Der zweite Teil einer Analyse

Was es für die SCL Tigers schwierig macht

Sieben Spiele, sechs Niederlagen: Der gestrige Blog zeigte den ersten Teil einer Analyse von aussen, die mögliche Gründe aufzeigen soll, wieso die SCL Tigers so miserabel in die NLA-Saison 15/16 gestartet sind. Heute folgt der zweite Teil. Der Schreiber kann nur hoffen, dass er weder mit dem gestrigen, noch mit dem heutigen Teil seiner Analyse richtig liegt.

Blog • • von Bruno Wüthrich

 

Fans DSC06752

An Ihnen lieg es sicher nicht. Die Fans der SCL Tigers erscheinen zahlreich, und unterstützen ihre Mannschaft lautstark. Bild: Susanne Bärtschi

 

von Bruno Wüthrich - Es brauche in der NLA einen anderen Führungsstil. So wurde die Entlassung von Aufstiegs- und Wohlfühlcoach Bengt-Ake Gustafsson begründet. Doch die Mannschaft hatte unter Gus Erfolg. Da ist es vorerst mal nicht so einfach, einen neuen Führungsstil zu akzeptieren. Nach dem selbst für NLB-Verhältisse guten Aufstiegsjahr hatte verständlicherweise jeder der Aufsteiger den Eindruck, auch ohne Peitsche im Rücken und Tritt im Arsch gute Arbeit geleistet zu haben. Ich habe in jungen Jahren – selbstverständlich nicht im Sport – selbst einmal die Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn plötzlich trotz guter Arbeit ein rauerer Wind weht. Da machte eine ganze Abteilung ihren Job hervorragend, aber weil man einem abgehalfterten Direktor noch eine Aufgabe geben wollte, ernannte man ihn zum Leiter eben dieser Abteilung (sie hatte vorher über Jahre keinen). Der neue Abteilungsleiter wollte alles genau wissen, alles unter Kontrolle haben, was vorher während Jahren von selbst lief, wollte er befehlen. «Gell, Frau Soundso, heute sind die Regulierungsbriefe fällig», und: gell Herr Andersrum, sie denken an die offenen Posten». Und dies und das und jenes. Immer hatte man ihn im Rücken. Es fühlte sich für die in der Abteilung Arbeitenden genau von den Tag weg, an welchem der abgehalfterte Direktor das Zepter übernahm, nicht mehr gut an. Auch nicht für den neuen Abteilungsleiter. Es sollte für ihn nicht gut ausgehen.

 

Die SCL Tigers haben auch einen neuen Abteilungsleiter. Auch er kommt in eine Abteilung, die vorher gut lief (auch wenn dies nicht alle so gesehen haben wollen). Aber es kommt in Langnau noch etwas hinzu, was in der weiter oben beschriebenen Abteilung kein Problem war. Der neue Abteilungsleiter veränderte damals praktisch nichts. Wieso sollte er auch? Es lief ja. Die Abteilung stand zuvor unter keinerlei Kritik. Er nervte lediglich mit seiner Kontrolliererei und seiner Befehlerei. Aber von den SCL Tigers wurde ein Systemwechsel verlangt. Benoìt Laporte lässt nicht das gleiche System spielen wie sein Vorgänger. Und dies ist von der sportlichen Führung durchaus so gewollt. Es sollte nicht mehr schwedisches Systemhockey gespielt werden, sondern kanadisches Powerhockey. Und ich gebe es zu: Obwohl ich die Entlassung von Bengt-Ake Gustafsson nicht verstanden habe und sie auch heute noch bedaure, hat mich die Aussicht auf kanadisches Powerhockey mit dem Entscheid wenigstens ein Bisschen versöhnt. Wer das Spiel gegen den HC Lugano gesehen hat, der weiss, dass dies wirklich gut aussah. Bis auf die Tatsache natürlich, dass die SCL Tigers trotzdem verloren.

