Nach dem Olympia-Aus Deutschlands: «Eishockey-Schande»

Trotz einem 3:2-Sieg nach Verlängerung gegen Österreich konnte das deutsche Nationalteam ein historisches Olympia-Debakel nicht verhindern. Erstmals seit 1948 finden Olympische Winterspiele ohne die deutschen Männer statt. Ein Blick auf die Reaktionen.

Presse • • von Neue Zürcher Zeitung, egb

Für den Siegtorschützen Patrick Reimer war es die «grösste Enttäuschung» seiner Karriere. Sein 3:2 in der Overtime war am Ende bedeutungslos. «Es ist hart, das zu akzeptieren. Es sah heute die ganze Zeit so aus, als würden wir es schaffen. Am Ende stehen wir aber dennoch mit leeren Händen da», sagte der Bundestrainer Pat Cortina. Er ist zwar der erste deutsche Nationalcoach, der ein Scheitern in einer Qualifikation zu verantworten hat, soll jedoch im Amt bleiben.

 

Cortina hatte erst letztes Jahr einen Dreijahresvertrag mit dem Deutschen Eishockey-Bund (DEB) unterzeichnet. Eine Garantie für die Erfüllung des Vertrags wollte der DEB-Präsident Uwe Harnos indessen nicht abgeben: «Vom Grundsatz her ist es ein Dreijahresvertrag. Warten wir die Weltmeisterschaft im Mai ab», sagte er nach dem Spiel mit ernster Miene.

 

«Grosser Imageschaden»

«Die Nichtqualifikation ist ein grosser Image-Schaden für das deutsche Eishockey, denn Olympia ist die grösste Bühne, auf der man sich präsentieren kann», sagte Christian Ehrhoff, der bei den Buffalo Sabres in der NHL spielt und wegen dieses Engagements nicht Teil des Teams war, das sich mit diesem Ergebnis mit negativer Konnotation in den Geschichtsbüchern verewigt hat.

 

Der Nationalcoach kann nun nur eines tun: auf eine erfolgreichere WM im Mai und damit eine Weiterbeschäftigung hoffen. Cortina wies darauf hin, dass die Resultate an der WM die Weltrangliste beeinflussen. «Und wenn wir in der Weltrangliste besser dagestanden hätten, dann hätten wir uns diese Qualifikation ersparen können.»

 

Schwierige Verhandlungen ums Geld

Die Olympia-Pleite gibt allen Verantwortlichen zu denken. Der DEB-Generalsekretär Franz Reindl sagte: «Bei Olympia musst du dabei sein, sonst bist du keine richtige Sportart.» Harnos machte auf die wirtschaftlichen Konsequenzen des Scheiterns aufmerksam: «Die Olympischen Spiele sind die grosse Bühne, dort hast du weltweite Präsenz. Das hätte Verhandlungen leichter gemacht.» Dem DEB drohen Kürzungen der ohnehin nicht allzu reichlich fliessenden Mittel, beispielsweise jene der öffentlichen Hand. Die zuletzt für ein Jahr ausbezahlten rund 500 000 Euro des Innenministeriums werden in den kommenden Zielvereinbarungen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund zur Debatte stehen.

 

Die Boulevardzeitung «Bild» findet gewohnt markige Worte. Unter dem Titel «Eishockey-Schande» schreibt sie unter Verwendung der in ihrem Genre üblichen Ausrufezeichen: «Das ist der absolute Tiefpunkt im deutschen Eishockey! Sotschi 2014 ohne uns!»

 

«Ist Cortina der richtige Trainer?»

Die «Süddeutsche Zeitung» sieht die Nationalmannschaft «durchgefallen beim Charaktertest». Sie stellt Fragen: «Ist Cortina der richtige Trainer? Darf er seinen bis 2015 geltenden Vertrag erfüllen, der ihn von der kommenden Saison an zum Trainer und Sportdirektor befördert?» Sie zieht unerwartete Vergleiche: «Cortina muss sich angesichts der Diskussion in den Tagen von Bietigheim vorgekommen sein wie ein Genealoge, der sich Ast für Ast den eigenen Stammbaum hinunterhangelt. Es war eine Diskussion, die er zu seinem Amtsantritt im September selbst angestossen hatte, als er sagte, die Mannschaft müsse ihre deutschen Tugenden pflegen, Ordnung, Disziplin.» Und die Zeitung zieht das ernüchternde Fazit: «Die DEB-Frauen hatten sich am Freitag in Weiden nach Siegen gegen China und Tschechien vorzeitig qualifiziert. Den Männern bleibt nur die Rolle als Zuschauer. Eine Identität, die vor zwei Jahren unter Cortinas Vorvorgänger Uwe Krupp niemand für möglich gehalten hätte.»

 

Der Kommentator des Fachportals www.eishockey.info schreibt: «Welche Folgen wird dieses Scheitern für den Sport haben? Gravierende – so viel ist jetzt schon sicher. An einer Olympia-Qualifikation hängen Fördergelder für den Nachwuchs, Fernsehzeiten, Aufmerksamkeit für den Sport, Vermarktungsmöglichkeiten und wichtige Impulse für ein Image. All das haben die Männer von Pat Cortina am Wochenende verloren. Das ist deprimierend, wo doch gerade Konzepte und Ideen für eine verbesserte Nachwuchsarbeit umgesetzt werden. Wo doch gerade auf die WM 2017 im eigenen Land hingearbeitet wird und Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gerade jetzt wichtig wäre.»

 

«Am Boden»

So bleibt der Sportzeitung «Kicker» nur das ebenso kurze wie schmerzhafte und treffende Fazit, nur wenige Jahre nach dem vierten Platz bei der Heim-WM liege das deutsche Eishockey nun «am Boden und sehe schweren Zeiten entgegen».