Ein Wechsel unter kleinen «Brüdern»

Ein Wechsel unter kleinen «Brüdern»

Die SCL Tigers konnten bei der Kaderplanung für die Zukunft eine der wichtigsten Positionen eines Eishockeyteams frühzeitig besetzen: Thomas Bäumle ist der neue Nummer-1-Torhüter.

Presse • • von Wochen-Zeitung, Werner Haller

Thomas Bäumle, am Ende der Saison wechseln Sie nach sieben Jahren bei Ambri zu den SCL Tigers. Fällt ihnen der Abschied von der Leventina nach einer so langen Zeit nicht schwer?
Thomas Bäumle: Ja und Nein. Ja, weil sieben Jahre immerhin ein Viertel meines ganzen Lebens sind. Das muss man sich mal vorstellen. Zudem verdanke ich Ambri sehr viel. Ich war erst 21, als mir der Klub die allererste echte Chance in der NLA gab. Nein, weil mir nach sieben Jahren im gleichen Team eine neue Herausforderung bestimmt nicht schadet. Ich bin erst 27, damit im besten Alter und habe noch einiges vor.

Ambri und Langnau – das sind zwei Klubs mit zahlreichen verblüffenden Gemeinsamkeiten. Ist ihr Transfer so etwas wie ein Wechsel unter kleinen «Brüdern»?
Das kann man durchaus so sehen. Ambri und Langnau sind zwei Klubs mit einer grossen Tradition und einer ereignisreichen Geschichte voller Emotionen. Der Stellenwert der beiden Mannschaften ist sowohl in der Leventina als auch im Emmental überdurchschnittlich hoch. Die Fans gehören zu den begeisterungsfähigsten und treusten unseres Landes. Sie vergiessen unglaublich viel Herzblut und unterstützen die Mannschaften selbst in den schlechtesten Zeiten leidenschaftlich. Ambri und Langnau sind mit ihrer ganz speziellen Art einzigartig.

Ambri wie Langnau wecken aber nicht nur viele Emotionen. Beide Klubs kämpfen seit Jahren auch mit praktisch den gleich grossen sportlichen und wirtschaftlichen Problemen.
Ja. Umso bemerkenswerter finde ich es, dass Ambri und Langnau immer wieder einen Weg finden, den Überlebenskampf erfolgreich zu gestalten. Trotz der zum Teil sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in der NLA und der beschränkten Mittel versuchen beide Klubs Jahr für Jahr die Playoffs zu erreichen, so wie es letzte Saison Langnau prompt gelungen ist.

Sie haben in den letzten fünf Jahren mit Ambri nie die Playoffs erreicht, aber stets den Platz in der höchsten Spielklasse erfolgreich verteidigt.
Selbstverständlich möchte ich als ehrgeiziger Sportler immer so weit wie nur möglich kommen. Aber das geht manchmal nicht. Ich bin ein positiv eingestellter Typ und betrachte deshalb meine lange Zeit bei Ambri durchaus nicht als negativ. Im Gegenteil: Wir haben, wie schon angetönt, mehrmals das Beste aus sehr schwierigen Situationen herausgeholt.

Ambri und die SCL Tigers sind sich in vielen Belangen sehr ähnlich. Erleichtert ihnen diese Situation den Wechsel und die Umstellung von der Leventina ins Emmental?
Ich glaube schon, ein Nachteil ist es bestimmt nicht. Ich weiss genau, was auf mich zukommt und darauf kann mich aufgrund der bei Ambri gemachten Erfahrungen auch einstellen. Die Verantwortung, die ich bei den SCL Tigers übernehmen werde, wird praktisch gleich gross sein wie bei Ambri. Ob bei einem Titelkandidaten oder bei einer Mannschaft der unteren Tabellenhälfte – der Torhüter ist und bleibt ein Schlüsselspieler, auf den es ankommt.

