Slapshot, Klaus Zaugg

Mit Gotthelfs Prinzipien wieder in die NLA aufsteigen

Was läuft eigentlich in Langnau? Es gibt tiefe Nacht, tiefen Schlaf, tiefen Sommer und tiefen Frieden.

Presse •

 

Ja, tiefer Friede ist das, was wir in diesen Tagen rund um die SCL Tigers haben. Seit Menschengedenken ging beim Hockeyunternehmen im Gotthelf-Land nie mehr alles so gelassen, ruhig und friedlich seinen Gang. Harmonie von oben bis unten. Von Präsident Peter Jakob über Manager Roland Wyss, Trainer Bengt-Ake Gustafsson und Sportchef Jörg Reber bis hinunter zu den Spielern und Fans. Es gibt keine sportlichen und wirtschaftlichen Sorgen mehr. Die SCL Tigers haben zum ersten Mal seit dem Wiederaufstieg von 1998 schwarze Zahlen erwirtschaftet. Die wohlbestallte Männerrunde um Präsident Peter Jakob, die jeweils per Ende Saison diskret das Defizit aus eigenem Sack auszugleichen pflegte, musste das Portemonnaie nicht hervorkramen.

 

Nichts zeigt die neue Sorglosigkeit besser als Gemeindepräsident Bernhard Anteners Sommerprogramm. Er ist stets um das Hockeyunternehmen besorgt, das ja auch den Kredit abstottern muss, den die Gemeinde im Herbst 2010 gewährt hat. Nun hat Antener im Sommer mit seiner Gattin Ruth den Kilimandscharo, den höchsten Berg Afrikas bestiegen. In der Vergangenheit war es für Langnaus grosser Vorsitzenden undenkbar, im Sommer nach Afrika zu reisen und dem Tiger nicht zum Auge zu schauen.

 

Ich bin in diesen Tagen allenthalben ermahnt worden, positiv zu schreiben und nur zu rühmen. Es läuft in Langnau vor der zweiten NLB-Saison offensichtlich alles wunderbar. Wie ist das möglich? Was ist passiert? Nun, die SCL Tigers segeln nach den wilden Jahren der Errettung vor dem Konkurs, der einzigen NLA-Playoffs, der Stadionsanierung für 30 Millionen Franken, des Abstieges und des anschliessenden Neuaufbaus endlich wieder in ruhigen Gewässern. Sie leben in endlich in geordneten und stabilen Verhältnissen. Es sind mehr als 3000 Saisonkarten verkauft worden. Das Budget beträgt gut und gerne 8 Millionen Franken (das grösste in der NLB) und die Transferkriegs-Kasse ist wiederum so gut gefüllt, dass im Laufe der Saison nachgerüstet werden kann. Langnau ist erstmals seit Menschengedenken nicht Aussenseiter und auch nicht gehetzter Favorit. Sondern ein in sich selbst ruhender, mächtiger und reicher Titan der NLB.

 

Kein Wunder also, wird gerühmt wie seit Jahren nicht mehr. Man habe die Lehren aus der Finalniederlage gegen Visp gezogen. Jeder wolle zuerst die Qualifikation und dann den NLB-Titel gewinnen und schliesslich aufsteigen.

 

Ach, ginge dieser wunderbare Eishockey-Spätsommer im Emmental doch nie zu Ende. Aber niemand weiss besser als die Emmentaler, dass dieser Friede trügerisch sein kann. Im Lande der schwarzen Spinne und wilden Wasser (die das Dorf Langnau in diesem Sommer wunderbarerweise verschont haben) ist jedem klar, dass die Hockey-Teufel nie schlafen. Aber es ist jetzt schwierig, Gründe zur Sorge zu finden. Der neue Manager Roland Wyss ist „chummlig, zinnchömig u gäbig“ und kein unbequemer Querkopf wie sein Vorgänger Wolfgang Schickli. Der ruhige Trainer Bengt-Ake Gustafsson passt zur bedächtigen Mentalität der Emmentaler. Inzwischen ist der ehemalige Kultverteidiger Jörg Reber vom Nachwuchs- zum Sportchef befördert geworden. Damit ist das Chaos auch im sportlichen Führungsbereich aufgeräumt. Die SCL Tigers haben viel offensives Talent. Die ausgeglichene Mannschaft ist besser als vor einem Jahr. Die Abgänge (Nicholas Steiner, Phlipp Rytz in der Verteidigung, Raphael Kuonen im Sturm) sind mehr oder weniger kompensiert. Teils mit eigenen Junioren, teils mit Neuzuzügen (Sven Lindemann, Yves Müller, Thomas Nüssli). Die Ausländer (Kevin Hecquefeuille und Chris DiDomenico) haben sich bereits letzte Saison bewährt und gehören zu den besten der Liga. Die Mannschaft hat wahrscheinlich nur eine Schwachstelle: Niemand weiss, wie gut die beiden Torhüter Damiano Ciaccio (neu, von La Chaux-de-Fonds) und Lorenzo Croce wirklich sind. Während der Qualifikation werden sie nur in einzelnen Spielen gefordert werden. Entscheidend wird sein, ob einer der beiden dazu in der Lage sein wird, im nächsten Frühjahr einzelne Partien zu gewinnen. Die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Teams wird sich so oder so erst in den Playoffs offenbaren. Deshalb wird diese Saison ein gespanntes, banges Warten auf die Tage der Wahrheit und der Entscheidung in den Playoffs.

