Das Potential der SCL Tigers

Viel besser, als von den Experten vermutet

Die SCL Tigers haben ein übberagendes erstes Drittel der Qualifikation hingelegt und befinden sich derzeit auf dem dritten Tabellenrang. Dies hat viel, aber nicht nur mit Coach Heinz Ehlers zu tun.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Wer hätte das vor der Saison gedacht? Die SCL Tigers treten in Biel zum Spitzenkampf an. Erster gegen Dritter. Allein dass der EHC Biel die Meisterschaft nach seinen 17 absolvierten Spielen ganz vorne liegt, ist bereits eine Überraschung. Den Seeländern wurde zwar in den Vorschauen der Experten auf diese Meisterschaft hin einiges zugetraut. Aber gleich der erste Rang dann doch nicht. Wenn auch keine Sensation, so ist das erste Drittel dieser Qualifikation des EHCB aus neutraler Sicht doch eine Überraschung. Eine erfreuliche dazu. Denn wenn nicht immer die gleichen vier Mannschaften die Tabellenspitze zieren, kann dies dem Eishockey in der Schweiz nur gut tun.

Nicht mehr bloss als Überraschung, sondern als Sensation ist der dritte Tabellenrang der SCL Tigers zu werten. Denn in dieser Tabellenregion hätte die Langnauer nach 16 Spielen wirklich niemand vermutet. Sowohl viele Experten als auch die meisten Fans anderer Mannschaften setzten die Tiger in ihren Prognosen auf einen der beiden letzten Ränge. Im Fokus steht vor allem Coach Heinz Ehlers. Kein anderer, so wird argumentiert, verstehe es, aus so wenig Potential so viel heraus zu holen. Aus einem Minimum hole er das Maximum heraus, wird zum Beispiel in der heutigen Ausgabe des Blick geschrieben.

Doch ist das Potential in Langnau tatsächlich derart mickrig, wie uns da weis zu machen versucht wird? Wir gehen der Sache mal etwas auf den Grund.

Die Torhüter

Eine Mannschaft, die keinen guten Torhüter hat, wird es schwer haben, ihre Ziele zu erreichen. Eigentlich hat es bisher nur der HC Laugano geschafft, ohne einen überragenden Torhüter Meister zu werden. Die SCL Tigers verfügen derzeit mit Ivars Punnenovs und Damiano Ciaccio über zwei äusserst starke Torhüter, die ihrer Mannschaft nicht nur immer wieder die Chance geben, Spiele zu gewinnen, sondern die auch Spiele für ihre Mannschaft gewinnen. Die Torhüter sind jedoch – wenn auch oft als Einzelgänger – Bestandteil des Teams. Ihr Potential ist deshalb zum Potential der Mannschaft zu addieren. Allein auf dieser Position sind die Ennentaler zumindest im vorderen Mittelfeld zu platzieren (wir wollen ja bescheiden sein).

Die Ausländer

Mit Harri Pesonen, Chris DiDomenico, Aaron Gagnon, Mikael Johansson und Eero Elo verfügen die Langnauer über ein Ausländer-Quintett, als welchem Coach Heinz Ehlers jeweils die vier heissesten auswählen kann, bzw. die vier, die gegen den kjeweiligen Gegner am besten ins taktische Konzept passen. Erstmals seit langem ist mit Harri Pesonen wieder mal ein Tiger in den vordersten Positionen des Skorerliste anzutreffen. Derzeit ist es Rang 3, und auch Chris DiDomenico ist in den Top 10 (10.) aufgeführt. Mit Ausnahme von Mikael Johansson (-5) haben Langnaus Ausländer auch alle positive Plus/Minus – Bilanzen. Diese geben darüber Auskunft, ob ein Spieler bei Toren der eigenen oder der gegnerischen Mannschaft öfter auf dem Eis gestanden ist. Allerdings sind diese Bilanzen mit Vorsicht zu geniessen, denn dabei bleibt offen, gegen welche Gegenspieler ein Spieler jeweils anzutreten hatte. Trotzdem: dass vier von fünf Tiger-Ausländern positive Bilanzen vorweisen können, spricht halt doch für deren Qualität. Denn Langnaus Söldner laufen nur selten gegen die vierten Linien ihrer Gegner auf, sondern haben sich jeweils mit den Stärksten zu messen. Glück hatten die Emmentaler vor allem bei der Verpflichtung von Harri Pesonen. Lausanne wollte ihn nicht mehr. Heute wäre man im Waadtland wohl froh, hätte man ihn noch. Was das Potential der Ausländer betrifft, kann man sich bei den SCL Tigers wahrlich nicht beklagen.

