Nach dem desolaten 0:3 in Biel fragen wir uns:

Was ist nur mit dem Tiger los?

Wir befinden uns in der wichtigsten Phase der Saison, aber die SCL Tigers sind völlig von der Rolle. Wo liegen die Gründe.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Das kann es wirklich nicht sein. Zuerst eine 1:6 – Niederlage, bei der immerhin bis etwa zur Spielmitte eine reelle Siegchance bestand, dann ein Minisieg, der vor allem deshalb zustande kam, weil ein Einzelner (Torhüter Damiano Ciaccio) komplett über sich hinaus wuchs, eine Weltklasseleistung zeigte, und zudem Biels Stürmer komplett versagten. Es folgte erneut eine krasse Niederlage, deren Resultat zwar weniger desaströs aussah als die vorangegangene, die jedoch noch viel desaströser war, weil in diesem Spiel nie, wirklich gar nie auch nur der Hauch einer Siegchance bestand. Bei freundlicher Beurteilung kommen wir auf drei Torchancen der SCL Tigers im ganzen Spiel, was bei einem gegnerischen Torhüter in guter Form schlicht und ergreifend nicht ausreichen kann. Zwar hatten die Langnauer die Partie zumindest defensiv lange Zeit einigermassen im Griff, doch die Anzahl der Bieler Torchancen war insgesamt beträchtlich, und irgendwann werden davon die Eine oder Andere auch ausgenutzt. Dass das erste Tor bereits in der zweiten Minute fiel, war dem Spiel der Emmentaler nicht förderlich. Dass sie darauf derart passiv und ängstlich reagierten, ist jedoch völlig unverständlich.

Wo sind die Leader?

Leadership fehlte am gestrigen Abend in den Reihen der Langnauer gänzlich. Die Führungsrolle von Leitwolf Chris DiDomenico beschränkte sich darauf, für sich selbst möglichst viel Eiszeit zu reklamieren. Weshalb eigentlich? Bewirkt DiDo derzeit irgendetwas? Wo bleiben seine Pässe, die auch ankommen? Wo seine Durchschlagskraft? Wo seine Treffsicherheit? Seine Schüsse muss der gegnerische Torhüter meistens nicht einmal halten. Sie verfehlen nämlich das Ziel. Immerhin liess sich DiDomenico im zweiten und dritten Spiel dieses Playout-Finals nicht mehr so provozieren wie in Spiel eins. Haben ihm die Bieler bereits den Stecker gezogen? Irgendwie mag man dies nicht glauben. Chris DiDomenico ist seit seinem Engagement am Spengler Cup nur noch ein Schatten seiner selbst. Es stellt sich die Frage, ob es sich denn lohnt, noch Kanadier als ausländische Arbeitnehmer zu verpflichten, wenn selbst Teams wie die SCL Tigers, die auf ihre Imports absolut angewiesen sind, nicht anders können, als sie am Spengler Cup spielen zu lassen. Verletzungsrisiko oder anschliessende Formschwäche inklusive.

Doch Chris DiDomenico ist weder der einzige Teamleader, noch der einzige Ausländer, der derzeit vieles schuldig bleibt. Beginnen wir mit den andern Ausländern. Kevin Clark hat bisher in keiner Phase der drei Partien des Playout-Finals etwas aufblitzen lassen, das auch nur entfernt eine Tauglichkeit für solche Spiele hätte erkennen lassen. Kévin Hecquefeuille ist seit Wochen weit von seiner Normalform entfernt, und auch Ville Koistinen bleibt ausgerechnet jetzt, wo es wichtig wird, einiges schuldig. Weshalb auf die Einlösung der achten Ausländerlizenz verzichtet wurde, bleibt das Geheimnis von Sportchef Jörg Reber. Dass Jeff Campbell wegen seiner Verletzung fraglich sein könnte, zeichnete sich bereits im Januar ab. Dass sich allerdings Kyle Wilson zum dümmstmöglichen Zeitpunkt verletzen würde, war Pech. Mit solchen Ausfällen muss jedoch gerechnet werden.

