Unlösbare Aufgabe für Klotens Hockey-General?

Die Kloten Flyers verabschieden sich von der Dorf-Romantik: Matthias Berner wird neuer Hockey-General. Er soll den Verein wirtschaftlich erfolgreich machen.

Presse • • von 20 Minuten online, Klaus Zaugg

Ein Personalentscheid mit Signalwirkung: Klotens Besitzer Philippe Gaydoul geht mit der Amtseinsetzung von Matthias Berner neue Wege. Mit Berner übernimmt nämlich zum ersten Mal überhaupt ein ausgewiesener Finanz- und Sanierungsspezialist die operative Führung eines Hockeyunternehmens in der höchsten Liga.

Berners Amtskollegen in der Liga haben durchwegs eine andere Herkunft: Marc Lüthi (SCB) und Daniel Villard (Biel) kommen aus dem Verkaufs- und Marketingbusiness. Zugs Patrick Lengwiler hat sich innerhalb des Unternehmens EVZ vom Nachwuchstrainer bis zum Geschäftsführer hochgearbeitet. Fribourgs Raphael Berger und Rappis Roger Sigg sind ehemalige Verteidiger. Luganos Roland Habisreutinger war Verteidiger und später Spieleragent. Langnaus Ruedi Zesiger war Lehrer und Politiker. Servettes Chris McSorley war und ist in erster Linie Hockeytrainer und führt faktisch das Unternehmen. ZSC-Manager Peter Zahner war Verbandsdirektor. Der HCD wird durch eine Art Doppelspitze mit Arno Del Curto (Trainer) und Wirtschaftsanwalt Gaudenz Domenig (Präsident) geführt. Am ehesten hat noch Ambris Rolando Marzano das Profil von Matthias Berner: Der Wirtschaftsprüfer war vor dem Job bei Ambri in leitender Position im Lugano-Büro des globalen Beratungsunternehmens Ernst & Young tätig.

 

Berner ist Krisen-Erfahren

Aber keiner kommt an die Erfahrung von Matthias Berner auf dem Finanz- und Organisationswesen heran: Er hat vor neun Jahren die grösste Finanzkrise des Verbandes grandios gemanagt und hält seither den Verband (Swiss Ice Hockey) finanziell auf Kurs, seit einem Jahr führt er den Verband operativ. Er hat zudem die politisch und kulturell heikle Zusammenführung von Liga und Verband unter ein einziges Dach orchestriert.

 

Die Signalwirkung durch Matthias Berners Anstellung ist klar: Aus den Kloten Flyers soll ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen werden. Damit steht Klotens Hockey-General vor der grössten Herausforderung seiner Laufbahn. Eigentlich vor einer fast unlösbaren Aufgaben.

 

Fehlbetrag von bis zu 3 Millionen

Denn bis heute haben die Kloten Flyers nicht die Strukturen, um in der NLA ohne betriebsfremde Zuschüsse existieren zu können. Die Präsidenten mussten vor allem im 21. Jahrhundert immer ein Betriebsdefizit decken. Die Fehlbeträge liegen heute in der Regel zwischen einer und drei Millionen. Das war bei Peter Bossert so. Der konnte bezahlen. Das war bei Jürg Bircher so. Der konnte nicht mehr bezahlen. Das wird nun auch im ersten Geschäftsjahr unter Philippe Gaydoul so sein. Und möglicherweise halt auch im zweiten und dritten und vierten und fünften.

 

Matthias Berner steht aber auch für die Abkehr von der Dorfromantik: Seit dem Aufstieg in die NLA im Frühjahr 1962 haben immer Männer aus dem Dorf oder solche, die den Dorfkönigen nahe standen das dienstälteste Hockeyunternehmen der Liga geführt und gemanagt. Der soeben zurückgetretene Präsident Rolf Mosimann geht sozusagen als letzter Mohikaner der Klotener Hockeykultur in die Geschichte ein.

 

Geschickter Schachzug von Gaydoul

Der Versuch, aus den Kloten Flyers ein wirtschaftlich funktionierendes Unternehmen zu machen, provoziert den Kampf der Kulturen. Es ist ein überaus interessantes Experiment: Gelingt es dem Unternehmer Philippe Gaydoul die ewigen Gesetze ausser Kraft zu setzen, die da sagen, dass ausser dem SC Bern im helvetischen Hockeybusiness niemand schwarze Zahlen schreiben kann? Dass er die wichtigste Führungsposition im Unternehmen mit einem Mann besetzt, der das Sportgeschäft kennt, aber ohne Emotionen von der wirtschaftlichen Seite her angeht, ist konsequent und richtig.

 

Matthias Berner geniesst im Übrigen die allerhöchste Wertschätzung von SCB-General Marc Lüthi. Er kann sich beim Branchen-Primus jederzeit guten Rat holen. Womöglich hat der SCB in Kloten bald mehr Einfluss als die Dorfkönige.