Die Analyse zum Jahresende

SCL Tigers in der Meisterschaft der Marketingabteilungen noch ausser Konkurrenz

Die meisten Experten setzten in ihren vorsaisonalen Prognosen die SCL Tigers auf den letzten Rang. Genau dort stehen die Langnauer jetzt. Alles in Butter oder was?

Blog • • von Bruno Wüthrich

Die Ilfishalle in den französischen Nationalfarben. Bild: Marcel Bieri

 

Eines vorweg: Erstellt man eine Rangliste nach Verlustpunkten, gehen die Langnauer nicht auf dem letzten, sondern auf dem vorletzten Tabellenrang ins neue Jahr. Sie weisen darin sieben Verlustpunkte weniger aus als der EHC Biel, welcher drei Spiele mehr bestritten, aber nur zwei Punkte mehr auf dem Konto hat.

Nur müssen die zwei Punkte erst einmal errungen werden. Was für einen Tabellenletzten gar nicht so einfach sein dürfte. Wäre es einfach, würde die Mannschaft nicht auf diesem Rang liegen. Gut möglich also, dass die drei Spiele ohne Punktgewinn über die Bühne gehen.

Doch die Langnauer liegen nicht so weit hinten, weil sie eine grössere Krise durchlaufen haben. Sie hatten bisher keine ernsthafte Krise zu durchstehen und befinden sich auch jetzt in keiner. Schliesslich punkteten sie in den beiden letzten Spielen, holten beim hoch favorisierten EV Zug sogar den Sieg. Lediglich Ende Oktober gab es eine Miniserie von drei Spielen, die ohne Punktgewinn verloren gingen (Kloten 4:5, ZSC Lions 3:6, HC Lugano 2:4). Dies war jedoch bisher die Ausnahme. Sonst holten die Tiger innerhalb von drei Spielen stets irgendwelche Punkte. Diese Betrachtungsweise ist zwar einerseits nutzlos, sie gibt jedoch Hoffnung.

Sie zeigt nämlich auf, dass die statistische Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass die Tiger in diesen drei Spielen, die sie weniger bestritten haben als der EHC Biel, punkten werden. Die Langnauer stehen zwar exakt da, wo sie von den Experten erwartet wurden. Doch die schlimmsten Befürchtungen, sie könnten bereits früh hoffnungslos abgeschlagen sein, bewahrheiteten sich nicht. Selbst Rang 10 ist noch erreichbar. Leider Dieser wird aktuell von den Kloten Flyers belegt, und die Differenz zwischen Langnau und den Klotenern beträgt zehn Punkte. Dies wäre an sich absolut aufholbar, zumal die Flieger ein Spiel mehr absolviert haben. Doch die Langnauer konnten gegen die Flieger in den bisherigen drei Begegnungen noch keinen einzigen Punkt gewinnen. Die Tiger werden sich noch fünf weitere Male (oder drei, falls sich eine der beiden Mannschaften noch über den Strich rettet) mit den Klotenern messen. Gewinnen sie nicht mindestens drei Mal mit der vollen Punktzahl, ist an ein Aufholen kaum mehr zu denken. Das auf Platz neun liegende Ambri hat bei gleich vielen Spielen wie der SCL bereits 13 Punkte Vorsprung. Das wird schwierig, zumal die Leventiner derzeit regelmässig punkten.

Auffallend ist, wie oft die Langnauer bereits in den Startminuten überrannt, und wie oft sie mögliche Punkte in den Schlussminuten noch vergeigt wurden. Dies ist zwar unschön und auch nicht schön zu reden, sondern ein Fakt, der zu denken geben muss. Aber es ist auch der Erfahrung geschuldet. Die Langnauer verfügen über eine junge Mannschaft mit etlichen Spielern, die zuvor noch kaum oder gar keine NLA-Erfahrung hatten. Es wird (hoffentlich zurecht) darauf hingewiesen, dass dieses Team lernfähig sei. Im Verhalten in den Start- und in den Schlussminuten ist diese Lernfähigkeit am dringendsten gefordert.

