Viel Unruhe im Schoss der Kloten Flyers

Die Kloten Flyers haben sportlich gute Aussichten, wie stets seit 2006 die Play-offs zu erreichen. Trotzdem herrscht im dienstältesten Klub der NLA grosse Unrast als Folge von Rücktritten und Intrigen.

Presse • • von Neue Zürcxher Zeitung, Jürg Vogel

Die Erinnerungen an das letzte Sommertheater sind noch wach. In Kloten musste der Eishockeyklub einen Schuldenberg von rund 10 Millionen Franken abbauen. Ab dem 29. Juni 2012 zeichnete der Unternehmer Philippe Gaydoul als neuer Mehrheitsaktionär, der im Verlauf des Herbsts 100 Prozent der Stimmrechte der Betriebs-AG übernahm. Der frühere Verbandspräsident blieb ausserhalb des Verwaltungsrats, was sich im Februar ändern wird. Dann übernimmt Gaydoul den VR-Vorsitz der Flyers als Ersatz für Rolf Mosimann, der nach nur fünf Monaten zurücktrat als Folge unterschiedlicher Ansichten über die Strategie. Eine schöne Worthülse, wenn man bedenkt, dass die Flyers eigentlich gar keinen Verwaltungsrat brauchen, weil die Machtverhältnisse so klar liegen.

 

Filz im Dorf

Der «Fall Mosimann» illustriert, woran die Flyers kranken. In der Führung laufen seit vier, fünf Jahren Intrigen der gröberen Art. Mosimann diente früher bereits unter zwei Präsidenten, und immer gab's zum Abschied Krach, sowohl mit dem Obmann Peter Bossert als auch mit dem Pleitier Jürg Bircher. Dabei leistete Mosimann für die Flyers viel gute Arbeit, aber stets stoben sofort die Funken, wenn die Interessen im grossen Dorf mit Ansätzen zu modernem Management kollidierten.

 

Als vor zehn Jahren ein Direktor der Flyers Catering-Rechte zulasten der Dorfmetzgerei für 200 000 Franken an eine auswärtige Firma verkaufte, zerkratzte der Mob das Auto des Marketingmanns.

 

Die neue Unruhe in Kloten hat den Ausgangspunkt im letzten Sommer. Finanztechnisch gelang zwar die Sanierung, auch wenn das annoncierte Budget von 12 Millionen Franken nach zwei Monaten nur noch Makulatur war. Der Haushalt der Flyers wird die Grenze von 15 Millionen sicher übertreffen. Gaydoul vollzog schon viele Sanierungen: Bilanzsumme verkleinern, Kapitaldecke stärken, Consumer-Linie straffen, Unkosten drücken. In diesem Belang wird der frühere «Mister Denner» wohl nicht scheitern. Aber wie in der Wirtschaft sind im Sport die Menschen der Schlüssel zum Erfolg. Neue Flyers-Günstlinge, etwa der Eishockey-Grünschnabel Wolfgang Schickli als CEO aus dem Drittliga-Fussball, dehnten die Sanierung auf den Sport aus. Das war erstens ein Verstoss gegen die Gewaltentrennung der Branche (in Spitzenklubs wird die Technik separat geführt) – und zweitens fatal in der Wirkung, da Änderungen ausgerechnet das Modul Trainer/Mannschaft erfassten, das bis dahin gut funktioniert hatte. Es folgte der Abgang der sportlichen Führungstroika Anders Eldebrink / Felix Hollenstein / Jürg Schawalder.

 

Viele «Reformen» fanden bar jeder Vernunft statt. Der frühere Fanionspieler Frédéric Rothen wurde ins Amt des Assistenzcoachs gedrängt, wobei der Betroffene unter Tränen den Kollegen mitteilte, er wäre doch lieber Konditionstrainer geblieben. Den Juniorentrainer Tomas Tamfal stufenlos zum Cheftrainer zu befördern – so etwas ging in einem halben Jahrhundert NLA noch nie gut. Ab der ersten Minute stimmte die Chemie zwischen Coach und Team nicht. Die Mannschaft spielte fortan unter Selbstverwaltung und lebte in den letzten Wochen von der Hand in den Mund, von der Substanz.

 

Diese Entwicklung droht die Flyers im Herz zu treffen. Warum? Seit 30 Jahren ist Kloten mangels finanzieller Ressourcen extrem vom Know-how abhängig, von der Software, mit der das Team technisch-taktisch programmiert wird. Mit ihrem läuferischen Ballett-Hockey mit hohem Tempo und präzisem Passing wurden die Flyers zur respektierten Marke, die in der Ausbildung Massstäbe setzte, mit fast sieben Jahren Laufschule unter dem Russen Wladimir Jursinow. Das Duo Eldebrink/Hollenstein wirkte auch sieben Saisons. Kontinuität in der Technik bescherte Kloten einen Mehrwert. Die letzten guten Transfers tätigte Kloten in der Ära Bircher unter dem Finnen Alpo Suhonen, einem Literaten und Techniker mit NHL-Erfahrungen.

 

Ochsner redet mit

Den Aufstieg in die Elite verdankte Kloten in den siebziger Jahren dem autoritären Macher Jürg Ochsner, der acht Jahre als Trainer und ein Jahrzehnt als Präsident wirkte. Als nationaler Ausrüster und Grossist grosser Eishockey-Marken aus Übersee fädelte er für Kloten bauernschlau viele Transfers von Weltklasseleuten ein. Wenn Gaydoul jetzt Hollenstein, der kürzlich noch mit dem Anwalt gegen den Klub für seine Rechte kämpfen musste, ins Traineramt zurückholen will, dann spielt Ochsner eine wichtige Rolle. Der frühere Meister-Captain tut keinen Schritt, ohne sich mit Ochsner abzusprechen.

 

Hollenstein hat die gegenwärtige Gefahr erkannt, dass Klotens mühsam aufgebaute Spielkultur zerbröselt. Der Gemeinsinn leidet, wenn die Flyers für die Arbeitnehmer nicht mehr eine erste Adresse darstellen. Er weiss, dass viele Fehler passiert sind, die für nächste Saison kaum mehr korrigiert werden können. Die Flyers bleiben damit im Rink und ausserhalb ein Hort der Unruhe. Der am 22. November als Sportchef geholte André Rötheli kämpft als Lehrling im ersten Dienstjahr mit 15 000 Franken Monatsgehalt auf einem undankbaren Posten. Der frühere Center kennt noch nicht einmal die Namen der besten Junioren im eigenen Klub.

 

So steht auch Rötheli vorerst nicht für ein neues sportliches Morgenrot der Flyers.