Berner Zeitung

«In der NLB sind wir der kleine SCB»

von Philipp Rindlisbacher, Berner Zeitung - Tigers-Verwaltungsratspräsident Peter Jakob gesteht nach dem Abstieg Fehler ein. Der Emmentaler sieht die Existenz des Vereins nicht gefährdet und verspricht: «Wir werden ein schlagkräftiges Team zusammensten stellen.»

Presse • • von Philipp Rindlisbacher

Wie erlebten Sie am Dienstag kurz vor 22 Uhr den Moment, als der Abstieg Tatsache wurde?
Bereits im ersten Drittel sah mein nicht geschultes Eishockeyauge, dass Lausanne besser war. Der Sieg war verdient, daran gibt es nichts zu rütteln. Ich reiste im Fancar nach Hause; die Stimmung war bedrückt, alle waren sich aber einig, dass wir uns im Herbst wieder treffen werden.

 

Die NLB ist nun die Langnauer Realität – wie konnte es so weit kommen?
Solch ein Negativereignis lässt sich nicht anhand von zwei, drei Dingen erklären. Ich werde jetzt sicher nicht einzelnen Personen den Schwarzen Peter zuschieben. Natürlich wurden Fehlentscheide getroffen, wir werden diese intern analysieren. Fakt ist: Wir waren die Schlechtesten in dieser Liga.

 

War es nicht ungeschickt, während der Ligaqualifikation Köbi Kölliker zum Trainer zu ernennen?
Wir wussten, dass wir im Fall des Abstiegs dafür kritisiert werden. Jetzt heisst es, wir hätten auf die falschen Personen gesetzt, zum falschen Zeitpunkt reagiert. Wir konnten quasi nur falsch entscheiden.

 

Weil Kölliker in seiner Funktion als Sportchef einigen Spielern keinen Vertrag für die nächste Saison gegeben hatte, waren längst nicht alle Akteure gut auf ihn zu sprechen.
Ja, das war etwas heikel. Wir standen aber unter Zeitdruck, weil wir bis zuletzt an Alex Reinhard geglaubt hatten. Erst nach der zweiten Niederlage gegen Lausanne wurde der Entscheid gegen ihn gefällt. Einen Trainer über Nacht einzufliegen, erachteten wir nicht als sinnvoll.

 

Man hätte sich ja bereits in den Tagen zuvor um Alternativen kümmern können...
Darüber kann man diskutieren. Wir waren nun mal überzeugt von Alex Reinhard. Ganz falsch lagen wir damit nicht. Gegen Rapperswil trennten uns 54 Sekunden vom Ligaerhalt. Hätten wir diese überstanden, würden wir jetzt nicht miteinander sprechen.

 

Wie oft denken Sie noch an ebendiese 54 Sekunden?
(Überlegt) Für mich sind sie Geschichte. Wir müssen uns gegenseitig stützen, uns Mut machen. Die Welt geht nicht unter, die Sonne scheint in diesen Tagen. Die Wunden werden heilen.

 

Planen Sie auch künftig mit Köbi Kölliker?
Es gibt keinen Grund für einen Wechsel. Was Spieler und Trainer betrifft, haben wir ein leeres Blatt vor uns. Wir brauchen unbedingt Eishockeykompetenz. Kölliker ist Sportchef. Punkt.

 

Wie geht es nun weiter?
Morgen (heute Donnerstag/die Red.) gibt es eine Besprechung mit der Mannschaft. Die Spieler müssen sich für oder gegen die Tigers entscheiden. Wir werden nicht jeden halten können. Für Leistungsträger, die sich zum Klub bekennen, wird es Lösungen geben. In solchen Fällen könnten wir unser NLB-Salärsystem verlassen. Drei, vier Rosinen müssten es sein.

 

Der Verwaltungsrat wird also zusätzliches Geld einschiessen.
Wir gleichen im ablaufenden Geschäftsjahr die Rechnung aus. Mehr liegt nicht drin, ich stosse an Grenzen. Wissen Sie: Langnau geht es im Vergleich mit den anderen B-Klubs ausgezeichnet. Die Catering- und Werberechte liegen beim Verein, Miete muss er nicht zahlen. In der NLB sind wir der kleine SCB. Mit der neuen Infrastruktur lässt sich Geld verdienen – egal in welcher Liga.

 

Hat sich die Hallensanierung finanziell bereits bewährt?
Wir liegen leicht hinter den Erwartungen zurück. Die Tendenzen sind aber gut.

 

In zwei, drei Jahren sollen die SCL Tigers in die NLA zurückkehren. Wie lange liesse es sich auf zweithöchster Stufe leben?
Wenn seriös gearbeitet wird, brauchen wir keine Existenzängste zu haben. Wir wollen den Sponsoren glaubhaft machen, dass wir ambitioniert in die Zukunft blicken. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass uns viele Partner treu bleiben werden. Wir erstellen in den nächsten Tagen Budgetvarianten. Vielleicht werden wir 1000 Fans pro Partie verlieren. Die Langnauer haben zuletzt viele Niederlagen gesehen, allenfalls kommt in der NLB die Freude zurück.

