Die Analyse des Scheiterns:

War es die Mentalität?

Nach 50 Qualifikationsrunden stehen die SCL Tigers um einen Rang und um acht Punkte besser da als vor Jahresfrist. Dies ist – zumindest was die Punkte betrifft – eine markante Verbesserung. Doch wann haben die Langnauer die Playoffs vergeigt?

Blog • • von Bruno Wüthrich

In der Saison 2016/17 lagen die SCL Tigers nach 50 Qualifikationsrunden mit 59 erspielten Punkten auf Rang 10. Die Frage, weshalb und wann die Playoffs verpasst wurden, stellte sich nicht. Denn zu weit waren die Emmentaler von Rang 8 entfernt. Ganze 11 Punkte fehlten zu Rang 8, der damals vom EHC Biel belegt wurde.

Diesmal fehlten nur 4 Punkte. Rang 8 belegt Servette, welches den Emmentalern vor Wochenfrist in der Direktbegegnung in der llfishalle den Zahn zog. Letztendlich lässt sich das Scheitern der SCL Tigers auf genau diese Partie reduzieren. Es war die drittletzte Runde der diesjährigen Qualifikation. Ein echtes Sechs-Punkte-Spiel. Die Langnauer verloren es nach 60 Minuten. Bei einem Sieg hätten sie drei Punkte mehr auf ihrem Konto, Servette deren drei weniger. Man rechne.

Die schwachen Ausländer sollen schuld gewesen sein, dass es die Langnauer nicht in die Playoffs schafften. So wenigstens die Analyse eines schweizweit bekannten Chronisten, dessen Name uns eigentlich nicht entfallen sollte, was aber trotzdem – zum Beispiel gerade jetzt – zuweilen geschieht.

Zugegeben: die Ausländer der SCL Tigers glänzten nicht mit Toren und Assists. Sie sind nicht in den vordersten Regionen der Rankings anzutreffen. Aber an guten Tagen reihten sie sich nahtlos in das System von Coach Heinz Ehlers ein. Und von den guten Tagen gab es viele. Aber leider nicht in den entscheidenden Spielen. Nicht gegen Servette. Aber in diesem Spiel waren die Ausländer nicht die Einzigen, welche ihre Leistung nicht abzurufen in der Lage waren. Es versagte die ganze Mannschaft.

«Man habe die Playoffs nicht in diesem Spiel verpasst», hörte man nach der Niederlage gegen die Genfer vor allem von Seiten der Fans, aber auch zuweilen von vereinzelten Verantwortlichen. Und in der Tat: jedes Spiel ist exakt drei Punkte wert. So gesehen können wir getrost auch den schwachen Start in die Saison für das Scheitern beim Saisonziel verantwortlich machen.

Doch wenn eine Mannschaft, welche von sämtlichen Experten mit Rang und Namen vor der Saison ans Tabellenende, und zwar ganz nach hinten geschrieben wurde, letztendlich Rang 9 erreicht, dann wurde offensichtlich vieles richtig gemacht. Denn die Experten täuschten sich um vier Ränge. Das ist viel. Jede Mannschaft durchläuft in einer derart langen Meisterschaft die eine oder andere Krise. Bei Teams wie den SCL Tigers sind es die eine oder andere Krise mehr als bei Spitzenteams, und/oder die Krisen dauern etwas länger. Krisen sind unvermeidlich. Deshalb spielt es eine untergeordnete Rolle, wann diese stattfinden, vor allem, wenn es eine Mannschaft fertig bringt, sie immer wieder zu bewältigen. Der miserable Start in die diesjährige Saison war deshalb nichts weiter als die erste Krise der Tiger.

Über die Saison gesehen erarbeiteten sich die Langnauer jedoch die Möglichkeit, sich für die Playoffs zu qualifizieren. Diese Möglichkeit gipfelte in der Direktbegegnung mit dem einzigen übrig gebliebenen Gegner um den begehrten Rang 8, der zur Qualifikation für die Playoffs berechtigt hätte. Nochmals: Wenn eine Mannschaft mit dem Potential der SCL Tigers so weit kommt, ist dies bereits aller Ehren wert. Da wurde viel mehr richtig als falsch gemacht.

