erster Linie geht es um die Befindlichkeit der Spieler. Diese kommen an erster Stelle. So scheint es. Deshalb haben wir Verständnis, wenn es ausgerechnet die Besten weiter zieht, weil sie mal Meister werden oder um den Titel mitspielen möchten, oder wenn ein anderer Klub eine finanziell bessere Offerte machen kann. Die Karriere ist ja dann bereits neu lanciert. Ein Klub wie die SCL Tigers wird dann nicht mehr gebraucht.

Doch es ist, wie es ist. Die Welt hat sich in diese Richtung verändert. Um es in Allgemeinplätzen zu sagen: Entweder man schwimmt mit dem Strom, oder man riskiert, unter zu gehen. Mit romantisch verklärtem Zurückblicken gewinnt man keinen Blumentopf. Mit Zurückblicken im Zorn jedoch auch nicht! Und wie wir am Beispiel von Thomas Nüssli sehen, kann sich durchaus eine WinWin – Situation entwickeln, wenn ein Spieler nach Langnau kommt, der zuvor eine schwere Zeit hatte oder bei dem nicht alles so lief, wie es hätte laufen sollen. Wer hätte vor ein paar Jahren geglaubt, dass Nüssli in seiner Karriere nochmal so aufspielt, wie er dies letzte Saison getan hat. Auch in diesem Jahr ist Nüssli wieder ein Aktivposten in der Mannschaft. Genau so, wie es Chris DiDomenico war, als er aus Italien zu den SCL Tigers stiess, und wie es durchaus wieder sein kann (und wohl auch wird), wenn er aus Nordamerika zurück kehrt.

Vergessen wir, was war! Blicken wir vorwärts und nicht zurück. Schon gar nicht im Zorn. Es hat für Chris DiDomenico in Nordamerika nicht so funktioniert wie er sich dies erhoffte. Er möchte offenbar zurück nach Langnau («Ich liebe diesen Klub»). Das trifft sich gut. Weil die SCL Tigers brauchen gerade jetzt einen wie ihn. Nützen wir die günstige Gelegenheit.

Opportunisten nutzen eine günstige Gelegenheit, ohne Rücksicht auf Konsequenzen oder eigene Wertvorstellungen zu ihrem Vorteil. Pragmatiker zeichnen sich vor allem durch gesunden Menschenverstand und ihren Blick für das Machbare aus. Pragmatisch ist jemand auch dann, wenn er über einen guten Geschäftssinn und gleichzeitig über Flexibilität im Denken und Handeln verfügt. Seien wir also – gerade im Fall Chris DiDomenico - ebenso opportunistisch wie pragmatisch. Zum Wohle der SCL Tigers.

Arbeiten wir zudem etwas an unserer Selbsterkenntnis. Auch ich werde wieder jubeln und Chris DiDomenico in mein Herz schliessen, wenn er für die SCL Tigers seine Tore und seine Assists beisteuert und uns mit seinem Kampfgeist und Siegeswillen erfreut. Ich bin sicher, dass es nicht nur mir so gehen wird.