Mit einem Schweizer im Tor werden die SCL Tigers nächste Saison wieder vier ausländische Feldspieler einsetzen können.
Das ist eine neue Chance und ich werde alles versuchen, dass wir diese Chance auch nutzen können. Für mich kann es nur ein Ziel geben: Mit meiner Leistung den SCL Tigers in jedem Spiel die Möglichkeit zum Sieg zu geben.


Einer der Besten jagt die Allerbesten
Zwischen der Schweiz und den weltbesten Eishockeynationen
besteht nach wie vor ein Klasse-
unterschied. In einer Beziehung jedoch zählt unser Land zum Kreis der Weltklasse. Die Qualität der NLA-Torhüter ist ungewöhnlich hoch. Fünf Goalies dieser Saison haben bereits in der NHL und der russischen KHL gespielt und alle neun Schweizer wurden schon für die Nationalmannschaft aufgeboten. Dazu kommen Jonas Hiller (Anaheim/NHL) sowie die beiden Stanleycupsieger Martin Gerber (Växjö) und David Aebischer (St. Johns/AHL), die derzeit im Ausland spielen.

Thomas Bäumle, der zukünftige Torhüter der SCL Tigers, ist einer der Besten, der sich ständig auf der Jagd nach den Allerbesten befindet. Er ist einer der konstantesten Schweizer Goalies der letzten Jahre und massgeblich daran beteiligt, dass sich Ambri in der höchsten Spielklasse halten konnte. Der 27-jährige Grenchner erhielt als Junior und auch von Ralph Krueger und Sean Simpson regelmässig Länderspiel-Chancen. Aber wenn es ums Aufgebot für ein WM-Turnier ging, stand er im Schatten noch besserer Schweizer Torhüter. «Seit Jahren schon bekommt man als Goalie in der Schweiz nichts gratis und man muss seine Leistungen auch immer wieder bestätigen», beschreibt er die Konkurrenzsituation.

Als Junior machten ihm Tobias Stephan, Daniel Manzato und der Langnauer Michael Flückiger das Leben schwer. Oder 2008. Da flog er zusammen mit Ronnie Rüeger ins WM-Vorbereitungscamp nach Québec (Ka). Weil aber Hiller mit Anaheim in den Playoffs ausschied, Gerber (Ottawa) nach einer leichten Verletzung für die WM wieder einsatzfähig war und sich Ralph Krueger für Rüeger als Nummer 3 entschied, musste Bäumle in die Schweiz zurückkehren. Ähnlich erging es ihm bei Davos. Headcoach Arno Del Curto hatte Lars Weibel zu ersetzen und holte Hiller von Lausanne und Bäumle, der Sierre bis in den NLB-Playofffinal geführt hatte. Hiller trumpfte als NLA-Rookie auf dem Weg zum Titelgewinn aber derart auf, dass Bäumle nicht an ihm vorbeikam.
Auf ewig ein «Biancoblu»
Dass der in der SCB-Nachwuchsabteilung ausgebildete Bäumle nie aufgab, wurde bei Ambri doch noch belohnt und zwar auf eine für die Leventiner typische Art. Am 6. Januar 2006 lag Ambri im Derby in Lugano nach dem ersten Drittel mit 1:4 im Rückstand. Der damalige finnische Headcoach Pekka Rautakallio ersetzte Torhüter Simon Züger durch Bäumle. Dieser wehrte in den restlichen 40 Minuten alle 24 Schüsse ab und die Linie mit Toms, Domenichelli und Trudel schaffte mit vier Toren die nicht mehr für möglich gehaltene Wende zum 5:4. Von diesem Zeitpunkt an war Bäumle die Nummer 1. Die Helden dieses ersten Triumphes in Lugano nach 17 Jahren werden die Ambri-Fans nie vergessen. Das beweisen schon allein die Worte, mit welchen sich der Klub bei Bäumle nach dem Bekanntwerden seines Wechsels zu Langnau bedankte: «Sankt Thomas, in unseren Herzen bleibst auf ewig ein Biancoblu.»