Berner Zeitung

Hauptdarsteller – nicht nur im eigenen Film

Vor seinem ersten NLA-Einsatz in der Startformation der Tigers war Remo Giovannini 129-mal Reservist gewesen. Am Dienstag hatte er in Rapperswil seinen ersten grossen Auftritt.

Presse • • von Philipp Rindlisbacher

10 Tore und ein Hin und Her in der regulären Spielzeit, Pfosten- und Lattenschüsse, ein Eigentor, der Ausgleich acht Sekunden vor Schluss, ein nach langwierigen Diskussionen aberkannter Treffer in der Verlängerung, ein daraus resultierender Penalty und, quasi als Krönung, das Penaltyschiessen: Das erste Spiel in der zweiten Playout-Serie zwischen den Rapperswil-Jona Lakers und den SCL Tigers hatte den Charakter eines Eishockeykrimis. Hochklassig war die Partie gewiss nicht, woran sich die Langnauer kaum stören dürften. Sie setzten sich am späten Dienstagabend in der Kurzentscheidung 6:5 durch und realisierten sogleich das «Break». Bei den Gästen avancierte Remo Giovannini zum Helden. Remo wer?

Das Verwirrspiel

Remo Giovannini ist Bündner und 21 Jahre alt, der Torhüter war Mitglied der Schweizer U-20-Nationalmannschaft. Für die Tigers ist er in dieser Saison erst dreimal von Beginn weg zum Einsatz gekommen, die Playout-Partie bei den Lakers bezeichnet er als eines der wichtigsten Spiele in seiner Karriere. Ob absichtlich oder nicht – Giovannini hatte in der 9.Minute der Verlängerung sein Gehäuse verschoben, einen Wimpernschlag bevor Michel Riesen den vermeintlichen Siegestreffer buchte. Die St.Galler jubelten frenetisch und standen zur Ehrung der besten Spieler bereit, die Unparteiischen anerkannten das Tor aber nicht. Dass einige Langnauer Fans das Stadion nach dem Treffer bereits verlassen hatten, habe er nicht bemerkt, sagt Giovannini vor der gestrigen Übungseinheit schmunzelnd. «Ich war schon etwas nervös, hoffte auf ein für uns positives Signal des Schiedsrichters.» Aufgeregt war er auch vor dem Match gewesen, nicht aber im Penaltyschiessen. «Ich befand mich in meinem eigenen Film.» Noch vor dem Einschlafen schaute er sich die Highlights der Partie auf dem Laptop an.

 

Stellt sich die Frage, weshalb eigentlich Giovannini sein Können beweisen durfte. Auf dem Matchblatt war Thomas Bäumle aufgeführt gewesen. Krank oder verletzt war dieser nicht; es liegt auf der Hand, wollten die Langnauer den Gegner überraschen. Cheftrainer Alex Reinhard will sich dazu nicht äussern, sagt nur, Giovannini habe eine ansprechende Leistung gezeigt. Der überaus loyale Bäumle, welchem über die ganze Saison hinweg etwas die Konstanz fehlt, spricht gar von einem «starken Auftritt» seines Kollegen. «Ich bin Teil des Teams und akzeptiere meine Rolle», meint die Nummer 1. Wie gut Bäumle die temporäre Degradierung verarbeitet, wird sich zeigen. Vor einigen Wochen wurde offenbar die Rückkehr Jaroslav Hübls in Betracht gezogen, für den Tschechen war zu Saisonbeginn eine Ausländerlizenz gelöst worden. Hübl war im Februar jedoch nicht verfügbar.

 

Der Discount-Goalie

Remo Giovannini ist im Team beliebt, auch mit Bäumle versteht er sich gut. «Wir sind Konkurrenten, keine Rivalen.» Wer im heutigen Heimspiel (19.45 Uhr) zwischen den Pfosten steht, liess sich anhand des gestrigen Trainings nicht eruieren. «Wir werden sehen», meint Giovannini. «Der Trainer hat das Sagen; was der Chef befiehlt, mache ich.»

 

Der wenig erfahrene Goalie stiess erst wenige Tage vor Saisonbeginn von Davos zu den Emmentalern, profitierte nicht zuletzt davon, dass sich Bäumle in der Vorbereitung am Fuss verletzt hatte. Er ist der preisgünstigste Profi bei den SCL Tigers; ohnehin ist er ein bescheidener Typ, der keine Ansprüche stellt. Bevor er in der NLA erstmals von Beginn weg eingesetzt wurde (am 25.Januar gegen Kloten), hatte er 129-mal mit der Rolle des Ersatzgoalies Vorlieb nehmen müssen.

 

Er sei den SCL Tigers dankbar, dass er eine Chance erhalten habe, sich auf höchster Stufe zu beweisen, sagt Giovannini. Sein Vertrag läuft aus; «ich habe nicht vor, mich aus dem Staub zu machen». Mit den Langnauer Verantwortlichen hat es erste Gespräche gegeben. Mit den fünf am Dienstag abgewehrten Penaltys dürften sich seine Aussichten verbessert haben.