Vor der wichtigsten Phase der Saison

Sind wir bereit für die Mission Aufstieg?

Die SCL Tigers haben darauf verzichtet, im Hinblick auf die bevorstehenden Playoffs nachzurüsten. Für viele stellt sich deshalb die Frage, ob denn wirklich alles für den Wiederaufstieg getan werde. Um diese Frage schlüssig zu beantworten, müssen wir zuerst wissen, was denn «alles» ist.

Blog • • von Bruno Wüthrich

 

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Die Blockfahnen der Tiger-Fans als Symbole der Einheit. Bild: Susanne Bärtschi.

 

Ein bekannter Chronist fragte mich letzthin, ob meiner Meinung nach die Coaches entlassen würden, wenn die SCL Tigers im Halbfinal der diesjährigen NLB-Playoffs mit 0:2 Siegen im Rückstand liegen würden. Ich antwortete ihm, dass ich dies nicht wüsste und auch nicht beurteilen könne. Ich mochte an ein solches Szenario nicht denken. Verrückt, aber denkbar, dass zwei Spiele darüber entscheiden können, ob jemand seine Stelle verliert oder nicht. doch so ist Sport. In dieser Saison wird nämlich bereits ein einziges Spiel, nämlich das Letzte, darüber entscheiden, ob die Arbeit eines ganzen Jahres von Erfolg gekrönt sein wird. Doch die Aussichten, dass es so kommen wird, sind gut.

 

Die SCL Tigers verfügen aktuell, die als verletzt gemeldeten nicht eingerechnet, über einen Spieler mehr, als für fünf vollständige Blöcke benötigt würden. Von diesen 26 Spielern wurde nur einer nicht regelmässig eingesetzt, wenn er fit war. Dabei handelt es sich um den 19-jährigen Patrick Bandiera, der seine Karriere noch vor sich hat. Bengt-Ake Gustafsson hat seine Linien immer wieder verändert, einerseits um heraus zu finden, wer denn am besten mit wem zusammen spielt, aber auch, um dafür zu sorgen, dass alle in unterschiedlicher Zusammensetzung eingesetzt werden können. Dem Coach stehen somit in den Playoffs viele Optionen offen. Auch dann, wenn die Verletzungshexe zuschlagen sollte, was, wie wir alle wissen, in der wichtigsten Phase der Saison beim besten Willen nicht auszuschliessen ist.

 

Verzicht auf Nachrüsten lag nicht am Geld.

Sportchef Jörg Reber hat während dieser bisher erfolgreichen Saison mehrmals zwei Dinge betont: 1.) Er will nur dann «nachrüsten», wenn der Spieler die Mannschaft weiter bringen kann. Reber hat nicht wirklich nachgerüstet. Mit der Verpflichtung von Julien Bonnet reagierte er auf die Situation an der Verletztenfront in der Hintermannschaft der Tiger. In die gleiche Kategorie gehört auch der Österreicher André Lakos. Er kam für Kévin Hecquefeuille, der mit einer Gesichtsverletzung längere Zeit ausfiel. Lakos und Bonnet wurden wegen ihrer guten Leistungen inzwischen bis zum Saisonende verpflichtet. Für den verletzten Torhüter Lorenzo Croce wurde wenige Tage vor Ablauf der Transferfrist Jonas Müller von den Kloten Flyers verpflichtet. 2.) Reber stand immer voll hinter dem schwedischen Coaching-Duo Bengt-Ake Gustafsson und Peter Andersson. Mit «voll» ist gemeint, dass es keine Floskeln waren, die Reber da von sich gab, sondern Statements, welche von ehrlicher Überzeugung getragen wurden. Jörg Reber ist noch nicht lange Sportchef. Doch als langjähriger Spieler mit Leaderfunktion gehört er in der Führungsriege der SCL Tigers zu den wenigen, die unbestritten über sportlichen Sachverstand verfügen. Er hat es bei den Not-Verpflichtungen bewenden lassen und keine zusätzlichen Spieler geholt. Der Markt war trocken, und wer trotzdem zu haben gewesen wäre, wollte nicht. Schliesslich muss ein Sportchef von den Qualitäten eines Spielers überzeugt sein. Von Sami El Assaoui, der auf dem Markt gewesen ist und schliesslich beim EHC Olten landete, hält Reber nicht genug. Temporär ist diese Entscheidung im Umfeld der Tiger auf wenig Verständnis gestossen. Doch El Assaoui hat die Powermäuse bisher nicht weiter gebracht. Etwas mehr weh taten die Absagen von Raphael Kuonen und – für nächste Saison – von Daniel Steiner. Beide unterschrieben bei Klubs der NLA und konnten damit der zweithöchsten Spielklasse ausweichen. Die NLA können die Langnauer derzeit weder bieten noch garantieren. Doch wenn die SCL Tigers den «richtigen» Klub in die NLB versenken, ist der eine oder andere wieder zu haben.