Es muss dem Anhang der SCL Tigers und dessen näherem Umfeld jedoch auch klar sein, dass es einen Grund hat, dass «unsere» Spieler das Tigerdress tragen und nicht anderswo für wesentlich mehr Geld um wesentlich mehr Erfolg spielen. Sie tun es nicht, weil Langnau besonders schön ist, oder weil die Ehre besonders hoch ist, für die Tiger spielen zu dürfen. Die sportlichen Ambitionen in Zürich, Davos, Bern, Zug oder Lugano sind bedeutend höher, und der Geldsäckel der Sportchefs praller gefüllt als jener von Jörg Reber in Langnau. Wenn ein Team mit viel Talent zehn mal auf ein Team mit wesentlich weniger Talent trifft, und in jedem Spiel voll motiviert ist, wird es in neun dieser zehn Spiele gewinnen, obwohl das unterlegene Team alles gegeben hat. So sind die sportlichen Realitäten. Deshalb wird es für die kommenden Spielzeiten wichtig sein, dass auch Jörg Rebers Geldsäckel deutlich besser gefüllt ist. Dafür zu sorgen haben unter anderen die Verwaltungsräte und diejenigen Mitarbeiter im Büro, die fürs Marketing zuständig sind. Für Letztere geht es nicht nur darum, viel zu arbeiten. Viel wichtiger ist es, dass sie erfolgreich arbeiten.

Denn die Meisterschaft auf dem Eis ist letztendlich auch eine Meisterschaft der Marketingabteilungen. In der Saison nach dem Aufstieg läuft die Tigers-Marketingabteilung noch ausser Konkurrenz. Dies wird ab der Saison 2016/17 anders sein. Liegen die Langnauer auch dann sportlich am Tabellenende, so liegt der Schluss nahe, dass auch auch in den Büroräumen an der Güterstrasse nicht genügend Skills (Fähigkeiten) vorhanden sind. In Zeiten von Internet, Fernsehen und Smartphones hat man nämlich in Langnau fast die gleichen Möglichkeiten wie anderswo. Wer anderes behauptet, redet lediglich den eigenen Misserfolg schön. Ob im Nachhinein oder vorsorglich bleibe dahin gestellt.

Falls die SCL Tigers nach 56 Runden den 10. Rang belegen, sind sie vorzeitig gerettet. Dann ist der Ligaerhalt geschafft. Dieses erste Ziel zu erreichen, wird zwar schwierig, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch nicht verfehlt. Derzeit darf der Fokus sogar auf Gottéron gerichtet werden. Die Saanestädter liegen zwar mit 49 Punkten aus 34 Spielen (zwei mehr als die SCL Tigers) auf dem 6. Rang. Doch sie stecken nach neun Niederlagen in Serie tief in der Krise, und sollte es den Langnauern gelingen, in der Doppelrunde vom 2. und 3. Januar beide Spiele gegen diesen Gegner zu gewinnen, nicht Aufbauhilfe zu leisten, sondern dessen Niederlagenserie auf elf Spiele auszuweiten, liegen sogar die Fribourger in Griffweite. Das Team von Gerd Zenhäusern, welches lange Zeit zur Überraschung sämtlicher Experten die Tabellenspitze zierte, nähert sich immer mehr den prophezeiten Rängen an, nämlich denjenigen, die zu den Playouts berechtigen.

Falls Benoît Laporte mit seiner Mannschaft den angestrebten 10. Rang verfehlen sollte, bieten sich zwei weitere Möglichkeiten zur Sicherung des Ligaerhalts. In einem Playout-Final vermutlich gegen den EHC Biel, oder dann in der Ligaqualifikation gegen den Meister der NLB. Dabei dürfte die Niederlage von gestern gegen das Team von Kevin Schläpfer sogar heilsame Züge aufweisen. Denn nach dem 5:2 – Sieg in Biel und dem 7:0 Heimsieg gegen den gleichen Gegner in Langnau hätte bei einem weiteren Erfolg fälschlicherweise der Eindruck entstehen können, man habe diesen Gegner total im Griff. Von einer solchen «Krankheit» dürften die Tiger geheilt sein, bevor sie ausgebrochen ist.