Was ist mit dem Langnauer Publikum los?

Trotz viertem Sieg in Serie: Motzen, fluchen, Pfiffe

Die SCL Tigers haben sich nach dem schwachen Saisonstart gewaltig gesteigert und zuletzt vier Siege in Serie hingelegt. Doch irgendwie scheint die Steigerung beim Publikum nicht ganz angekommen zu sein.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Nach knapp einem Drittel der diesjährigen Qualifikation befinden sich die SCL Tigers noch nicht ganz auf Kurs. Dies ist nach dem schwachen Start in die Meisterschaft nicht weiter erstaunlich. Doch die Langnauer befinden sich nach zuletzt drei Siegen in Serie in der Meisterschaft und einem im Cup im Vorwärtsgang. Sie erspielten sich in 16 Spielen 19 Punkte, was einen Schnitt von nicht ganz 1,2 Punkten pro Spiel bedeutet. Um nach 50 Runden unter den ersten Acht zu sein, braucht es in der Regel einen Schnitt von ca. 1,4 Punkten pro Spiel, oder ca. 70 Punkten.

Berücksichtigen wir diesen schwachen Start, so sind die Playoffs aus heutiger Sicht absolut noch möglich. Das Team funktioniert. Das Defensivsystem von Heinz Ehlers, zu Beginn der Meisterschaft noch Sorgenkind, hat längst zu greifen begonnen. Zwar benötigten die Tiger zuletzt auch immer wieder etwas Glück. Doch wie sagt man so schön: Glück und Pech gleichen sich im Verlaufe einer Saison ungefähr aus. Zu Beginn der Saison hatten die Emmentaler wenig Glück. Jetzt hat sich dies ausgeglichen.

Eine Besonderheit der neueren Zeit in Langnau ist mir aber aufgefallen. Negativ aufgefallen notabene. Irgendwie ist eine Unzufriedenheit auf den Rängen feststellbar. Ich frage mich, weshalb dies so ist. Sie ist nämlich – objektiv betrachtet – nicht erklärbar.

In der Saison 2011/12 hat Marc Lüthi, CEO des SC Bern, unmittelbar nach einem verlorenen Spiel gegen die ZSC Lions den damaligen Coach Larry Hurras höchstpersönlich seines Postens enthoben. Zwar war nicht die Niederlage dafür verantwortlich, wie Lüthi ausführte, weil die Entlassung auch im Falle eines knappen Sieges erfolgt wäre. Auch nicht die Tabellenlage, die, weil die Mutzen in der Spitzengruppe vertreten waren, alles andere als prekär gewesen ist. Nein! Der alleinige Grund sei gewesen, weil Hurras nicht attraktiv genug habe spielen lassen.

Der SC Bern hat ein ganz anderes Budget zur Verfügung als die SCL Tigers. Deshalb sind die Ansprüche in Bern auch völlig anders als in Langnau. Sollte man wenigstens meinen. Doch dies scheint nur noch bedingt der Fall zu sein. Im Spiel gegen Ambri – notabene mit dem vierten Sieg in Serie – wurde auf den Rängen geflucht und die Hände verworfen, was das Zeug hält. Man konnte zu der Ansicht gelangen, es sei überhaupt nichts gut genug, was die Langnauer auf dem Eis ablieferten. Einzelne Spieler wurden als ungenügend eingestuft. Und dies nicht zum ersten Mal. Es sind immer wieder etwa die gleichen vier, die beim Publikum in Ungnade gefallen sind. Weshalb auch immer.

Ich finde diese Entwicklung bedenklich. Auch das Herumgehacke auf Sportchef Jörg Reber, der in den Augen gewisser Leute offenbar keine Ahnung haben soll und konsequent nur am Versagen ist.

Dabei hat Reber eine Mannschaft zusammen gestellt, die ganz offensichtlich funktioniert. Mit dem kleinsten Budget der Liga nicht am Tabellenende zu liegen, ist an sich bereits ein Erfolg für die Arbeit des Sportchefs, zumal er ja auch bei der Wahl des Coachs mitwirkt. Eigentlich gibt es nur eine Sache, die Reber besser machen könnte: er könnte seinen Ehrgeiz, das Budget einzuhalten, etwas zügeln, und statt dessen mal mit dem einen oder anderen nicht im Budget liegenden «Wunsch» bei einem bestimmten Verwaltungsrat vorsprechen. Ich bin mir absolut sicher, dass der Sportchef damit zumindest nicht jedes Mal abblitzen würde.

Zurück zu den Fans: Wir sind nicht der SC Bern. Wir sind auch nicht die ZSC Lions, der HC Davos oder der HC Lugano. Wenn ein Klub mit viel spielerischem Potential wie die oben genannten die richtige Einstellung und die richtige Form hat, so ist er normalerweise von einem Team wie den SCL Tigers nicht zu schlagen. Dass es trotzdem gar nicht so selten gelingt, dass ein Underdog einen Favoriten bezwingt, liegt daran, dass es auch den teuren Mannschaften nicht immer läuft wie gewünscht. Auch solche Mannschaften haben Formkurven. Auch solche Teams bringen manchmal keine Tore zustande oder begehen defensive Fehler. Im Verlaufe einer ganzen Meisterschaft können sie sich jedoch öfters durchsetzen als die Underdogs. Spiele wie diejenigen gegen die ZSC Lions und den EV Zug werden zwar vom Favoriten dominiert, können aber trotzdem vom Aussenseiter gewonnen werden. Dass diese Spiele nicht für alle Zuschauer attraktiv sind, liegt auf der Hand. Wobei: Für einen Fan der SCL Tigers müssten sie eigentlich schon wegen der Spannung, der Dramatik und dem positiven Ausgang attraktiv sein.