Das Positive an dieser Situation. Bei einer allfälligen Ligaqualifikations-Serie gegen die Lakers aus Rapperswil müssten die Langnauer nur zwei Ausländer einsetzen, hätten also jeweils zwei Überzählige. Nach heutigen Erkenntnissen fiele dies nicht allzu sehr ins Gewicht. Anders als vor Jahresfrist bei den Lakers, die extrem auf ihre ausländischen Arbeitskräfte angewiesen waren, und bei denen es sich fatal auswirkte, dass sie jeweils nur zwei ihrer mit Abstand besten Spieler einsetzen durften.

Doch auch die Leader mit Schweizer Nationalität sind derzeit bei den SCL Tigers nicht zu finden. Derzeit ist keiner zu sehen, dem man Leaderqualitäten nachsagen könnte. Selbst Sven Lindemann, normalerweise auf dem Spielfeld sofort als Leader zu erkennen, verschwindet gegenwärtig in der Masse der Namenlosen. Die SCL Tigers wirken derzeit wie eine Gruppe von Sachbearbeitern, die wegen Abwesenheit ihres Chefs nicht mehr wissen, wie sie mit der zu bearbeitenden Sache umgehen müssen. Dass mit Anton Gustafsson und Kyle Wilson zwei Center ausfallen, erschwert das Abliefern einer zufriedenstellenden Arbeit zusätzlich. Niemand scheint derzeit fähig, in diese Bresche zu springen. Es ist ein Trauerspiel.

Dabei, und daran wollen wir uns gerne erinnern, lieferten uns die selben Spieler eine wirklich gute Qualifikation. Die Zuschauer wurden bestens unterhalten. Der mutmassliche Schweizermeister SC Bern wurde drei Mal bezwungen, ebenso oft, wie dessen derzeitiger Halbfinalgegner HC Davos. Der Langnauer Anhang hatte sich bisher wirklich nicht zu beklagen. Doch jetzt geht es gegen den Abstieg, und die Mannschaft ist nicht bereit, diesen Kampf wirklich anzunehmen. Könnte es sein, dass man in Langnau noch nicht wirklich bemerkt hat, um was es geht. Dies gilt übrigens auch für das Publikum. Trotz rappelvollem Bieler Fansektor kamen zum mit 1:0 gewonnenen Heimspiel vom letzten Dienstag gerade mal 5'377 Zuschauer. Angesichts der Wichtigkeit des Spiel ein mehr als bescheidener Wert. Mehr noch: Weil eben der Gästesektor voll war, könnte dies bei den einheimischen Fans der Saison-Minusrekord gewesen sein. Mit andern Worten: Jedes noch so unbedeutende Qualispiel war den einheimischen Fans wichtiger als ein Spiel, bei dem es um die Wurst geht.

Ist Scott Beattie bereits gescheitert?

Beim 1:0 – Heimsieg vom letzten Dienstag schien es, als sei Scott Beattie endlich in Langnau angekommen. Zwar waren die Tiger auch in diesem Spiel noch längst nicht da angekommen, wo das auf eine perfekte Partie hindeutende Resultat uns weis machen wollte. Aber sie agierten schnörkellos von hinten heraus, gingen so wenig Risiken wie möglich ein, und spielten trotzdem erfrischend nach vorne. Es war demnach nicht nur ein gewonnenes, sondern auch ein gut unterhaltendes Spiel. Es war aber – leider – der bisher einzige Sieg in den fünf Partien seit Scott Beatties Amtsantritt. Ein einziger Sieg in fünf Partien – ein positiver Effekt nach einem Trainerwechsel sieht fürwahr anders aus. Festzuhalten gilt ausserdem: So viel besser als das mit 4:9 verlorene Spiel in Ambri, welches Benoît Laporte richtigerweise den Job kostete, waren die Leistungen von gestern und in der zweiten Hälfte des Spiels vom letzten Samstag (1:6 in Biel) auch nicht. Höchste Zeit also, dass das Engagement von Herrn Beattie beginnt, Wirkung zu zeigen.