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Ein zu schöner Tag für die Tiger, um zu sterben

Lausanne muss nach der 0:2-Niederlage in Langnau die Aufstiegsfeierlichkeiten verschieben. Kehrt der «Fluch des siebten Spiels» zurück?

Presse • • von Klaus Zaugg

Langnaus Präsident Peter Jakob hat seine Geschäftsreise nach Südostasien verschoben. «Der Kapitän verlässt das Schiff in Seenot nicht», sagt er. «Ich bleibe hier bis die Saison zu Ende ist.» Klar ist auch: Selbst wenn Langnau doch noch absteigen sollte, wird er mit dem gesamten Verwaltungsrat bleiben. Um die Operation «Sofortiger Wiederaufstieg» zu ochestrieren.

 


Langnau hat am Samstag den Abstieg im taktisch besten Spiel seit dem Ende der Qualifikation abgewendet und Lausanne mit 2:0 vom Eis gearbeitet. Selbst das Herz von Dichterfürst Jeremias Gotthelf hätte jubiliert. Nicht wegen des Eishockeys, sondern weil dieser Samstag, der 13. April, ein ganz besonderer Tag war.

 

Der wärmste Tag des Jahres. Glasklare Sicht. Am Horizont erblickten die Menschen, die am frühen Abend von Burgdorf her und aus dem Solothurnischen herauf gegen Langnau eilten, das wunderbare Panorama der majestätischen Berner Alpen. Ganz in weiss, als hätte ihnen der Herrgott das Sonntagskleid angelegt, erstrahlten Eiger, Mönch und Jungfrau in der Abendsonne. Mild die Luft und endlich, nach so vielen Regentagen und sorgenvollen Blicken der Bauern in die leeren Heubühnen, das erste Grün an den Hängen. Ganz einfach ein Tag, viel zu schön für die NLA-Tigers, um zu sterben. Bei einer weiteren Niederlage gegen den HC Lausanne wären die SCL Tigers nämlich in die NLA abgestiegen.

 

Härter, ruhiger und konzentrierter

Die Hockeygötter waren auch der Meinung, dass es nicht sein kann, dass die Langnauer an einem so wunderbaren Frühlingstag absteigen. Sie haben den Emmentalern deshalb den Sieg ermöglicht. Die Langnauer spielten nicht viel besser als in den bisherigen vier Partien in dieser Liga-Qualifikation, von denen sie drei verloren haben. Aber im Wissen um die allerletzte Chance arbeiteten sie härter, ruhiger und konzentrierter. Den neuen Trainern Jakob «Köbi» Kölliker und Alfred Bohren ist es bei ihrem zweiten Spiel gelungen, endlich eine gewisse Ordnung und Ruhe ins Spiel zu bringen und die Anzahl Fehler drastisch zu reduzieren.

 

Die Langnauer zelebrierten im Spiel der allerletzten Chance kein Spektakel. Ja, sie spielten nicht Eishockey. Sie arbeiteten Eishockey. Aufmerksam schirmten sie ihren NLB-Torhüter Damiano Ciaccio ab. Sie trugen Sorge zum Puck, als sei er das von der Grossmutter vererbte Porzellangeschirr. Keine blinden Panik-Pässe. Entweder genaue Zuspiele – oder dann sicherheitshalber ein Befreiungsschlag. Zum ersten Mal war ganz klar die taktische Handschrift des neuen Assistenz-Trainers Alfred Bohren zu erkennen. Mit diesem realistischen Hockey hat er bereits zweimal die Amateur-Meisterschaft (1. Liga) gewonnen (mit Wiki und den Huttwil-Falcons).

 

Zuversicht ist zurückgekehrt

An diesem schönen Frühlingstag ist die Zuversicht in die Herzen der Langnauer zurückgekehrt. So wie bei den Bauern, die sich nun angesichts des schönen Wetters auch keine Sorgen mehr wegen der schwindenden Heuvorräte machen müssen.

