Neue Zürcher Zeitung

Fünf nach zwölf

Peter Jakob hat Langnau vor dem Konkurs gerettet, mit kühlem Menschenverstand. Er schaffte dem Klub eine neue Basis, mit kühlem Menschenverstand. Doch nun stösst er damit an Grenzen.

Presse • • von Daniel Germann

Also zuerst einmal müsse er sagen: Der Alex Reinhard, das sei ein ganz seriöser und fleissiger Arbeiter, der nur das Beste für den Klub gewollt habe. Peter Jakob, Unternehmer aus Trubschachen und der Mann, dem das Verdienst gebührt, die SCL Tigers vor vier Jahren vor dem Konkurs gerettet zu haben, bleibt sich auch in seinem möglicherweise schwierigsten Moment als Verwaltungsratspräsident treu. Und billige Abrechnungen auf Kosten anderer gehören nun einmal nicht zu seinem Stil.

 

Der Druck der Tribüne

Gerade im Sport aber gibt es Momente, in denen man den gesunden Menschenverstand über Bord werfen und sich emotionalen und populistischen Massnahmen zuwenden muss. Für Jakob kam dieser Moment am Dienstag, nach dem 3:4 der Tigers im dritten Ligaqualifikationsspiel gegen Lausanne. «Wir hatten über 5700 Zuschauer in der Halle, und ich spürte eine Riesenenttäuschung, aber auch Druck. Wir können nicht nach dem Prinzip Hoffnung leben.»

 

Für die SCL Tigers steht die Uhr eher auf fünf nach als fünf vor zwölf. Und deshalb entschied Jakob zusammen mit seinen Verwaltungsratskollegen, was in solchen Situationen immer entschieden wird: Der Trainer muss weg. Anstelle des unerfahrenen Reinhard, der kurz vor Weihnachten selber als Nothelfer für John Fust gekommen war, soll der Sportchef Jakob Kölliker die Tigers retten. Ob noch etwas zu retten ist, werden die nächsten Spiele zeigen. Alle psychologischen Vorteile liegen auf der Seite des B-Meisters.

 

Die SCL Tigers spielen längst nicht mehr wie ein Team, das an Rettung glaubt. Dabei käme ein Abstieg für sie im dümmsten Moment. Nach der Renovierung der Ilfishalle besitzen sie endlich eine Infrastruktur, die ihnen die wirtschaftliche Basis gibt, um in der Nationalliga A zu überleben. Man werde wirtschaftlich von den Tigers dieses Jahr keine negativen Überraschungen erleben, versichert Jakob. Ausgedeutscht heisst dies: Dank den zusätzlichen Matcheinnahmen, den Erträgen aus dem Catering und einigen Extrazuwendungen wird der Klub die Saison mit einer schwarzen Null statt – wie budgetiert – mit einem Defizit von rund einer halben Million abschliessen.

 

Vier Jahre nach dem Beinahe-Konkurs fühlen sich die Tigers fit, sportlich einen Schritt vorwärts zu machen. Sie glauben, ihre Schlüsselpositionen im Management endlich richtig besetzt zu haben. Das renovierte Stadion verspricht Prosperität. Die Möglichkeiten, sagt Jakob, seien längst noch nicht ausgeschöpft. «Unser neues Unternehmen ist sechs Monate alt. Da ist es unmöglich, verlässlich Bilanz zu ziehen.»

 

Realist an der Grenze

Doch mitten im wirtschaftlichen Aufbruch droht die Relegation dem Klub den Boden unter den Füssen wegzuziehen. Jakob sagt, man habe solche Szenarien noch nicht diskutiert. Gleichzeitig sei klar: «Anders als vor vier Jahren würde ein Abstieg nicht der Fall ins Bodenlose bedeuten.» Jakob sagt, je nach Einnahmen kämen vier verschiedene Szenarien infrage. Man spürt: Da spricht einer, der den Kopf auch in heissen Momenten nicht verliert.

 

Vielleicht aber ist genau dies das Problem: Jakob rechnet, bevor er handelt. Andernorts funktioniert das genau umgekehrt. Den tschechischen Torhüter Jaroslav Hübl im Dezember ziehen zu lassen, war ein wirtschaftlicher Entscheid. Reinhard als Nachfolger von Fust einzusetzen, war ein wirtschaftlicher Entscheid. Mit solcher Kritik konfrontiert, stösst Jakob zuweilen an die Grenzen dessen, was mit gesundem Menschenverstand zu erfassen ist. Möglicherweise ist er noch zu sehr Realist, um begriffen zu haben, dass der Sport nicht immer mit Verstand funktioniert.