NHL-Lockout – es hat sich für unser Hockey gelohnt

von Klaus Zaugg - Der NHL-Lockout war das Beste, was unserem Eishockey passieren konnte. Die NLA wurde aufgewertet, ohne dass die Meisterschaft verfälscht worden wäre.

Presse • • von 20 Minuten online, Klaus Zaugg

Im Fussball gibt es viele wichtige Ligen, die wirtschaftlich und sportlich auf gleicher Höhe stehen: Zum Beispiel die Bundesliga, die Premier League, die Serie A, die Ligue 1 oder die Primera División. Im Eishockey gibt es hingegen nur eine einzige Liga, die über allen anderen steht, am meisten Geld umsetzt und die besten Spieler der Welt alle unter Vertrag hat: Die National Hockey League, kurz NHL genannt.

 

Die NHL nimmt den Spielbetrieb erst in ein paar Tagen auf. Viele Stars haben die Wartezeit auf den Saisonstart in unserer NLA verbracht. Etwas Besseres konnte unserem Hockey gar nicht passieren. Und zwar gleich aus mehreren Gründen.

 

Erstens: So viel Aufmerksamkeit hatte unsere höchste Spielklasse in Nordamerika noch nie. Selbst die Hockeybibel «The Hockey News» widmete unserer NLA mehrseitige Storys. Das kanadische «Dream Team» bescherte dem Spengler Cup einen weiteren Popularitätsschub in Kanada. Hätte unser Hockey diese Medienpräsenz auf dem Werbemarkt kaufen müssen, wäre dafür ein hoher zweistelliger Millionenbetrag notwendig gewesen.

 

Zweitens: Die Kosten für das Gastspiel der NHL-Stars halten sich im Rahmen. Gewiss: Niemand konnte seine NHL-Stars über die Zuschauereinnahmen oder den Fanartikel-Verkauf finanzieren. Aber tatsächlich ist es gelungen, den grössten Teil des Geldes ausserhalb der ordentlichen Budgets zu finden. Gönner, die für ordentliche Aufwendungen nur ungern den Geldbeutel öffnen, waren bereit, viel Geld auszugeben. Um es salopp zu sagen: Wenn die Ehefrau zu Hause eine neue Waschmaschine möchte, so reagiert der Mann unwillig. Wenn aber seine neue Freundin fragt, ob es nicht an der Zeit für Ferien in Las Vegas wäre, wird er noch so begeistert die Kreditkarte zücken und zu Hause fabulieren, er müsse wegen eines Kongresses nach Amerika. NHL-Stars zu alimentieren und dann mit der Nähe zu den Weltstars angeben zu können, war ganz einfach sehr viel aufregender, als den alljährlichen Beitrag zur Deckung des Defizites einzuzahlen.

 

Drittens: Die Meisterschaft ist nicht verfälscht worden. Die Reichen und Cleveren hatten die besseren NHL-Stars – so wie die Reichen und Cleveren halt auch die besseren Schweizer Spieler haben. Alle hatten eine Chance und gerade Biel hat bewiesen, dass auch die kleinen Weltstars haben konnten (Tyler Seguin, Patrick Kane). Sehr viele Klubs haben ihren Fans Erinnerungen fürs ganze Leben beschert. Und nun werden die Reichen und Cleveren mit der Situation nach der Abreise der NHL-Stars halt besser umgehen können als jene, die etwas weniger reich und clever sind.

 

Viertens: Die Sportchefs haben jetzt bis zum Transferschluss am 15. Februar Zeit, Ersatzausländer zu finden. Die Unterhaltung wird vorzüglich sein. Ein Spieleragent, dessen Namen mir soeben entfallen ist und der in seinem Sortiment viele Ladenhüter hat, sagte mir gestern: «Wenn die NHL-Saison abgesagt worden wäre, dann wäre ich nur noch Mickey Mouse. Aber nun wird in der NHL wieder gespielt und ich bin Superman!» Er wird gute Geschäfte machen. Hier noch ein Tipp: Zug sollte alles daran setzen, um als Ersatz für Henrik Zetterberg den Kanadier Jeff Tambellini aus Nordamerika zurückzuholen. Primär aus sportlichen Gründen. Aber auch wegen des kurzweiligen Theaters, das es mit dem bisherigen Arbeitgeber, den ZSC Lions, geben würde.

 

Fünftens: Unsere NLA ist aufgewertet worden. Die NHL ist so fern und so selten im öffentlich-rechtlichen TV zu sehen, dass um diese wichtigste Liga der Welt ein Mythos entstanden ist. Nun haben die Zuschauer wochenlang diese «Ausserirdischen» im heimischen Stadion gesehen und miterlebt, dass auch NHL-Superstars nur mit Wasser kochen. Die NHL ist zwar unendlich grösser und mächtiger als unsere NLA. Aber das NHL-Eishockey ist eben hockeytechnisch nicht so viel besser wie «NHL-Verehrer» immer wieder fabulieren oder die Nordamerikaner glauben. Ein Urteil, das ich mir nach über 200 NHL-Partien vor Ort im Stadion wieder einmal erlaube. NHL-Eishockey ist anders, intensiver, härter, gnadenloser, unerbittlich auf Leistung programmiert und die Saison in Nordamerika ein «Überlebenskampf», den nicht alle durchstehen. Aber mit sportlicher Qualität hat das wenig zu tun.

 

Sechstens: Der NHL-Lockout erleichtert Damien Brunner den NHL-Start. Er hat in Zug mit Detroits Center Henrik Zetterberg bestens harmoniert und Detroits Coach Mike Babcock wird Brunner zum Auftakt eine Chance neben Zetterberg geben.
 


Siebtens:
Der Lockout schadet der NHL viel weniger als immer wieder behauptet worden ist. In Kanada und in den traditionellen Hockeymärkten in den USA wird das Hockeygeschäft sofort wieder rocken und rollen. Und in den US-Standorten, wo die NHL schon immer Probleme hatte, werden die Probleme bleiben.

 

Achtens: Sportlich dürfen wir uns auf die intensivste, spannendste und beste «Regular Season» seit Jahren freuen: In nur halb so vielen Partien wie üblich werden unter 30 Teams 16 Playoff-Plätze ausgespielt. Das führt bereits in der Qualifikation zu Playoff-Intensität.

 

Amerika tickt anders. So wie im Streit um die Fiskalklippe in der Politik im letzten Augenblick doch noch eine Einigung erzielt worden ist, so haben sich die NHL und die Spielergewerkschaft in einem bizarren Arbeitskampf im allerletzten Augenblick geeinigt. Es wäre überhaupt kein Problem gewesen, die jetzt erzielte Einigung schon im Sommer zu erreichen. Aber es ging um Egos, um Geld, um Prestige. Amerika tickt eben anders. Um es salopp zu sagen: Die Dummheit und Arroganz der Liga- und Gewerkschaftsvertreter, der Superstars und der Klubbesitzer hat unserem Eishockey vier wunderbare Monate beschert, an die wir uns noch in zehn Jahren erinnern werden. Der NHL-Lockout hat sich für unser Hockey gelohnt.