 

Jubel DSC06565

Viel zu selten haben die SCL Tigers Grund zum jubeln. Die Gegner durften sich an beinahe doppelt so vielen Toren freuen. Das Torverhältnis der Langnauer lautet 15:29! Bild: Susanne Bärtschi

 

Die Langnauer Eishockeyaner sind also derzeit daran, ein neues System unter völlig veränderten Vorzeichen zu «erlernen». Es wird ja nach Niederlagen immer wieder begründet, dass man daraus lernen müsse, und man sei noch in der Lernphase. Erschwerend kommt hinzu, dass die Torhüter der SCL Tigers bis dato – seien wir grosszügig – allenfalls durchschnittlich waren, wobei sich derzeit Damiano Ciaccio als klare Nummer 1 (eben leider nicht auf höchstem Niveau) heraus kristallisiert.

 

Der HC Lausanne wechselte nach seinem Aufstieg im Frühjahr 2013 ebenfalls den Trainer. Auf Gerd Zenhäusern folgte Heinz Ehlers. Im Unterschied zu den Langnauern wurde jedoch der Vertrag mit Ehlers lange vor Saisonende, noch während der laufenden Qualifikation unter Dach und Fach gebracht. Die Waadtländer rechneten zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem Aufstieg. Ehlers stand mit Christobal Huet ein Weltklasse-Torhüter zur Verfügung, der zudem beim HCL seinen zweiten oder gar dritten Frühling erlebt, der noch nicht völlig beendet zu sein scheint. Ehlers verpasste zudem seinem Team ein defensives Betonkonzept. Das Bollwerk war fast nicht zu knacken. Die Attraktivität von solchem Eishockey ist sicher etwas fragwürdig. Aber das Team und das Publikum wurden zwei Mal mit Playoffs und entsprechen vielen Siegen belohnt.

 

Tor gegen Langnau DSC06671

Ob es den Langnauern manchmal etwas zu schnell geht. Hier zappelt der Puck gerade zum 2:0 für Genf-Servette im Netz. Man beachte, wo die Genfer sind, und wo die Langnauer. Bild: Susanne Bärtschi

 

Die Langnauer müssen also lernen, wie sie mit einem meist mittelmässigen Torhüter und einem zumindest bei Heimspielen offensiven System und bei in der höheren Spielklasse deutlich gesteigertem Tempo und grösserer Intensität so weit defensiv fehlerfrei spielen, dass Siege möglich sind. Sie müssen dabei zur Kenntnis nehmen, dass sie eben auch in der Offensive andere Tempi gehen müssen, um zu Toren zu kommen, und dass zwischen den gegnerischen Pfosten neu NLA- und nicht mehr NLB-Torhüter stehen. Was vor etwas mehr als einem halben Jahr in der NLB noch einfach ging, ist heute in der NLA ein Geknorze.

 

Den SCL Tigers läuft derzeit die Zeit davon. Mit jeder Niederlage sinkt das Selbstvertrauen. Wer nicht einmal jedes dritte Spiel gewinnt, spürt schnell einmal, dass nicht gut sein kann, was abgeliefert wird, und dass offenbar zur Gegnerschaft eine Differenz besteht, die auch mit Leidenschaft und Kampfgeist nur schwer zu kompensieren ist. Vor allem, wenn man bei deutlich gesteigertem Tempo ein anderes System spielen soll. Es besteht die Gefahr, dass die Verbesserungen, die durch die Implementation des neuen Spielsystems gemacht werden, durch die sich zum Negativen verändernde Mentalität durch das ständige Verlieren gleich wieder zunichte gemacht wird.

 

Ich will niemandem etwas unterstellen: Doch ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als hätte sich rund um die SCL Tigers bereits eine gewisse Ratlosigkeit breit gemacht. Handeln ist gefragt. Doch wo? Beim Trainer? Werden die Torhüter nicht besser, ist auch der nächste Coach zum Scheitern verurteilt. Wird mit Verstärkungen zu lange zugewartet, kann der aktuelle Coach die Mentalität nicht mehr verändern. Und ob die Stürmer die Ladehemmungen ablegen können, ist auch mit neuen Torhütern und einem neuen Coach nicht sicher.

 

Ich wage es fast nicht auszusprechen, bzw. zu schreiben: Aber es ist nicht auszuschliessen, dass man sich bei den SCL Tigers mit dem Trainerwechsel und dem Wunsch nach einem Systemwechsel verspekuliert hat.