Wir wagen den Versuch und bestimmen die Faktoren für eine Formel

Gibt es eine mathematische Formel für den Sieg?

Kann man einen Sieg berechnen? Welche Faktoren müssten da in Betracht gezogen werden? Was braucht eine Mannschaft, um gewinnen zu können? Und welchen Einfluss hat der Gegner?

Blog • • von Bruno Wüthrich

Logo_TEEPWarum erklären die SCL Tigers jeweils die Sicherung des Ligaerhalts zu ihrem Saisonziel. Weshalb so bescheiden? Sie könnten doch auch sagen: Wir wollen den Kübel. Die Antwort ist logisch. Die andern, damit sind der SCB, der EVZ, die ZSC Lions, Gottéron, aber auch der HCD und der HC Lugano gemeint, haben mehr Geld. Ergo können sie sich die besseren Spieler, mehr Talent, mehr mentale Stärke etc. einkaufen. Wer dies alles hat, verliert zwar auch Spiele, aber eben nicht so viele, und ist am Schluss besser klassiert als zum Beispiel die SCL Tigers, die mit verhältnismässig bescheidenen Mitteln jeweils den Ligaerhalt zu ihrem Saisonziel erklären.

 

Nun befinden sich die SCL Tigers im Final der Playouts, und damit mitten in der Serie, welche die Frage beantwortet, wer danach als schlechteste Mannschaft der NLA gegen Besten der NLB darum spielen muss, wer in der nächsten Saison in welcher Liga spielen wird. Die Langnauer, welche in der Qualifikation bereits Letzter waren, ringen nun gegen die Lakers, den Zweitletzten der Quali, welcher aber immerhin 12 Punkte mehr realisierte als der Letzte. 12 Punkte, wir wissen es, sind bereits eine recht grosse Differenz. Vielleicht erinnern sich einige: Vor der Saison waren sich einige Experten sicher: Dank ihrem Talent erreichen die Rapperswiler die Playoffs. Sie irrten sich gewaltig. Recht hatten sie jedoch mit den Prognosen, welche die SCL Tigers betrafen. Der letzte Tabellenrang der Emmentaler bestätigte die Vorhersagen.

 

Welches sind die Faktoren, welche diese Serie zwischen den Lakers und den Tigers entscheiden können? Wir bieten eine Auswahl, ohne Gewähr der Vollständigkeit: 1.) Talent, 2.) Physische Verfassung, 3.) Mentale Verfassung, 4.) der Wille, 5.) der Charakter, 6.) das Glück.

 

Talent

Wir hinterfragen die Meinung der Experten nicht, und glauben, dass die Lakers als Team mehr Talent auf sich vereinen als die SCL Tigers. Immerhin realisierten sie in der 50 Spiele umfassenden Qualifikation 12 Punkte mehr als die Langnauer, und das mit einem System, das eigentlich diese Bezeichnung gar nicht verdiente. Der Grund dafür ist, dass die Lakers mehr Spieler in ihren Reihen haben, die den Unterschied ausmachen können. Sie taten es in dieser Saison zu wenig. Deshalb war es aus ihrer Sicht eine enttäuschende Saison. Sie haben nun aber ihren Coach gewechselt, und dieser wird alles daran setzen, dem Team ein System zu vermitteln. Entscheidend wird sein, wie schnell ihm dies gelingt.

 

Physische Verfassung

Ein Team, das läuferisch und technisch unterlegen ist, braucht in der Regel die bessere physische Verfassung, um dieses Manko auszugleichen. Das Problem dabei: Auch die Coachs der talentierteren Teams legen auf die physische Verfassung ihrer Spieler grössten Wert. In dieser Beziehung den Unterschied machen zu wollen, ist sehr schwierig. Wir befinden uns in der wichtigsten Saisonphase. Da lässt sich kein Team mehr hängen, sofern es mental noch intakt ist.

