Wird Langnau zum

Eldorado für Eishockey – Outlaws?

Christian Weber, Fabian Sutter, Matthias Bieber, Eric Blum etc. haben anderswo bessere sportliche und finanzielle Perspektiven. Wer könnte da widerstehen? Denn in die Eishockey-Geschichtsbücher kommt nicht, wer Abstiege verhindert, sondern nur, wer Titel gewinnt. Wird das Emmental deshalb zum weissen Fleck auf der Eishockey – Landkarte?

Blog • • von Bruno Wüthrich

Jeder traditionelle Klub durchlebt in seiner Geschichte diverse Hochs und Tiefs. Die SCL Tigers waren immerhin schon einmal Meister, begeisterten jedoch auch in der 1.Liga Massen von Zuschauern. Auch der Rekordmeister HC Davos sass zwischenzeitlich eine gewisse Zeit in der Amateur-Liga ab. Die Zeiten ändern sich jeweils schnell. Was gestern galt, steht heute auf der Kippe. Und morgen ist bereits alles wieder anders. Dies erleben die SCL Tigers derzeit im negativen Sinne. Gestern noch mitten im Neuaufbau, an den Playoffs schnuppernd, stand wegen dem Sommertheater plötzlich alles auf der Kippe. Und bereits heute wissen wir, dass nächste Saison alles anders sein wird. Nur: Aus einem Wellental wird man immer wieder auch empor gespült.

Unterschiedliche Sichtweisen

Die Sicht der Fans: In Langnau ist eine neue Führung am Werk, neues Kapital ist geflossen, sogar die Gemeinde engagiert sich. Mancheiner wird nicht verstehen, dass ausgerechnet jetzt, wo die Vernunft eingekehrt ist im Emmental, die ambitionierten Spieler den Klub verlassen. Denn sie verlassen kein sinkendes Schiff. Fans appellieren denn auch an «das Tigerherz», um Coach und Spieler zum Bleiben zu bewegen. Meistens vergeblich!

 

Die Sicht der Spieler: Jeder Spieler will in so erfolgreich wie möglich Eishockey spielen können und dabei seinen Lebensunterhalt verdienen. Dass dies nicht jedem Spieler in gleichem Masse gelingt, versteht sich von selbst. Deshalb gilt, je besser der Spieler, je ambitionierter der Klub, für welchen er spielt. Für einen Spieler der SCL Tigers ist es eine Genugtuung und eine Anerkennung seiner Leistung, wenn ein Klub mit Meister-Ambitionen bei ihm anklopft. Zudem: Die Karriere eines Spielers ist begrenzt. Ein Star wird er nur, wenn er Erfolg hat. So lange die SCL Tigers nicht um den Titel mitspielen, ist das Starpotential der Spieler regional begrenzt. Deshalb: wer Titel gewinnen will, muss sein Glück ausserhalb von Langnau suchen. Kultfiguren wie Todd Elik sind davon selbstverständlich ausgenommen. Solche Typen leuchten auch von Langnau aus national. Elik ist denn auch der Einzige, welcher seinen Status nebst seinem sportlichen Können auch Langnau zu verdanken hat. Denn der Ausnahmekönner war vor allem dann landesweit in sämtlichen Medien vertreten, als er in Langnau spielte. Aber sonst ist in den letzten 25 Jahren keiner auszumachen, der es dank seinem Engagement in Langnau in die Eishockey – Geschichtsbücher schaffen könnte. Reto von Arx? Er durchlief zwar die Nachwuchsabteilung des SC Langnau und feierte seine Erfolge mit dem HCD. Dass die Geschichtsschreiber an RvA nicht vorbei kommen, hat indes nichts mit dem SCL oder dem HCD zu tun. Von Arx ist seit einigen Jahren der beste Eishockeyspieler der Schweiz und zudem mit soviel Talent ausgestattet, dass er seinen Status mit jedem andern NLA-Verein ebenfalls erreicht hätte. Er hat keinem Verein etwas zu verdanken. Das Gleiche gilt übrigens auch für Martin Gerber!

 

Die Sicht der Klubs: Im Wettbewerb um den Titel sind die ambitionierten Mannschaften gezwungen, in Konkurrenz mit andern Organisationen die besten Spieler der Liga für ein funktionierendes Meister-Ensemble zu verpflichten. In erster Linie ist Eishockey ein sportlicher Wettbewerb unter den Teams, zu welchen auch die Coaches und der Staff gehören. Er ist jedoch auch ein Wettbewerb der Sportchefs. Wer baut mit welchen finanziellen Mitteln die beste Mannschaft. Es ist auch eine Meisterschaft des Geldes und damit auch der Managements. Wer generiert die meisten Mittel für seine Organisation. Dieser Wettbewerb wird jedoch arg verzerrt durch Mäzene, welche ihre Mittel ohne Gegenleistung einschiessen. Walter Frey von des ZSC Lions oder Geo Mategazza vom HC Lugano beispielsweise. Gelder von Mäzenen haben nichts mit den Leistungen des Managements zu tun. Es sind Gelder, welche den Klubs einfach so zur Verfügung stehen.

 

Erkenntnisse

Dass der Lohn nicht der einzige Faktor ist, welcher entscheidet, bei welchem Klub ein Spieler spielt, erkennen wir zwei Stufen tiefer bei den Huttwil Falcons. Die Huttwiler, welche in der Zentralgruppe das höchste Budget haben, zahlen nicht die höchsten Löhne. Einzelne Spieler anderer Klubs verdienen mehr. Aber die Falcons bieten das beste Umfeld der Liga und haben zudem ambitionierte Ziele (Aufstieg in die NLB). Beides ist den Spielern mehr wert als der eine oder andere Tausender mehr auf dem Konto. Ein gutes Umfeld und Ambitionen sind ebenfalls mit Geld verbunden.

 

Im Wettbewerb um die besten Spieler bleiben immer auch äusserst talentierte Akteure auf der Strecke. Sven Helfenstein ist so ein Beispiel. Ein weiteres ist Claudio Neff, welcher immer wieder aus den Traktanden der Sportchefs und der Trainer fällt, obwohl es ihm an Talent nicht mangelt. Erst spät in der Saison erhielt Neff einen Vertrag bis Saisonende bei Ambri. Die Moggi-Zwillinge, aber auch Matthias Bieber oder Eric-Ray Blum erhielten bei ihren Stammklubs nicht die Chance, sich zu profilieren. Bei den SCL Tigers klopften die beiden Letzteren an die Türe zur Nationalmannschaft und auch die Moggis begeistern. Die Tigers der nächsten Saisons könnten deshalb das Eldorado für Eishockey-Aussenseiter werden. Ein Zufluchtsort für «schwierige» Spieler und verkannte und erkannte (auch eigene) Talente. Solche Spieler sind gewöhnlich zu günstigen Konditionen zu verpflichten, was Mittel freisetzt für wirklich gute Ausländer.

 

Manager Ruedi Zesiger wird gar nichts anderes übrig bleiben, als aus Langnau ein Eldorado zu machen für Spieler, welche eine letzte Chance brauchen oder welche noch auf ihre erste warten. Der neue Coach wird einer sein müssen, welcher mit solchen Spielern umgehen und aus ihnen ein Team formen kann, das ligafähig und erfolgshungrig ist.