 

Natürlich sagen alle, dass man aufsteigen wolle und für die Playoffs parat sein werde. Aber tief im Herzen wird es ein wenig anders sein. Warum aufsteigen, wenn es einem in der NLB doch so wohl ist? Warum sich in der NLA dem wirtschaftlichen und sportlichen Existenzkampf aussetzen, wenn es einem in der NLB so viel „ringer“ (= leichter) geht? Und wenn wir dann verbal noch ein wenig gegen das Fell der Selbstzufriedenheit bürsten, wird da und dort dann doch gemurrt, man hätte den Playoffinal einfach nicht verlieren dürfen. Lukas Haas, Claudio und Sandro Moggi seien halt doch bloss föhnfrisierte Schönwetterleitwölfe. Und wenn dann gar fabuliert wird, man habe im Sommer so hart trainiert wie noch nie, dann dürfen wir das ohne Bosheit als baren Unsinn bezeichnen. Wir müssten ja sonst fragen: Was haben denn die Langnauer früher im Sommer gemacht?

 

Wir wollen nun nicht weiter grübeln. Bei aller Skepsis deutet vieles darauf hin, dass es gelingen wird, nach oben und nach unten Mass zu halten. Eigentlich ist es ja ganz einfach. Die Langnauer müssen sich bloss an ihre kulturellen Wurzeln erinnern und die Gotthelf-Prinzipien im Hockeybusiness anwenden. In den letzten Jahren ging bei den SCL Tigers vieles schief, weil man Gotthelf vergessen hatte. Der grosse Dichterfürst hat vor mehr als 150 Jahren Führungs- und Verhaltens-Leitsätze für Bauern und Knechte (und eigentlich auch für Gemeinepräsidenten und Gemeinderäte) aufgestellt, die heute mehr denn je Gültigkeit haben. Diese Gotthelf-Prinzipien sind im Buch „Gotthelf Lesen“ zusammengefasst und lauten, leicht an das Hockey-Business des 21. Jahrhunderts angepast, so:

 

1. Tue deine Arbeit gut und liebe sie. Strenge dich an, sie richtig zu machen.

2. Sei sauber, trage Sorge zu deiner Ausrüstung.

3. Gib weniger aus, als du einnimmst

4. Vertraue deinem Trainer.

5. Lass dich nicht gegen deinen Trainer „aufreisen“ (= aufhetzen). Hüte dich vor Intriganten.

6. Sei gegenüber deinem Trainer treu, missbrauche sein Vertrauen nicht

7. Meide Lustbarkeiten, vor allem die Wirtshäuser. Du wirst dort zum Trinken und Jassen verleitet und kommst in schlechte Gesellschaft.

8. Lass dir nicht schmeicheln.

9. Meide die Gesellschaft von haltlosen Menschen.

10. Seit nicht geizig.

11. Spare bei guten Spielern nicht am Lohn.

12. Traue keinem Müller, Wirt und Weinhändler, weder dem Verband noch der Regierung, schon gar nicht irgendwelchen Advokaten, Spieleragenten, Journalisten, Gerichtsvollziehern und Richtern.

13. Lerne, mit Geld umzugehen und gewöhne dich allmählich an Reichtum.

14. Führe keine Prozesse.

15. Hör auf deine Frau

 

Da bleibt nur mir noch zu sagen: Wenn sich die Langnauer mehr von Gotthelfs als von Hans Grunders Prinzipien leiten lassen dann ist der Aufstieg möglich. Wobei ich anmerken möchte, dass Grunders Hans viel Gutes getan hat. Aber ein Gotthelf des 21. Jahrhunderts ist er halt nicht.