Arno Del Curto muss auch in Zürich gehen:

Eine Relativierung – oder die Demontage eines grossen Trainers?

Nicht einmal drei Monate hat sie gehalten, die zweite Ehe Arno Del Curtos mit den ZSC Lions. Geendet hat sie, weil das nominell beste Team der Liga die Playoffs verpasste. Wurde Del Curto jahrelang überschätzt?

Blog • • von Bruno Wüthrich

Bild: Homepage HCD

Was war das für ein Mediengetöse, als Arno Del Curto den HC Davos verliess. Er tat dies, weil er mit dem Klub aus den Bündner Bergen in weitaus grössere Schwierigkeiten geraten war, als dies zu Beginn der Saison wegen den Abgängen diverser Leistungsträger vermutet wurde. Die Experten sagten dem HCD in ihren Prognosen einen harten Kampf um die Playoffs voraus. Einige weissagten sogar einen Rang unter dem Strich zum Ende der Qualifikation. Aber nur gerade Rang 11? Das sah niemand kommen. Der HC Davos war zum Zeitpunkt des Abgangs von Arno Del Curto sogar noch schlechter, als ein Jahr zuvor der spätere Absteiger EHC Kloten. Schlechter als Kloten? Das kann doch nicht sein. Doch, das kann. Es gab einfach in dieser Saison noch die Lakers aus Rapperswil. Die waren noch schlechter.

Was war das für ein Mediengetöse, als Arno Del Curto Mitte Januar als neuer Trainer der ZSC Lions eingesetzt wurde. Das Fass in Zürich zum Überlaufen brachte wohl ausgerechnet die 1:2 Heimniederlage der Lions gegen Del Curtos früheren Klub HC Davos. Trotz dieser Niederlage lagen die Zürcher zu diesem Zeitpunkt noch auf Rang 6. Nur auf Rang 6. Mit dem Potential, das in dieser Mannschaft steckt, wollte man aber mehr. Es kann doch nicht sein, dass die Mannschaft mit diesem Potential nur im Mittelfeld herum gurkt. Del Curto, von der Presse als Heilsbringer präsentiert und schon fast als Gottheit verehrt, sollte den Zürcher Stars Beine machen.

Nun, das mit dem „Beine machen“ ist gründlich missglückt. Der Erfolgstrainer verpasste mit den Zürcher Löwen nämlich die Playoffs. Eine Vertragsverlängerung in Zürich wäre danach eine riesige Überraschung gewesen. Denn egal, welche Hintergründe zu diesem grandiosen Scheitern führten: das hätte nicht passieren dürfen! Und mit Verlaub: das hätte Del Curtos Vorgänger Serge Aubin auch geschafft. Denn der lag ja zum Zeitpunkt seiner Entlassung auf Rang 6. Lions Sportchef Sven Leuenberger antwortete denn auch auf die Frage, ob die Entlassung Aubins ein Fehler gewesen sei, eher ausweichend. Gesichtsausdruck und Körpersprache redeten allerdings eine deutliche Sprache. Hätte Leuenberger eine ehrliche Antwort geben können/dürfen/sollen, so hätte diese geheissen:«Ja, aus heutiger Sicht war diese Entlassung ein Fehler. Aber hinterher ist man immer klüger.»

Was bedeutet dieses Scheitern aber für Arno Del Curto? Immerhin hat der einstige Erfolgscoach in einer Saison gleich zwei Mannschaften unter den Strich gecoacht. Mit Goodwill kann man anerkennen, dass dies zumindest im Fall des HCD vorauszusehen war. Aber bei den ZSC Lions?

Haben damit alle Stimmen recht, die sagen, Arno Del Curto funktioniere nur beim HC Davos? So einfach ist wohl diese Frage nicht zu beantworten. Wir nähern uns dieser mit ein paar Gedanken an.

  1. Arno Del Curto übernahm den HC Davos im Sommer 1996 vom Schweden Mats Waltin, der mit den Bündnern Rang 5 und damit die Playoffs sicher erreicht hatte. In seiner ersten Saison belegte Del Curto mit den Bündnern ebenfalls Rang 5. Bereits im Jahr darauf schaffte es Del Curto mit dem HCD bis in den Playoff-Final gegen den EV Zug. Die Serie ging zwar verloren. Der Hunger war damit jedoch geweckt. Trotzdem dauerte es danach bis in die Saison 2001/02, bis der HC Davos unter Coach Arno Del Curto erstmals Meister wurde. Bis zum ersten Titelgewinn in Davos dauerte es also sechs Jahre. Aber von nun an rockte und rollte es in Davos. Es folgten die Titel von 2005, 2007, 2009, 2011 und 2013. Insgesamt sechs Mal feierte Del Curto mit „seinem“ HC Davos die Meisterschaft. Das ist aller Ehren wert.

