Wenig Helfer für wenig Leader

Wenig Helfer für wenig Leader

Weshalb die Torproduktion der SCL Tigers so stark nachgelassen hat. Die ungenügende Torproduktion ist in dieser Saison eines der grössten Probleme der SCL Tigers. Es gibt im Team zu wenig Helfer, die die wenigen Leader in der Offensive tatkräftig unterstützen.

Presse • • von Wochen-Zeitung, Werner Haller

 

Die SCL Tigers liessen im Verlauf der ersten 34 Runden mehrere Schwachpunkte erkennen. Gesamthaft betrachtet hat aber die zum Teil sehr mangelhafte Chancenauswertung am meisten Punkte gekostet. Was ist bloss aus der Schussfertigkeit der Langnauer geworden? Eine berechtigte Frage, wenn man die ersten 34 Spieltage der letzten und der laufenden Qualifikation miteinander vergleicht.

• 2010/11: Mit 1048 Schüssen wurden 107 Tore oder 3,15 Treffer pro Spiel erzielt. 52 Punkte und Platz 5 waren dafür der Lohn.
• 2011/12: Mit sogar noch etwas mehr Schüssen (1072) erzielten die Emmentaler nur noch 77 Tore (Durchschnitt 2,26) oder 30 weniger als vor einem Jahr. Mit 29 Punkten und Platz 11 gibt es für sie nur noch ein einziges Ziel: In der NLA bleiben.

Die ungenügende Torproduktion hängt unter anderem mit den zu grossen Leistungsunterschieden innerhalb der Angriffslinien zusammen. Mehr als einmal hatte man den Eindruck, dass Headcoach John Fust endlich eine durchschlagskräftige Paradelinie gefunden habe. Das Niveau für einen Durchschnitt von drei und mehr Toren pro Spiel konnte aber jeweils nur für ein paar Runden gehalten werden. Liess das beste Angriffstrio nach, war keine andere Sturmreihe vorhanden, um im offensiven Bereich die Führung zu übernehmen. So entstand früher oder später eine Überbelastung von Topskorern wie Simon Moser, Kurtis McLean, Pascal Pelletier und Lukas Haas. Sie alle hatten bisher sehr produktive, aber eben auch sehr unproduktive Phasen.
Schweizer haben nachgelassen
Das eindeutig grösser gewordene Gefälle innerhalb der Mannschaft ist bei einem Vergleich der Skorerlisten klar ersichtlich. Letzte Saison wurde die Skorerliste nach 34 Runden von fünf Spielern mit 21 bis 30 Punkten angeführt, unterstützt von acht weiteren Spielern im zweistelligen Bereich (12 bis 19 Punkte). Diese Saison liegen nur noch drei Spieler mit 22 bis 26 Punkten an der Spitze, gefolgt von bloss noch vier Spielern mit zehn bis 19 Punkten. Und den Kritikern der Ausländer sei gesagt: die vier ausländischen Feldspieler der letzten Saison erzielten mit 0,63 Skorerpunkten sogar noch den etwas niedrigeren Durchschnittswert als McLean, Pelletier und Perrault/Popovic jetzt (0,64). Entscheidend nachgelassen haben vor allem die Schweizer mit 139 Punkten gegenüber 199 (minus 60) vor einem Jahr.
Verblüffende Gerber-Linien
Die mit Abstand erfolgreichste Angriffsreihe bildeten bisher Lukas Haas, Kurtis McLean und Simon Moser, die in 19 Spielen bei 51 Punkten (20 Tore/31 Assists) gemeinsam auf dem Eis standen. Zwischen dieser Paradelinie und den restlichen Sturmformationen besteht allerdings ein Unterschied von mehr als einer Klasse. Joel Perrault (jetzt bei Ambri)-Pascal Pelletier-Joel Genazzi kamen in sieben Begegnungen auf 18 Punkte (7/11) und Pelletier-McLean-Simon Moser in acht Spielen auf 15 (6/9). Der deutlich erfolgreichste Mittelstürmer war Kurtis McLean, der neun verschiedene Nebenspieler zu 31 Toren führte. Pascal Pelletier verstand sich am besten mit Joel Perrault (13 Tore). Hinter den beiden Kanadiern folgt als effizientester Schweizer Center Adrian Gerber, der mit acht verschiedenen Flügelstürmern bei elf Toren im Einsatz stand. Der unauffällige Allrounder, der sehr oft auch gegen die stärksten gegnerischen Angriffslinien spielen muss, erwies sich einmal mehr als sicherer und vielseitig einsetzbarer Wert.

Tigers-Unterstützung aus Houston/Texas

Im Schweizer Eishockey sind erst zehn Lizenzen an einen ausländischen Nummer-1-Torhüter vergeben worden. Das mit Risiken verbundene Experiment hat sich bisher nur gerade für zwei Meistermannschaften gelohnt: Für Lugano, das 1999 den Titel mit Cristobal Huet (Fr) im Tor gewann, und für die ZSC Lions, die 2000, 01 und 08 mit Ari Sulander (Fi) gleich drei Mal Meister wurden. Alle andern Versuche wurden früher oder später abgebrochen. Auch die Verantwortlichen der SCL Tigers mussten ihre Meinung ändern. Ihr Kader ist ganz einfach zu schwach besetzt, um die Variante mit einem ausländischen Torhüter und drei (anstelle von vier) ausländischen Feldspielern verkraften zu können.


Als die SCL Tigers nach der letzten Saison Benjamin Conz (zu Lugano) durch den amerikanischen Goalie Robert Esche ersetzten, war dies die bestmögliche Lösung. Ein Nummer-1-Keeper mit Schweizer Pass war zum damaligen Zeitpunkt nicht frei. Es ist auch völlig falsch, dass Robert Esche von oberflächlich beurteilenden «Experten» immer wieder als Hauptschuldiger für die ausgebliebene Bestätigung der Playoffsaison 2010/11 bezeichnet wird. Die generelle Überforderung des gesamten Teams ist der wahre Hauptgrund dafür, dass sich die SCL Tigers jetzt auf den Liga-
erhalt konzentrieren müssen.
Im Gegensatz zum Frühling und Sommer dieses Jahres ist auf dem Transfermarkt wieder ein Nummer-1-Torhüter mit Schweizer Pass zu haben: Thomas Bäumle, dessen Vertrag bei Ambri am Ende dieser Saison ausläuft. Der 27-jährige Grenchner ist der Topfavorit der SCL Tigers. Diese erhalten bei ihren Bemühungen um Thomas Bäumle in einem gewissen Sinn sogar noch Unterstützung aus vergangenen Zeiten in Houston/Texas. Ambris Headcoach Kevin Constantine setzt in Zukunft ganz offensichtlich auf den Kanadier Nolan Schaefer, der 2007/08 und 2008/09 Torhüter der Houston Aeros war und früher oder später einen Schweizer Pass erhalten soll. Cheftrainer von Minnesotas Farmteam war damals Kevin Constantine, der vom Houston-Team übrigens auch den Verteidiger Maxim Noreau nach Ambri mitgenommen hat.
Die Akte «Benjamin Conz» haben die SCL Tigers bis auf weiteres geschlossen. Die von Servettes Chris McSorley geforderte Leihsumme wird immer unverschämter. Martin Gerber wird sich nach der Saison bei Växjö wie immer genügend Zeit lassen und schliesslich die beste Offerte in der besten Liga annehmen.