 

Mentale Verfassung

In der Serie zwischen den Lakers und den SCL Tigers treten zwei Verliererteams gegeneinander an. Die SCL Tigers waren das schlechteste Team über die ganze Saison. Die Lakers waren das schlechteste Team im diesem Jahr. Da kann es mit dem Selbstvertrauen nicht zum Besten stehen. Jede Niederlage versetzt der Mentalität einen argen Dämpfer. Jeder Sieg ist Balsam auf die Seele, aber für sich allein noch längst nicht genug, um allein daraus bereits ein gutes Selbstvertrauen abzuleiten. Es geht um die Existenz. Und zwar um die Existenz der Organisation, des Teams, der einzelnen Akteure. Da kommt Verunsicherung und Angst mit dazu. Der Coach ist gefordert. Er braucht Fingerspitzengefühl. Er kennt sein Team. Er kennt jeden einzelnen Spieler. Und er kennt sich selbst. Er muss schauen, wie er das Beste aus jedem Einzelnen und dem ganzen Team heraus holen kann. Dafür muss er sowohl ein hervorragender Taktiker wie auch ein hervorragender Motivator sein. Und er muss authentisch sein. Schauspielerei wird sofort durchschaut. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn ein Coach poltert, muss es echt sein. Simuliert er es nur, hat er bereits verloren. Die Spieler glauben ihm nichts mehr. Zum Glück gibt es verschiedene Methoden, ein Team erfolgreich zu coachen. Jedem Team und jedem Coach steht in jedem Spiel ein anders Team mit einem andern, in den meisten Fällen ebenfalls fähigen Coach gegenüber. Was für unsern Coach gilt, gilt auch für den andern. Und beide Coachs wissen: Bei mental angeschlagenen Teams braucht es nicht viel, um sie aus der Bahn zu werfen. Die Rapperswiler haben bestimmt die besseren Penaltyschützen als die Tiger. Aber nach dem aberkannten Tor mit der vermeintlichen Siegsicherung in der Verlängerung war in dieser Beziehung nichts mehr zu machen. Und die SCL Tigers verloren nach dominantem ersten Drittel mit fatalen 14 Sekunden viel zu lange den Faden, um die Partie noch gewinnen zu können.

 

Der Wille

Sportler wollen gewinnen. Das ist keine Frage. Wer etwas anderes behauptet, hat keine Ahnung vom Sport. Aber was ist, wenn plötzlich das Gefühl auftaucht, dass heute nicht der Tag ist? Dann wackelt die mentale Verfassung, und diese hat einen enormen Einfluss auf die Effektivität des Willens. Das Schlimme am Willen ist: Er ist in beiden Teams vorhanden. Mathematisch ausgedrückt: Der Wille des gesamten Teams ist die Summe des Willens jedes einzelnen Spielers. Es kann bereits eine Rolle spielen, wenn ein oder zwei Spieler aufgrund ihrer aktuellen mentalen Verfassung nicht in der Lage sind, zu 100 Prozent bei der Sache zu sein. Es ist, wie manchmal im täglichen Berufsleben: Wir gehen auch zur Arbeit, wenn wir krank sind, oder Liebeskummer haben, oder uns sonst eine Laus über die Leber gelaufen ist. Wir Normalos merken in diesen Phasen oft nicht einmal, dass unsere Leistung nicht so gut ist wie sonst. Und falls wir es doch merken, laufen wir bestimmt nicht zum Chef, und machen ihn darauf aufmerksam. Ein Spieler will spielen. Oft auch, wenn er verletzt ist, und auch, wenn er Liebeskummer hat. Dabei würde er in beiden Fällen besser zum Coach gehen und sagen, dass heute ein anderer ran muss, weil er bestimmt nicht 100 Prozent geben kann. Und oft kommt es dann, wie es kommen muss: Wenn das Leben sowieso grad verschissen läuft (und es kann auch bei denen verschiessen laufen, die oberflächlich betrachtet eigentlich gar keine Sorgen haben können), und dann kommt noch auf dem Eis die eine oder andere unglückliche Aktion dazu, ist es um die Effektivität des Willen schnell geschehen. Seriöse Einstellung hin oder her. Aber auch dies ist in jedem Team gleich. Damit hat jeder Coach zu kämpfen. Also auch der des Gegners.