 

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Positive Erinnerung an die NLA-Playoffs. Diese Gefühle wollen wir wieder. Bild: Christop Schmid.

 

Glaubt man der Aussage eines hochrangigen Funktionärs der SCL Tigers, wäre Geld für zusätzliches Nachrüsten vorhanden gewesen. Der Sportchef hat also sein Budget bisher nicht ausgereizt. Während andernorts die Verwaltungsräte tagen, um über zusätzliche, nicht budgetierte Verpflichtungen zu beraten oder sich damit auseinander zu setzten, wo denn nicht vorhandenes Geld aufgetrieben werden könnte, plagen das oberste Gremium der Langnauer Eishockeyorganisation ganz andere Sorgen. Anders als der Sportchef sind sich die Verwaltungsräte nicht restlos sicher, ob das schwedische Coaching-Duo tatsächlich die richtigen sind für die Aufstiegsmission. Diese Verunsicherung manifestiert sich nicht nur darin, dass die Verträge mit Gustafsson und Andersson noch nicht verlängert wurden (dies könnte ja auch am Willen der beiden Schweden scheitern), sondern auch in – zum Teil verschlüsselten – Aussagen aus dem obersten Gremium. Fast will es scheinen, als tauchten Probleme auf, die es nicht geben würde, wenn andere vorhanden wären. 1. Rang, überwältigender Vorsprung, die meisten wichtigen Spieler an Bord, zum Schluss der Qualifikation wieder aufsteigende Formkurve, was will man mehr? Zumal ja bestimmt auch die Finanzen stimmen. Dies zeigen die Zuschauerzahlen. Dies zeigt auch das bisher nicht ausgereizte Budget. Die Verunsicherung bezüglich der beiden Coachs ist also eine auf hohem Niveau. Es ist wie beim Durchschnittsschweizer, der trotz bester Absicherung immer wieder einen Grund findet, eine zusätzliche Versicherung abzuschliessen. Hat man keine existentiellen Sorgen, schafft man sich halt andere.

 

Zeit, eine echte Einheit zu werden.

Doch jetzt geht es um die Wurst. Der Aufstieg ist im Visier. Jetzt ist es an der Zeit dass nicht nur die Mannschaft, sondern die ganze Organisation der SCL Tigers mitsamt ihren Fans zu einer echten Einheit werden. Und zwar nicht nur mit schönen Worten. Sondern fühlbar, spürbar, mit allem was wir geben können an moralischer Unterstützung. Wir wollen jetzt keine Trainer-Diskussion. Denn das, was Bengt-Ake Gustafsson und Peter Andersson in dieser Qualifikation erreicht haben, verdient es, dass das Coaching-Duo unser aller uneingeschränktes Vertrauen geniesst. Wir wollen keine Diskussion über nicht verpflichtete Spieler oder darüber, ob man hätte nachrüsten sollen oder nicht. Die SCL Tigers verfügen über eine Mannschaft, die in den bisherigen 45 Spielen 100 Punkte wert war und die das Zeug hat, den Letzten der NLA nachhaltig herauszufordern, sofern sie nicht – eventuell wegen fehlender Einstellung oder fahrlässig verursachter Missstimmung - bereits in den NLB-Playoffs gestoppt wird.