Doch da war nun dieser Gegner: der HC Genf Servette. Etwas höher bewertet als die SCL Tigers, dafür aber angeschlagen. Derzeit ist bei den Genfern vieles ungewiss. Die Klubführung wurde während der Saison ausgetauscht. Es gibt finanzielle Fragezeichen. Trotz der Nachteile beim Potential galten die Langnauer vor dieser kapitalen Partie als Favorit. Die nationale Presse (die Experten) sah dies so.

Der Grund dafür war sicherlich die Disziplin, mit welcher die Tiger ihre Gegner zuvor immer wieder förmlich vom Eis gearbeitet hatten. Diese defensive Disziplin, welche der Mannschaft im Januar drei Siege in Folge ohne einen einzigen Gegentreffer eintrug, war in dieser Phase nahe an der Perfektion. Daran würde sich die offensiv potente, aber defensiv anfällige Mannschaft von Servette die Zähne ausbeissen. Die Tiger würden dieser Offensive stand halten, die löchrige Abwehr der Genfer würde die nötigen Tore zum Langnauer Sieg ermöglichen.

Doch es kam anders. Das defensive, auf Disziplin und Taktik aufgebaute, und vor der Olympiapause zuweilen perfekt funktionierende System der SCL Tigers schien in dieser Partie gegen Servette völlig vergessen gegangen zu sein. Die lange Pause schien den Langnauern nicht gut getan zu haben. Alles, was sie zuvor an taktischer Disziplin nahezu bis zur Perfektion beherrschten, war nach dieser langen, spielfreien Zeit wie weg trainiert. Dies war bereits im Startdrittel klar zu erkennen. Denn Situationen, in welchen ein gegnerischer Spieler allein auf den Torhüter zufahren konnte, gab es in den «perfekten» Spielen gegen Lausanne (1:0 n.P.), Lugano (4:0) und Kloten (1:0) keine. Im Startdrittel gegen Servette gab es jedoch bereits mehrere davon. Wir sahen diese Situationen auch in den beiden Spielen danach gegen den EHC Kloten (3:4 und 4:3).

Statt den SCL Tigers lieferten die Genfer eine defensiv äusserst disziplinierte Leistung ab. Die zum Sieg nötigen Tore ermöglichte ihnen die löchrige Abwehr der Langnauer. Verkehrte Welt. Es war, wie wenn die Mannschaften die Leibchen vertauscht hätten.

Zugegeben: man kann sagen, hätten die SCL Tigers zuvor das eine oder andere knappe Spiel für sich entschieden, statt es zu verlieren, hätten die Punkte trotz der Niederlage vom 28. Februar gereicht. Doch wie eingangs erwähnt, haben die Tiger in dieser Saison acht Punkte mehr realisiert als in der Spielzeit zuvor. Mehr kann man von einer Mannschaft mit diesem Potential schlicht und ergreifend nicht verlangen. Ergo kam es auf diese eine Partie gegen die Genfer an, in welcher die Langnauer offenbar mental nicht bereit waren. Sie waren nicht in der Lage, die geforderte, zum Sieg nötige disziplinierte Leistung abzurufen. Ganz im Gegensatz zu ihrem Gegner.

Die Frage ist jetzt nur, was geschehen wäre, wenn die Langnauer dieses Spiel gewonnen hätten. Hätte die wacklige Mentalität der SCL Tigers die trotzdem noch nötigen Punkte gegen den EHC Kloten eingespielt? Oder hätten eventuell die Nerven doch noch versagt?

In dieser Saison war es also die mentale Verfassung der Mannschaft in der Phase, wo es wirklich zählte. Wo es galt, die entscheidende Differenz zwischen Rang 8 und Rang 9 zu legen, und zwar zu eigenen Gunsten. Wenn sich die SCL Tigers aber in der nächsten Saison erneut um acht Punkte verbessern, werden sie keine derart entscheidenden Partien zu absolvieren haben. Was geschehen kann, wenn der Druck weg ist, sahen wir in dieser Qualifikation beim EHC Biel. Einmal etwas vom Strich entfernt, flogen die Seeländer förmlich auf Rang 3 nach der Qualifikation. Interessant wird sein, ob das Team von Antti Törmänen die Mentalität hat, dem positiven Druck, den die Playoffs mit sich bringen, gegen den playoff-gestählten HC Davos standzuhalten.