Wochen-Zeitung

Playoff, Playout, Ligaquali, Abstieg

Es gibt kein Wenn und auch kein Aber. Der Abstieg der SCL Tigers aus der Nationalliga A ist einer der rasantesten in der Geschichte des Schweizer Eishockeys.

Presse • • von Werner Haller


Die SCL Tigers sind innerhalb von nur zwei Jahren vom Playoff direkt in die Nationalliga B durchgereicht worden: Playoff 2011, Playout 2012, Playout, Ligaqualifikation und Abstieg 2013.


• 2011 Ende Februar/Anfang März: Die gesamte Eishockey-Schweiz hat Riesenspass an den SCL Tigers. Diese verblüffen mit einem 6. Platz in der Qualifikation und 74 von 150 möglichen Punkten (Erfolgsquote = 49,3 Prozent). Die erste Playoff-Teilnahme ist gegen den SC Bern zwar nur von kurzer Dauer (0:4). Der grösste Erfolg in der Klubgeschichte nach dem Gewinn des Schweizer Meistertitels 1976 wird im «Hockey Country» trotzdem gefeiert.
• 2012 Ende Februar/Anfang März: Ernüchterung, die Bestätigung der ersten Playoffqualifikation bleibt aus. 10. Platz in der Qualifikation mit 52 von 150 möglichen Punkten (Erfolgsquote 34,7). Mit dem 4:0-Erfolg gegen Ambri in der ersten Playoutrunde und dem Ligaverbleib wird wenigstens gerettet, was noch zu retten ist.

• 2013 Ende Februar bis Mitte April: 12. und letzter Platz in der Meisterschafts-Qualifikation mit nur noch 41 von 150 möglichen Punkten (Misserfolgsquote 27,3 Prozent). Der Rest ist bekannt.



«Verpackung» und «Inhalt»
Die Führung unter Verwaltungsratspräsident Peter Jakob hat mit der Modernisierung des Ilfisstadions die Zeichen der Zeit erkannt, keine Frage. Mehreinnahmen aus dem ausgebauten Restaurationsbereich und die Durchführung von verschiedenen Anlässen in der neuen Halle sollen für eine einigermassen gesicherte wirtschaftliche Zukunft sorgen. Die «Verpackung» des Eishockeyproduktes SCL Tigers stimmt seit einigen Monaten. Aber der «Inhalt», die Mannschaft, hält nicht, was eben diese «Verspackung» verspricht. Schweizer Schlüsselspieler wie Matthias Bieber, Eric Blum, Fabian Sutter, Andreas Camenzind, Daniel Steiner, Benjamin Conz und Sebastian Schilt sind in den letzten drei Jahren gesamthaft betrachtet nie gleichwertig ersetzt worden. Ein ganz erheblicher Substanzverlust, für den jetzt der höchste aller Preise bezahlt werden muss: Abstieg in die Zweitklassigkeit.



Viele neue Namen
Nach 15 Saisons werden sich die Fans der SCL Tigers neu orientieren müssen. In einem NLA-würdigen Stadion werden sie für unbestimmte Zeit NLB-Eishockey zu sehen bekommen. Die Gegner werden in Zukunft Langenthal, Olten, Visp, Basel, Ajoie oder La Chaux-de-Fonds heissen. Und auch die Mannschaft wird ein stark verändertes Gesicht haben. Junge, ambitionierte Spieler wie beispielsweise Simon Moser, Etienne Froidevaux, Simon Lüthi haben wie alle ihre Teamkameraden auch Verträge für die Nationalliga A und aus dieser werden sie mit Sicherheit auch lukrative Angebote erhalten. Und wenn die Besten einmal weg sind, kehren sie nicht mehr zu den SCL Tigers zurück. Wer von einem regelmässigen Playoff- oder sogar Titelanwärter einen NLA-Vertrag erhält, ist danach für die Emmentaler nicht mehr finanzierbar. Dies hat die Vergangenheit mehr als einmal bewiesen.



Sportliche Kompetenz erhöhen
Die SCL Tigers-Führung hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren wirtschaftlich gerettet, sportlich war sie der Aufgabe aber nicht gewachsen. Will sie diesen Fehler korrigieren, so muss sie ihre Kompetenz im sportlichen Bereich erhöhen und sich auch entsprechend beraten lassen. Und sie darf vor allem den Weg zurück in die NLA nicht unterschätzen. Mit einer «Es chunnt scho guet»-Zielsetzung ist noch nie einer aufgestiegen.