Die weiteren Neuzuzüge

Bei Andrea Glauser von einem „weiteren Neuzuzug“ zu sprechen, grenzt schon fast ein wenig an Frechheit. Der von Gottéron gekommene Neo-Tiger hat gerade in der Nati ein erfolgreiches Debut gegeben. Er hat das Potential, früher oder später ein Stammspieler in der Nationalmannschaft zu werden und auch in Langnau hat man Freude am Verteidiger. Auch Claudio Cadonau und Larri Leeger sind Verteidiger und neu im Team und haben sich bestens eingeführt. Claudion Cadonau hat mit +6 eine der besten Plus/Minus – Bilanzen der Mannschaft und auch Larri Leeger steht mit + 3 gut da. Mit Nolan Diem kam zudem vom EV Zug ein Rollenspieler ins Gefüge von Heinz Ehlers, der seine Rolle gut spielt. Der damalige Sportchef Jörg Reber hatte also ein gutes Auge und hat – gemessen am zur Verfügung stehenden Budget – einen ausgezeichneten Job gemacht.

Diejenigen, die schon da waren

Im Team der SCL Tigers sind einige Akteure, welche auch in anderen Teams tragende Rollen spielen. Zu nennen wären da etwa Captain Pascal Berger und Alexei Dostoinov, aber vor allem auch die Verteidiger Federico Lardi und Samuel Erni (beide +7) sowie Yannick Blaser (+ 4) stellen ihren Wert unter Beweis. Anton Gustafsson (10 Punkte / +5 Bilanz) und Raphael Kuonen (8 Punkte / -4) sind regelmässige Skorer.

Der Coach macht die Mannschaft stärker

Es ist schwer nachzuvollziehen, wie vor allem die Experten auf ihre schlechten Saisonprognosen bezüglich der Langnauer gekommen sind. Waren sie einfach zu faul, um genau hinzuschauen? Prognosen sind dazu da, dass man hinterher darüber fabulieren kann, weshalb es denn anders gekommen ist. Trotzdem sollte man sich, wenn man Prognosen erstellt, mit den Mannschaften, ihren Stärken und Schwächen etwas eingehender befassen. Wenn eine Mannschaft besser abschneidet als erwartet, wie dies beispielsweise die SCL Tigers mit ihrem 9. Rang in der letztjährigen Qualifikation (prognostiziert war auch damals Rang 12)) getan haben, so ist dies selten einfach nur dem Zufall oder einem «Lauf» zuzuschreiben, sondern hat handfeste Gründe. Dass Coach Heinz Ehlers einer dieser Gründe ist, liegt auf der Hand. Der Däne hat oft bewiesen, dass er aus dem vorhandenen Potential das Ootimum heraus holen kann. Aber mit Verlaub: Auch er kann aus Scheisse kein Gold machen. Das ihm zur Verfügung stehende Potential ist offenbar besser, als dies von den Experten gesehen wird. Längst nicht bei jedem Spieler, der bei einem Coach keine grosse Rolle spielt, mangelt es an Potential. Mancher passt mit seiner Spielweise einfach nicht ins Konzept. Bei einem anderen Coach funktioniert der gleiche Spieler aber sehr gut. Beispiele hierfür sind Harri Pesonen und Federico Lardi. Beide spielten bereits beim HC Lausanne unter Coach Heinz Ehlers jeweils eine gute und wichtige Rolle. Beide fielen dann unter Ehlers Nachfolgern beim LHC etwas aus den Traktanden, bevor sie nun in Langnau, erneut unter Heinz Ehlers, wieder aufblühen. Dafür sind zwei Dinge verantwortlich: das notwendige Potential, und ein Coach, der weiss, wie dieses einzusetzen ist.

Fazit: Die SCL Tigers haben den idealen Coach. Aber sie haben in ihrer Mannschaft auch viel mehr Potential, als von den Experten vermutet oder gesehen.