John Fust: «Die nächste Saison wird ein grosses Examen für uns»

Die SCL Tigers bleiben eine NLA-Mannschaft. Bei Headcoach John Fust dreht sich schon wieder sehr vieles um die nächste Saison in der höchsten Spielklasse, der bereits 15. in Serie.

Presse • • von Wochen-Zeitung, Werner Haller

John Fust, «Ende gut, alles gut» – trifft dieses Sprichwort auf die abgelaufene Meisterschaft zu?


John Fust: Nein, das ist mir doch etwas zu einfach. Zugegeben, aus verschiedenen Gründen nahm die Saison bis Weihnachten nicht den erhofften Verlauf. Aber wir haben richtig reagiert, holten aus den letzten 17 Spielen sogar noch einen Punkt mehr als der SCB und sicherten uns gegen Ambri den Ligaverbleib. Gesamthaft betrachtet haben wir mehr richtig als falsch gemacht. Deshalb wehre ich mich auch dagegen, nur von einer schlechten Saison zu sprechen.

 


Vor der Saison brauchten Sie zur Formulierung des Hauptzieles lediglich zwei Worte: «Besser werden». Sind die SCL Tigers trotz Playout statt Playoff besser geworden?


Ja, vorausgesetzt wir ziehen die Konsequenzen, korrigieren und nehmen das Positive mit in die nächste Saison. Unsere Führung, Alex Reinhard und ich haben eine Vision. Aber die lässt sich nicht von einem Tag auf den andern realisieren. Im Sport ist es wie im Leben und wie allen Berufen: Der Weg zum Erfolg ist ganz selten direkt. Er führt über Umwege wie Niederlagen, über Schritte vor- und Schritte rückwärts. Wer das Vertrauen in seine Vision nicht verliert, geduldig bleibt und nicht aufgibt, der wird früher oder später an seinem Ziel ankommen. Ich habe mir viele Gedanken über diese Saison gemacht und bin zum Schluss gekommen, dass sie uns für die Zukunft stärken macht.

 


Wegen den positiven und negativen Erfahrungen, die in den letzten zwei Saisons auf dem Weg ins Playoff und Playout gemacht wurden?


Wir haben sehr viel erlebt und jeder Einzelne sollte jetzt wissen, was getan werden muss um mehr Spiele zu gewinnen als zu verlieren. Nun geht es in erster Linie darum, die gemachten Erfahrungen in die richtige, in die positive Richtung umsetzen. Das ist nicht leicht, aber machbar. So gesehen wird die nächste Saison ein grosses Examen für uns alle.


Im Moment figurieren 21 Spieler im Kader für nächste Saison – bei nicht weniger als 15 läuft der Vertrag in einem Jahr aus. Die Verantwortung für sich selbst, gleichzeitig aber auch für die Mannschaft ist überdurchschnittlich gross.


Ich habs ja gesagt, die nächste Saison wird zu einer grossen Bewährungsprobe. Jeder stellt seine Weichen für die Zukunft selbst – mit seiner Leistung, seinem Einsatz, seiner Einstellung und anderem mehr. Gratis, wenn man das überspitzt sagen will, gibt’s bei den SCL Tigers nichts mehr.


Die Situation mit den vielen auslaufenden Verträgen ist für das Management kein Nachteil.


Nein, im Gegenteil. Der Spielraum bei der Kaderbildung ist grösser, man ist flexibler. Und man darf eines nicht vergessen: Die Adresse der SCL Tigers hat sich unter der jetzigen Führung im positiven Sinn verändert. Der Respekt der Eishockey-Schweiz uns gegenüber ist gestiegen und wir sind auch für einen grösseren Kreis von Spielern interessant geworden. Wir sind nicht mehr der Klub, der einfach erhält, was auf dem Transfermarkt noch übrigbleibt. Wir haben einen Kern von jungen Schweizern Spielern, die uns bei einer positiven Weiterentwicklung vorwärts bringen werden. Dazu kommen Ausländer, die sich restlos in den Dienst der Mannschaft stellen und ihr mit ihren Führungsqualitäten helfen.


Im Verlauf der beiden letzten Saisons war unschwer zu erkennen, dass der Umgang mit Erfolg und Misserfolg und dem damit verbundenen Druck nicht jedem Spieler wunschgemäss gelang. Was unternehmen Sie dagegen?


Wir werden mit jedem einzelnen Spieler intensive Gespräche führen. Wir wollen und müssen wissen, aus welchen Gründen ein Spieler mentale Probleme hat und deshalb nicht regelmässig sein effektiv vorhandenes Leistungspotenzial ausschöpft. Wir wollen erfahren, was ihm gefällt und was nicht. Es muss sich auch keiner scheuen, die Arbeit der Trainer zu hinterfragen. Das erfordert von allen Beteiligten harte Fragen, andererseits aber auch sehr, sehr ehrliche Antworten. Trainer, Spieler, Mannschaft – alle müssen die Karten offen auf den Tisch legen. So können die nötigen Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden – Lehren, die die Mannschaft weiterbringen.


Der Wandel der SCL Tigers von Verlierern zu Siegern
Die Saison der SCL Tigers war ganz klar zweigeteilt. Bis Mitte Dezember gehörten die Emmentaler zu den grossen Verlierern. Mit nur zehn Siegen in 33 Spielen waren ihre Playoffchancen schon früh-zeitig auf den Nullpunkt gesunken. Aus der Länderspielpause kurz vor Weihnachten kehrten sie jedoch als Sieger in die Meisterschaft zurück. Sie gewannen, das Playout mitgerechnet, zwölf der letzten 21 Spiele und sicherten sich gegen Ambri mit 4:0-Siegen souverän den Ligaerhalt. Entscheidend für die Wende war, dass die Teamverantwortlichen auf das Verletzungspech und den damit verbundenen Substanzverlust richtig reagierten. Mitte November wurde die reine Schweizer Verteidigung mit dem Kanadier Mark Popovic verstärkt und ab Mitte Dezember verschärften der Kanada-Schweizer Paul DiPietro (von Sierre) und der Tscheche Vojtech Polak (von Kloten) den Konkurrenzkampf im Angriff und unter den Ausländern. «Die Mannschaft hatte nun eine Hierarchie und die richtige Mischung, die man für den Erfolg ganz einfach benötigt», nennt John Fust zwei der Hauptgründe für den Umschwung. Die Leistungshierarchie kommt auch in den Zahlen der letzten 21 Spiele deutlich zum Ausdruck. Torhüter Robert Esche steigerte sich auf eine Abwehrquote von 91,7 Prozent und einen Gegentordurchschnitt von 2,38, Urban Leimbacher auf 91,2 und 3,22. Pascal Pelletier (6 Tore/17 Assists/23 Punkte/positive Plus-/Minusbilanz mit +11), Kurtis McLean (8/14/22/+12) und Paul DiPietro (7/7/14/+8) bildeten die so lange vermisste Leaderlinie. Mark Popovic (2/10/12/+9) war der Abwehrchef und die drei Mittelstürmer Claudio Moggi (3/3/6/+4), Lukas Haas (4/9/12/-4) und Adrian Gerber (3/2/5/-2) stabilisierten in den letzten 21 Spielen die Schweizer Blöcke.