  2. Zu vermuten ist schon, dass diese erfolgreiche Zeit mit der Fast-Allmacht zusammenhängt, die Del Curto beim HCD genoss. Mit der Geographie hat dies jedoch nichts zu tun, sondern mit den Gegebenheiten. In Davos waren genügend Mittel vorhanden, trotzdem blieb der Klub überschaubar. Es waren eben nicht die ZSC Lions oder der SC Bern, die zwar über noch mehr Mittel, aber eben auch über eine Organisation mit Hierarchien verfügten, die nicht einfach so zu knacken gewesen wären. Dass ein Trainer sich schliesslich faktisch an die Spitze einer Sport-Organisation arbeiten kann, ist eben nicht überall möglich. Denkbar war dies aber nicht nur in Davos, sondern zu diesem Zeitpunkt auch bei Klubs wie Ambri, Gottéron oder den SCL Tigers, die sich aber beim Antritt von Del Curto in Davos noch in der NLB befanden. Aber eben: der HCD verfügte dank des Spengler Cups immer über mehr finanzielle Mittel als die anderen kleinen Klubs der Liga. Einzig die Krösusse SC Bern, die ZSC Lions und der HC Lugano verfügten über noch mehr Mittel.

  3. Man mag die Erfolge Arno Del Curtos in Davos seiner Machtfülle zuschreiben, die er beim HCD genoss. Aber mit Verlaub: Diese musste er sich auch zuerst erarbeiten. Geholfen hat allerdings, dass der Engadiner in Davos von Beginn weg sehr viel Sympathien genoss, was vielleicht – würde er aus einer anderen Gegend stammen – etwas weniger der Fall gewesen wäre. Aber dies ist reine Spekulation. Viel mehr ist jedoch zu vermuten, dass der HC Davos nicht nur zu Arno Del Curto passte, sondern das Arno Del Curto eben für den HCD der perfekte Trainer war. Diese Konstellation gibt es für einen Menschen und einen Klub vielleicht nur einmal.

  4. Deshalb wird es für einen Klub wie den HC Davos schwierig, eine Aera wie jene mit Arno Del Curto zu wiederholen. Aber es wird auch für einen Trainer wie Arno Del Curto schwierig, einen Klub zu finden, bei dem er die Voraussetzungen findet, die derart perfekt auf ihn zugeschnitten sind, wie sie dies in Davos waren. Bei einem Klub wie den ZSC Lions findet er diese nicht. Dies hätte den Verantwortlichen der Zürcher, aber auch Arno selbst, klar sein müssen. Bei einem Spielerpotential wie demjenigen der ZSC Lions ist einer wie Arno Del Curto eben kein Hockeygott. Und weil er in Zürich nicht allmächtig ist, kann er mit den Spielern auch nicht so umgehen, wie er dies lange Zeit beim HCD konnte. Er konnte sich nicht – ähnlich einer Sekte (Zeugen Del Curtos) eine Struktur aufbauen, in welcher galt: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Es gibt ein paar Geschichten, die wollen wir jetzt nicht wieder aufwärmen. Aber da würden sich mancheinem die Haare zu Berge stellen. Aber das war eben Davos. In Zürich herrschen andere Regeln.

  5. All dies bringt uns bei der Frage, ob Arno Del Curto ein grosser Trainer (gewesen?) ist, zu folgender Antwort: Ja, Arno war ein grosser Trainer. Aber er war es unter besonderen, zum Teil durch ihn selbst erarbeiteten Umständen in Davos. Sind die Strukturen eines Klubs nicht auf ihn zugeschnitten, oder mangelt es an Finanzen, ist Arno lediglich ein guter, aber halt auch gewöhnlicher Trainer, zumindest wenn man ihn am Erfolg misst. Zuletzt fehlte es in Davos an Geld. Es resultierte der 11. Rang. In Zürich passten die Strukturen nicht zum Coach. Es resultierte das Verpassen der Playoffs.

Wer künftig mit Arno Del Curto zusammenarbeiten will, tut gut daran, diese Punkte zu bedenken. Grossklubs funktionieren nicht. Dies wurde jetzt in Zürich klar. Aber obwohl Del Curto schon 62-jährig ist, könnten ihm, wenn alles passt, auch noch ein paar gute Jahre bevorstehen. Doch die Bereitschaft, alles passen zu lassen, muss bei einem Klub vorhanden sein. Sonst wird es wohl nicht funktionieren.

Aus Sicht der SCL Tigers wäre es spannend zu erleben, wie weit es einer wie Heinz Ehlers mit genügend Zeit in Langnau bringt. Die Langnauer befinden sich mit ihm auf einem sehr guten Weg.