Nur Ciaccio und der Endspurt A-klassig
Die beiden ersten Ligaqualifikationsspiele (a 1:3; h 2:0) unter dem vor einer Woche eingesetzten Trainerduo Köbi Kölliker/Alfred Bohren brachten ein wenig Hoffnung auf den Ligaerhalt zurück. Doch das mit 2:3 verlorene Spiel 6 in Lausanne war einmal mehr das Spiegelbild der gesamten Meisterschaft. Die erforderliche Leistungsbestätigung und die Konstanz blieben aus. Lediglich Torhüter Damiano Ciaccio, der mit einigen Glanzparaden bereits im ersten Drittel die vorzeitige Entscheidung verhinderte, und der viel zu späte Endspurt waren NLA-würdig. Eindeutig zu wenig, um mit einem Sieg die Best-of-7-Serie auf 3:3 auszugleichen und ein alles entscheidendes Spiel 7 in Langnau zu erzwingen. Assistenztrainer Alfred Bohren zeigte sich als fairer Verlierer: «Lausanne hat den Sieg und den Aufstieg absolut verdient. Mit viel Siegeswillen, hohem Tempo und der grossartigen Unterstützung seines Publikums hat es seine Chance entschlossen wahrgenommen.» Wie schon während der ganzen Saison waren die SCL Tigers auch gegen Lausanne unfähig, vier von sieben aufeinanderfolgenden Spielen zu gewinnen. «Das Team konnte die guten Vorsätze nicht umsetzen. Die schlechten Gefühle und die Angst vor einer erneuten Niederlage waren stärker als die guten Gefühle, die nach dem 2:0-Heimsieg aufgekommen waren.» Das Trainerduo Kölliker/Bohren konnte – wie erwartet – innerhalb von nur einer Woche keine Wunder vollbringen. Die «Feuerwehrübung» der Klubführung beim Stande von bereits 2:1 für Lausanne war die berühmte eine Fehlentscheidung zuviel.


Das eine getan, das andere gelassen
Das eine tun und das andere nicht lassen. Die Führung der SCL Tigers AG hat sich nicht an diese mehr erfolgreiche als nicht erfolgreiche «Goldene Regel» gehalten. In den vier Jahren seit der Übernahme des Traditionsvereins hat sie zwar das eine getan, das andere aber gelassen. Dafür erhält sie nun die Quittung präsentiert: Abstieg in die Anonymität der Zweitklassigkeit des Schweizer Eishockeys nach 15 Jahren in der Erstklassigkeit. Und dies ausgerechnet nach der ersten Saison im modernisierten Ilfisstadion. Ein Super-Gau, keine Frage.

Es ist in der Schweizer Eishockeygeschichte noch ganz selten vorgekommen, dass man die Strategie einer Unternehmensführung so klar zweiteilen muss wie die des Verwaltungsrates der SCL Tigers AG. Peter Jakob und seine Verwaltungsratskollegen haben unschätzbare Verdienste. Sie übernahmen den Klub auf dem absoluten Nullpunkt und verhinderten den Konkurs. Damit gaben sie sich aber noch nicht zufrieden. Mit ihrem überdurchschnittlichen persönlichen und finanziellen Engagement haben sie auch erreicht, was viele nicht für möglich hielten – den Umbau des Ilfisstadions in eine moderne, zeitgerechte Eishockey-Arena mit wirtschaftlich vielversprechenden Perspektiven.

So lobenswert aktiv die Führung der SCL Tigers neben dem Eis war, so passiv war sie, wenn es um Fragen auf dem Eis ging. Die Mannschaft, und nur die Mannschaft, bestimmt in der Unterhaltungsbranche Eishockey mit ihren Leistungen, ob sich ein Stadion füllt oder leert, ob sich die Fans nach einem Sieg noch zwei, drei Bierchen genehmigen und die Kassen zusätzlich füllen, oder ob sie sich nach einer Niederlage unverzüglich auf den Heimweg machen.

Die Mannschaft hatte während acht Monaten in der Rekordzahl von 68 Spielen die Chance, ihre NLA-Tauglichkeit zu beweisen. Sie tat es nicht. Sie war gesamthaft betrachtet zu schwach zusammengesetzt, weil man zu wenig in sie investierte und weil zu viele sportliche Fehlentscheidungen getroffen wurden. Die «Es chunnt scho no guet»-Durchhalteparole der Führung im sportlichen Bereich, die war naiv. Der Entscheid, die Meisterschaft vorerst einmal mit drei statt vier Ausländern zu beginnen, war rückblickend betrachtet bereits der Anfang vom Ende.