 

Diverse ungültig gewordene Spielerverträge waren viel zu hoch dotiert. Ist der Abstieg eine Chance, den Weg der Vernunft einzuschlagen?
Diesbezüglich bietet sich uns eine grosse Chance. Wir können aus Fehlern lernen. Die Lohnkosten werden sich deutlich verringern; ein NLB-Salär kann sich gegenüber einem NLA-Salär um rund die Hälfte reduzieren. Aber wie gesagt, wir werden Ausnahmen machen. Wir werden ein schlagkräftiges Team zusammenstellen.

 

War es fahrlässig, mit den Spielern Verträge abzuschliessen, die nur in der NLA Gültigkeit haben?
Was die Kaderplanung betrifft, stehen wir vor einer riesigen Baustelle. Aber diese Verträge waren für uns auch ein Schutz. Stellen Sie sich vor, wir müssten den Spielern in der NLB den gleichen Lohn zahlen wie zuletzt. Das würden wir nicht überleben.

 

Thomas Nüssli und Sandro Moggi alberten am Dienstag nach dem Schlusspfiff mit Lausannes Oliver Setzinger herum. Haben Sie diese Bilder gesehen?
Nein, aber ein Bekannter hat es mir gesagt. Ich finde das schlimm. Das verdeutlicht die Einstellung des Einzelnen. In der NLB brauchen wir vor allem charakterstarke Spieler.

 

Nicht nur auf dem Eis, auch daneben verlief die Saison turbulent. Sie mussten Entlassungen und Freistellungen aussprechen. Hat Ihnen das zugesetzt?
Sehr sogar. «Hire und Fire» kenne ich nicht in meiner Unternehmung. Bei uns (Jakobs Drahtseil-Firma/die Red.) beschwert sich jeden Tag ein Kunde; läuft es den SCL Tigers nicht nach Wunsch, beschweren sich 5500 Kunden im Stadion. Der Druck ist gross. Entlassungen sind immer menschliche Tragödien.

 

Mit Ex-Trainer John Fust dürften Sie kein Mitleid haben. Sind Sie enttäuscht von ihm?
(Überlegt) Ja, doch ja.

 

Fust schlug ein Angebot als U-20-Nationaltrainer aus, pochte auf seinen bis 2015 gültigen NLA-Vertrag. Damit hat er rückblickend ein Eigentor geschossen.
Das wird jetzt genau zu klären sein. Ich denke, es wird um ein paar Punkte Diskussionen geben. Ins Detail mag ich nicht gehen, seine Entourage wird aber sicher für den Vertrag kämpfen.

 

Ambri soll sich wieder einmal in finanziellen Nöten befinden und um die NLA-Lizenz bangen.
Es wird kaum etwas passieren. Ich verfolge den Fall Ambri nicht im Detail. Gewisse Vorgehensweisen frustrieren mich aber. Wir erledigen unsere Hausaufgaben, geben nicht zu viel aus und werden dafür sogar kritisiert. Es hiess, wir sparen den Klub zu Tode. Andere geben Geld nach Lust und Laune aus. Das war bei Kloten auch so. Vielleicht ist es nötig, dass einmal ein Verein kollabiert. Das wäre ein Denkzettel.

 

Haben Sie in den letzten Wochen einmal bereut, dass Sie sich bei den SCL Tigers engagieren?
Es gibt viele Projekte, ich denke etwa an ein zweites Eisfeld. Ich höre jetzt sicher nicht auf.

 

Gedankenspiele mit Tamfal und Gerber

Tag 1 nach dem Abstieg war für die SCL Tigers Tag 1 in der NLB. Für Frustbewältigung und Ferien bleibt den Verantwortlichen keine Zeit, müssen sie doch schnellstmöglich ein konkurrenzfähiges Team zusammenstellen. Sämtliche Verträge verloren ihre Gültigkeit; die Transfers von Nicholas Steiner (Verteidiger), Fabian Lüthi (Stürmer), Anton Gustafsson (Stürmer), Caryl Neuenschwander (Stürmer) und dem Franzosen Kevin Hecquefeuille (Verteidiger) sind Makulatur. Ob sich das Quintett den Langnauern anschliessen wird, ist ungewiss.



Köbi Kölliker und Geschäftsführer Wolfgang Schickli werden die Kaderplanung vornehmen, Verwaltungsrat Karl Brügger – er gehört der neu geschaffenen Sportkommission an – wird das Duo beraten. Auf der Hand liegt, dass Simon Moser den Verein verlassen wird. Der Nationalspieler liebäugelt mit einer Teilnahme an den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi und will daher auf höchster Stufe spielen. Die Tigers setzen sich weiterhin für die Verpflichtung Martin Gerbers (38) ein, bieten dem Goalie eine Perspektive abseits des Eises. Schickli spricht von einem «nicht aussichtslosen Unterfangen».



Klar ist, dass Kölliker künftig nicht mehr an der Bande stehen wird. Gesucht wird ein Coach, der Erfahrungen im Nachwuchsbereich aufweisen kann. Ein Kandidat ist Tomas Tamfal, der Tscheche wurde im Februar in Kloten entlassen. Dem Vernehmen nach lehnte er unlängst das Angebot ab, künftig die Elitejunioren des SCB zu betreuen.