Was lernen wir aus dem «Fall Neuenburg»?

Lizenzverfahren abschaffen!

Wen interessiert hierzulande die Meldung, dass sich die Young Sprinters aus Neuenburg während der laufenden Saison aus der Meisterschaft zurück ziehen? Den Eishockeybanausen des Internetportals «Blick online» ist die Meldung keinen Buchstaben wert. Wenigstens hauchten dem sonst scheintoten Forum von «hockeyfans.ch» im Unterforum zur NLB ganze 15 Beiträge wieder etwas Leben ein. Soviel zum Interesse der Allgemeinheit. Aber zumindest die Generäle des Verbandes sollten sich über den Fall vertieft Gedanken machen.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Um die Lizenz zu erhalten, müssen die einzelnen Klubs ihre Zahlen und Budgets einreichen. Genügen die Kennzahlen den Richtlinien des Verbandes, wird die Lizenz erteilt. Andernfalls wird sie verweigert, oder die Erteilung ist an Auflagen gebunden. Soweit so gut! Nur: Der Verband hat keine Möglichkeit, die eingereichten Zahlen einer genauen Prüfung zu unterziehen. Deshalb sind Mauscheleien und Manipulationen Tür und Tor geöffnet. Die Arbeitnehmer (Spieler, Staff, Verwaltung), die Lieferanten und die Partner (Sponsoren etc.) wähnen sich in falscher Sicherheit. Wie im Fall Neuenburg, wo offenbar nicht einmal die Löhne gesichert sind.

Agenten vertreten die Interessen der Spieler (und ihre eigenen). Sie holen bei den Klubs das Bestmögliche für ihre Kunden heraus. Ausser dem SCB macht in der National League kaum je ein Klub Gewinn. Was erwirtschaftet wird, fliesst nicht zuletzt dank der erfolgreichen Arbeit der Agenten in die Taschen der Arbeitnehmer. Die Manager von Klubs wie Ambri, Langnau, Genf, Fribourg, Rapperswil etc. befinden sich auf einer ständigen Gratwanderung zwischen sportlichem und finanziellem Abgrund, ohne die Möglichkeit zu haben, Reserven bilden zu können. Zumindest, wenn sie den Ligaerhalt nicht aufs Spiel setzen wollen. Der HC Lausanne hat diese Gratwanderung mit dem Sturz in die NLB bezahlt, genauso wie der EHC Basel. Der EHC Chur tauchte von der NLA gleich in die 1. Liga. Martigny und jetzt Neuenburg zogen sich aus laufenden Meisterschaften zurück. Alles nur Schicksal?

Nein, das ist nicht Schicksal. Liebe Gewaltige des Verbandes, hört auf mit der dämlichen Lizenzvergabe. Der Konkursrichter regelt diese Angelegenheiten zur Genüge. Wer nicht bezahlen kann, und wer seine Ressourcen über Gebühr verschleudert, wird durch den Konkurs gestoppt, aus dem Verkehr gezogen, aus den Registern gelöscht. Wer, wie der Verband, die Bücher nicht prüfen kann, aber aufgrund von eingereichten Zahlen Lizenzen vergibt, täuscht falsche Sicherheiten vor. Und dies ist fatal!

Ohne Lizenzverfahren wären die Agenten gefordert. Ihr Dienstleistungsangebot müsste ausgeweitet werden. Sie müssten Verantwortung übernehmen dafür, dass die Klubs, zu denen sie ihre Spieler vermitteln, auch bezahlen können. Ein Agent, der die Möglichkeiten der Klubs nicht im Auge behalten und überprüfen würde, wäre schnell weg vom Fenster. Schnell würde den Agenten klar, dass es in Niemandes Interesse liegen kann, wenn die Klubs keinerlei Reserven haben und finanziell ausgeblutet werden. Im Gegenteil! Sowohl die Spieler, wie auch die Zuschauer und die Sponsoren möchten gerne Sicherheit, dass der Klub, in den sie investieren, für den sie sich engagieren oder für den sie arbeiten, seine Versprechen halten kann.

Der Fall Neuenburg ist ein Witz! Er führt die Bemühungen des Verbandes ad absurdum. Es ist höchste Zeit, die Lizenzvergabe abzuschaffen, und nur die sportliche Leistung darüber entscheiden zu lassen, wo ein Klub spielt. Ob der Klub spielen darf, entscheidet im Notfall der Konkursrichter. Die SCL Tigers hätten die Saison 09/10 wohl nicht überstanden, hätten sie ihre Bilanz nicht saniert. Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, brauchten sie den Verband nicht.