Berner Zeitung

Volles Haus heisst nicht volle Kasse

von Adrian Ruch, Berner Zeitung - Heute Samstag empfängt der SC Bern in der ausverkauften Postfinance-Arena Gottéron zum zweiten Match der Finalserie. CEO Marc Lüthi erklärt, weshalb kein Geldregen auf die Organisation niederprasselt.

Presse • • von Adrian Ruch

Marc Lüthi wird im Volksmund zuweilen wenig schmeichelhaft «Chole-Marc» genannt. Der Übername beruht freilich auf einer Mischung aus Bewunderung und Neid. Denn Lüthi hat aus dem SC Bern den einzigen Schweizer Grossklub gemacht, der ohne Mäzen Jahr für Jahr ein positives Rechnungsergebnis präsentieren kann. Der Stabilität im finanziellen Bereich liegen eine strikte Kostenkontrolle und erfolgreich geführte Gastronomiebetriebe zugrunde. Das Budget der SCB Eishockey AG, das jeweils mindestens eine schwarze Null vorsieht, wird auf der Basis von drei Heimspielen im Playoff-Viertelfinal errechnet.

 

Heute tritt der SCB im Rahmen der Playoffs schon zum neunten Mal vor eigenem Publikum an, und die Postfinance-Arena ist in der zweiten Finalpartie gegen Gottéron selbstverständlich ausverkauft. Rund 3000 Bärezipfel (Würste), 1800 Abendessen und 15'000 Liter Getränke werden im Eishockeytempel verkauft. Die Vermutung, der CEO des SCB reibe sich dieser Tage die Hände, weil ein heftiger Geldregen auf die Organisation niederprassle, trifft freilich nicht zu.

 

Prämien für alle Angestellten

Marc Lüthi sagt, aus einem Playoff-Halbfinal resultiere normalerweise eine rote, aus einer Finalserie eine schwarze Null. Warum sorgt das volle Haus nicht für eine volle Kasse, immerhin werden über 4000 Einzeleintrittskarten verkauft? Zu den normalen Aufwendungen für die Durchführung einer Partie komme dazu, dass jeder SCB-Mitarbeiter ab dem Halbfinal für jedes Heimspiel eine Prämie in individueller Höhe erhalte, erzählt Lüthi. Er spricht nicht nur über die Spieler der ersten Mannschaft; Prämien erhalten alle, vom Sekretariatsangestellten bis zu Cheftrainer Antti Törmänen. «Von den Playoffs profitieren vor allem die Gastronomiebetriebe, allerdings bleiben von jedem Franken Umsatz nur fünf bis zehn Rappen übrig.»

 

Marc Lüthi ist etwas abergläubisch. Er vermeidet es, das Wort «Meister» in den Mund zu nehmen. Daher wählt er folgende Formulierung: «Wenn du es schaffst, stehen ein Umzug und eine Feier auf dem Programm – das sind reine Kostenfaktoren.» Zusammengefasst bezeichnet der SCB-Chef die Playoffs als «Nullsummenspiel».

 

Die «Werbekampagne» läuft

Hoch wird der Gewinn aus dem Geschäftsjahr 2012/2013 auch deshalb nicht ausfallen, weil durch die Verpflichtung von John Tavares, Mark Streit und Roman Josi nicht budgetierte Aufwendungen anfielen. Trotzdem ist Lüthi derzeit bestens gelaunt. «Unsere Philosophie ist klar: Der Sport ist das Wichtigste. Während der Qualifikation haben wir die heilige Pflicht, unsere Fans zu unterhalten. Ab Playoff-Beginn zählt nur noch der Sport respektive der Erfolg.»

 

Die Resultate in den Playoffs wirken sich also nur minimal auf die Erfolgsrechnung aus, mittelfristig beeinflussen sie die finanzielle Situation der SCB Eishockey AG indes schon. Der Klub muss für die Berner attraktiv bleiben, immerhin sollen alljährlich 13'000 Saisonabonnemente verkauft werden. Habe der SCB sportlich ein schlechtes Jahr, müssten neue Spieler verpflichtet und die Anstrengungen im Marketingbereich verstärkt werden, erklärt Lüthi. «Insofern wirken starke Auftritte in den Playoffs wie eine Werbekampagne.» «Chole-Marc» würde daher noch so gern auf ein drittes Finalheimspiel verzichten, holte der SCB vorher den Titel.