Neue Zürcher Zeitung

Tage der offenen Türen

Besuche in der Kabine der Schiedsrichter erfreuen sich während der Play-offs grosser Beliebtheit. Nur selten aber sind die Gäste wirklich willkommen.

Presse • • von Daniel Germann

In den Play-offs werden die Schiedsrichter-Garderoben zum Wohnzimmer der Entrechteten und Missachteten. Wer immer sich vom Leben betrogen oder hintergangen fühlt, der trete ein ins Reich der Geächteten und erleichtere sich von Last und Leiden.

 

Der Genfer Coach Chris McSorley soll sich eine Woche nach dem Play-off-Aus seiner Adler immer noch ein wenig heimatlos fühlen. Für ihn ist der Gang zu den Schiedsrichtern bereits derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass er zuweilen nicht mehr weiss, wo er wirklich zu Hause ist.

 

Der Berner CEO Marc Lüthi bestrafte das Schiedsrichter-Quartett nach einer seiner Meinung nach ungenügenden Leistung letzte Saison einmal mit Essens-Entzug. Wenn es um seinen SCB geht, dann ist für den Gastronomen im Nebenamt fertig lustig. Kein Brot für Brüder. Der Disziplinierungsversuch hat Lüthi 2000 Franken gekostet. Das aber war ihm der Spass wert.

 

Wildwestmethoden wie jene Lüthis erfreuen sich in diesem Frühjahr erhöhter Popularität. Der Einzelrichter hat bis jetzt doppelt so viele Bussen wegen Respektlosigkeiten gegenüber Schiedsrichtern und Gegnern ausgesprochen wie letztes Jahr (16:8). Dabei steht die heisseste Phase der Saison erst bevor.

 

Das jüngste Opfer des überreizten Klimas war am Samstag der Zuger Coach Doug Shedden, der nach dem Berner Treffer in der Overtime derart derangiert war, dass er prompt die Tür verfehlte und statt in der Zuger Kabine im Wohnzimmer der Schiedsrichter landete. Dabei wäre er angesichts der besorgniserregenden Färbung seines Hauptes möglicherweise zwei Türen weiter bei den Sanitätern besser aufgehoben gewesen.

 

Shedden gehört wie McSorley zum Kreis jener stolzen Kanadier, die nicht müde werden, die überlegene Professionalität der NHL und alles Nordamerikanischen zu preisen. Leicht vorzustellen, wie man dort mit Wüterichen wie ihm, die ungebeten ins Wohnzimmer des Nachbarn eindringen, umginge: Man wiese ihnen die Tür.