 

Der Charakter

Kürzlich haben wir die Abzocker-Initiative angenommen. Das Volk hat offensichtlich genug von diesem gierigen, elitären Gesindel. Nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Nichts gegen Reiche und nichts gegen Gut- und Besserverdienende. Aber Reiche gab es schon, als fünf bis sieben Prozent Kapitalrendite noch reichten. Und irgendwann hatte früher auch ein Manager seine Million auf dem Konto, der im Jahr «nur» 150'000 Franken verdiente. Aber heutzutage sind ja all die Millionäre ob der vielen Milliardäre nur noch arme, verschupfte Schweine, und bei einem, der sich mit einem Jahreslohn von ein paar hunderttausend Franken begnügen muss, kommt schon fast die Angst auf, der falle demnächst der Fürsorge zur Last, so sehr wird gejammert und geflennt, wenn der Gier nicht mehr freien Lauf gelassen wird. Aber wir schweifen ab. Die Abzocker sind die Gewinner in unserer Gesellschaft. Hätten sie das Talent zum Eishockey spielen, würden sie mit ihrem Charakter zu den Besten zählen, in den besten Teams spielen, und von den Journalisten und Fans zu denjenigen mit dem besten Charakter erklärt. Beim Charakter eines Spielers verhält es sich genau gleich wie beim Talent. Jeder, der in der NLA Eishockey spielt, hat viel davon. Aber diejenigen, die am meisten haben, spielen meistens auch bei den besten Teams. Oder anders ausgedrückt: Diejenigen, die am meisten Charakter und Talent haben, sind denjenigen überlegen, die lediglich viel haben.

 

Übrigens: Im normalen Volk zählt es zum guten Charakter, bescheiden und massvoll zu sein, auch etwas Rücksicht auf die andern zu nehmen, liebevoll, anständig und höflich zu sein. Mit dieser Art von gutem Charakter kommt man im Spitzeneishockey nicht weit.

 

Das Glück

Darüber viele Worte zu verlieren, macht wenig Sinn. Mit etwas Glück hätten die SCL Tigers im zweiten Spiel der Serie gegen die Lakers nach 15 Minuten 4:0 geführt und das Spiel wäre zu ihren Gunsten entschieden gewesen. Es kam anders.

 

Gibt es eine mathematische Formel für den Sieg?

Wie wäre es mit: Talent der SCL Tigers + Physische Verfassung der SCL Tigers + Mentale Verfassung der SCL Tigers + Wille der SCL Tigers + Charakter der SCL Tigers + Glück der SCL Tigers ./. Talent der Lakers ./. physische Verfassung der Lakers ./. mentale Verfassung der Lakers ./. Wille der Lakers ./. Charakter der Lakers ./. Glück der Lakers plus oder minus die Taktik der Coachs, plus oder minus andere unvorhergesehene Faktoren = Sieg oder Niederlage.

 

Tatsache scheint zu sein: Die SCL Tigers haben beim Talent bestimmt keine Vorteile. Also müssen sie dieses Manko anderweitig wett zu machen versuchen. Dies gelingt jedoch nur, wenn die Lakers bei einem andern Faktor etwas weniger zu bieten haben. Zum Beispiel beim Glück oder beim Willen.

 

Spiel 3 steht vor der Tür. Es ist für die Tiger ein Auswärtsspiel. Von bisher vier Auswärtsspielen in den diesjährigen Playouts haben die Langnauer zwei gewonnen. Was sich zweitet, das drittet sich, besagt ein Sprichwort. Falls dem so ist, brauchen die Tiger danach nur noch zu beginnen, ihre Heimspiele zu gewinnen. Dies ist in bisher drei Anläufen noch nicht gelungen.

 

 

PS: Für all diejenigen, die finden, das sei nun der grösste Schwachsinn, der je geschrieben wurde: Das mag sein. Aber wieso nicht einmal den Versuch wagen. Der Verfasser beharrt weder auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit. Es reicht schon, wenn ersichtlich wird, dass alles nicht ganz so einfach ist, wie es manchmal scheint. Und auch im Sport gilt: Diejenigen, die schon viel haben, erhalten noch mehr. Und seien es nur Punkte, Ränge und Titel.