 

ALLES für den Aufstieg zu tun, bedeutet nicht immer, dass ums Verrecken alles verfügbare Geld ausgegeben werden muss. Zusätzliche Verpflichtungen können auch Unruhe in das Team bringen. Zumal derzeit 26 einsatzfähige Spieler im Kader sind, die im Verlauf der Saison allesamt bewiesen haben, dass man auf sie zählen kann. Aufgabe des Sportchefs war und ist es, in der wichtigsten Phase der Saison das bestmögliche Kader zur Verfügung zu haben. Sicher ist, dass ein sehr gutes Kader zur Verfügung steht. Dies ist eine Gewissheit! Ob es reichen wird, muss sich weisen. Dazu braucht es auch Schlachtenglück.

 

Einen zusätzlichen ausländischen Stürmer sollte Sportchef Jörg Reber aber schon noch holen. Zwar kann Chris DiDomenico auch in den Playoffs und der Ligaqualifikation den Unterschied machen. Doch bei seinem Ausfall müssen die Langnauer reagieren können. Zudem wird etwas Druck durch einen guten Ersatzmann den feurigen Kanadier mit italienischen Wurzeln zusätzlich motivieren, den taktischen Vorgaben seines Coaches Folge zu leisten.

 

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 Sollte noch nach einem ausländischen Stürmer schauen: Sportchef Jörg Reber. Bild: Peter Eggimann.

 

Langnau in der Rolle des Herausforderers.

Wichtig wird auch sein, ob das oft reservierte Langnauer Publikum bereit sein wird, den «sechsten Mann» zu stellen. Die vielen Siege haben – verständlicherweise - auch die Fans auf den Stehplätzen träge werden lassen. Auf den Sitzplätzen kennen wir dieses Phänomen seit Jahren. Doch jetzt gilt es aufzuwachen, und die Ilfishalle zu einem Hexenkessel werden zu lassen. Der Spirit darf nicht an der Bande halt machen, sondern muss uns alle erfassen. Die Sitzplätzler dürfen die Fans in der Kurve die «Arbeit» nicht alleine machen lassen. Die Zeit, in welcher die Zuschauer in die Ilfishalle pilgern, um sich unterhalten zu lassen, wird temporar bis Ende Saison unterbrochen. Ab Beginn der Playoffs geht es nicht mehr um Unterhaltung, sondern um den Sieg. Egal, wie dieser jeweils zustande kommt. Lausanne hat im Frühjahr 2013 vorgemacht, was frenetische und euphorisierte Fans ausmachen können. Die Stimmung, die damals während der Ligaqualifikation in der «Malley» herrschte, ist kaum zu topen. Die Lausanner Fans waren beim Aufstieg des HCL in die NLA ein wesentlicher Faktor zum Erfolg. Es ist nun mal ein Unterschied, ob ein Team etwas erreichen will, oder ob es gilt, etwas zu verhindern. Etwas erreichen zu wollen, ist positiv behaftet, kann zu Begeisterung und Euphorie führen. Etwas verhindern zu wollen (z.B einen Abstieg), ist negativ und mit Angst behaftet. Angst, die lähmt. Eine Euphorie ist kaum möglich.

 

Diesmal sind die SCL Tigers mit ihren Fans in der Rolle derjenigen, die etwas erreichen wollen. Diesmal können sich die Langnauer in die Rolle des Herausforderers bringen. Überstehen wir den Viertelfinal, danach den Halbfinal und gewinnen schliesslich den Final dieser Playoffs, so ist es am Letzten der NLA, Angst zu haben. Erreichen wir die Ligaqualifikation, haben wir alles zu gewinnen, und unser Gegner alles zu verlieren.

 

Man kann es drehen und wenden wie man will: Der Verlierer der NLA-Playouts kann nur hoffen, dass nicht die SCL Tigers der Herausforderer im Kampf um den Platz in der NLA sein wird. Denn der Tiger wird beissen!