 

Lausanne, im Wissen, dass es im Falle einer Niederlage ja noch mindestens zwei weitere Chancen gibt, fehlte die letzte Entschlossenheit. «Die Langnauer wollten den Sieg mehr als wir. Deshalb haben sie verdient gewonnen. Und wir sollten nicht vergessen: Langnau ist eine NLA-Mannschaft», sagte Lausannes Trainer Gerd Zenhäusern.

 

Die Langnauer brauchten eine Viertelstunde, um ihre Sicherheit zu finden. Es war das Zeitfenster, das die Welschen zur Entscheidung hätten nützen müssen. Als die Emmentaler Tritt gefasst hatten – und das war so ab der 15. Minute der Fall – war die Partie psychologisch entschieden. Obwohl das 1:0 erst im zweiten Drittel fallen sollte. «Mit einem Tor in der Anfangsphase hätten wir das Spiel vielleicht in eine andere Richtung lenken können», trauerte Lausannes Trainer dieser verpassten Gelegenheit nach.

 

Lausanne unter maximalem Druck

Nun bekommen die Langnauer am Dienstag in Lausanne eine weitere Chance, um den Ligaerhalt zu spielen. Und damit gerät Lausanne unter maximalen Druck. Denn wenn es Lausanne nicht gelingt, am Dienstag vor eigenem Publikum den heiss ersehnten Wiederaufstieg zu feiern, dann fällt die Entscheidung am nächsten Donnerstag in Langnau. Bereits zweimal hat Lausanne den Aufstieg in der Liga-Qualifikation in einem 7. Spiel auswärts vergeben: 2009 und 2010 gegen Biel. Und in einem 7. Spiel vor eigenem Publikum hat Lausanne im Frühjahr 2005 durch ein 0:2 gegen Basel seinen Platz in der NLA verloren. Nun sind die bösen Geister der Erinnerung an dieses dramatische Scheitern, an diesen Fluch des 7. Spiels zurückgekehrt.

 

Nach diesem Sieg bleibt die Zukunft von Martin Gerber, der berühmteste Spross der Langnauer Hockey-Dynastie offen. Gerber war bereits am Freitag vor dem Spiel gegen Frankreich aus dem Trainingscamp der Nationalmannschaft heim ins Emmental gereist. Er wird am Montag wieder einrücken. Am Samstag traf er sich zu intensiven Verhandlungen mit Langnaus Manager Wolfgang Schickli. Die Langnauer bieten dem 38jährigen Nationaltorhüter eine sportliche und berufliche Zukunftsperspektive. Bleiben die Langnauer oben, stehen die Chancen sehr gut, dass Gerber zu den SCL Tigers wechselt.

 

Wetter kann wieder umschlagen

Aber noch ist Langnau nicht gerettet. Es braucht zwei weitere Siege. Und so wie der Samstag ein Tag war, viel zu schön für die SCL Tigers, um zu Sterben, so wissen die Emmentaler sehr wohl, dass das Wetter wieder umschlagen kann. Der Respekt vor der Natur, dem Wetter, den Launen des Eishockeys ist hier in Langnau nach wie vor tief verwurzelt und über Generationen vererbt. Schliesslich sind die Emmentaler auch 1985 und 1988 schon abgestiegen. Noch im vorletzten Jahrhundert hing das Wohlergehen der Langnauer weitgehend vom Wetter ab. Ein langer Winter, gefolgt von einem nassen Frühjahr und Sommer, führte zu Missernte, Hunger, Not und Tod oder Auswanderung.

 

Es ist daher für die Anhänger der SCL Tigers sehr beruhigend, dass das Wetter nächste Woche bis und mit Donnerstag, dem Datum des 7. Spiels, schön bleiben will. Also weitere zwei Hockey-Tage, viel zu schön für die NLA-Tiger, um zu sterben.