Auf dem Pinboard der SCL Tigers wird ein Vorkommnis diskutiert, das auch mir sehr zu denken gibt: Als Aaron Gagnon im Penaltyschiessen zu seinem Penalty anläuft, werden im Publikum die Hände verworfen und es sind auch von eigenen Fans Pfiffe zu hören. Zum Glück werden sie von den Pfiffen der gegnerischen Fans – zumindest auf dem Eisfeld – wohl etwas übertönt. Aber meiner Meinung nach geht ein solches Verhalten gar nicht. Das ist unterste Schublade. Und es zeugt auch von einem krassen Defizit an Sachverstand und Loyalität. Es ist der Langnauer Fankultur – der oftmals so hoch gelobten – schlicht und ergreifend unwürdig. Was ist nur aus den Tiger-Fans geworden?

Aaron Gagnon ist kein Skorer. Dies haben wir im Verlaufe der bisher 16 Partien feststellen können. Aber er ist ein guter Spieler. Ein Systemspieler. Er spielt die von Heinz Ehlers zugeteilte Rolle gut. Er erfüllt seinen Auftrag. Gewiss, der eine oder andere Treffer oder Skorerpunkt mehr wäre wünschenswert. Aber Aaron Gagnon ist Teil eines Teams, das zuletzt vier mal in Serie gewann. Genauso wie auch die andern (zu Unrecht) kritisierten Spieler.

Heinz Ehlers lässt ein System spielen, in welchem das Kollektiv wichtig ist und das funktionieren muss, wenn Punkte eingefahren werden sollen. Da braucht es vor allem Spieler, die sich in den Dienst der Mannschaft stellen, die bereit sind, defensiv Dreck zu fressen, und die die Arbeit erledigen, die vom Publikum nur dann beachtet wird, wenn dabei ein Fehler begangen werden. Diese Arbeit gut zu machen, seine Knochen hinzuhalten für den Erfolg seines Teams, ist aller Ehren wert. Spieler wie Aaron Gagnon ermöglichen es den Künstlern wie Antti Erkinjuntti oder Thomas Nüssli, die Differenz zu machen. Gäbe es die Arbeiter nicht, haben die Künstler nichts zu lachen. Was im richtigen Leben gilt, gilt auch im Eishockey.

Möglicherweise hatten das Hände verwerfen, das Gefluche und die Pfiffe im Spiel gegen Ambri auch mit der Erwartungshaltung zu tun. Nach dem Motto, wer Zürich und Zug schlägt, muss Ambri zwingend schlagen. Doch mit Verlaub: das ist Mumpitz und zeugt von wenig Sachverstand. Es zeugt auch von null Respekt gegenüber dem Gegner. Gerade dass dieses aufsässige und kampfstarke Ambri nach den unerwarteten Erfolgen in den Spielen zuvor ebenfalls noch bezwungen wurde zeigt, dass man in Langnau gegenüber früheren Jahren etwas gelernt hat. Gut, die Verwertung der Tormöglichkeiten hätte auf Seiten der Langnauer durchaus etwas effizienter ausfallen können. Aber dies kann man sich nicht aussuchen. Ambri-Hüter Benjamin Conz, seines Zeichens der Playoff-Torhüterheld der Langnauer in der Saison 2010/11, spielte eine hervorragende Partie. Er war wirklich sackstark!

Solche Spiele, wie dasjenige gegen Ambri, sind nie einfach. Man sagt, dies seien sogenannte Sechs-Punkte-Spiele. Doch dies sind sie auch für den Gegner. Entsprechend motiviert gehen beide Teams ans Werk. Fans scheinen zuweilen zu vergessen, dass auf dem Eisfeld noch ein Gegner mitspielt, der ebenfalls unbedingt gewinnen will.

Liebe Fans der SCL Tigers (und damit spreche ich vor allem auch die Fans auf den Sitzplätzen an), kehrt ab von der ewigen Motzerei. Wenn ihr Punkte wollt und gute Spiele, dann gelingt dies am ehesten mit selbstbewussten Spielern in einer selbstbewussten Mannschaft, der das Publikum den Rücken stärkt. Gerade wenn es etwas harzig und sehr viel über den Kampf läuft, wenn der Gegner immer wieder erfolgreich stört, kann die Reaktion des Publikums eine entscheidende Rolle spielen. Reagiert es panisch oder verärgert, so verunsichert dies auch die Spieler und die Mannschaft. Würde man die Spieler danach fragen, so würden sie dies – mediengeschult wie sie heute sind – in Abrede stellen und sagen, sie seien Profis und müssten mit so etwas umgehen können. Da kann man nur sagen: umgehen schon, aber wie (oder wie gut)? Herrscht auf den Rängen eine negative Stimmung, wirkt dies immer auf die Mannschaft. Genauso wie die lautstarke Unterstützung, die gerade von den Sitzplätzen immer wieder fehlt, eine positive Wirkung haben kann.

Man sagt, der Emmentaler sei reserviert. Dies stimmt, wenn man das Anfeuern der Mannschaft als Massstab nimmt. Gerade auf den Sitzplätzen ist diese Reserviertheit nicht mehr zu überbieten. Wenn es allerdings ums Motzen und Fluchen geht, verliert sogar der Emmentaler seine Reserviertheit. Schade!