Der wichtigste Mann im Verein...

Wenn der Präsident den Aufstieg nicht genügend will

Für die SCL Tigers wäre vieles für den sofortigen Wiederaufstieg angerichtet gewesen. Doch die Signale, die von ganz oben kamen, waren nicht aufstiegstauglich.

Blog • • von Bruno Wüthrich

 

«Der wichtigste Mann im Verein ist der Präsident», wird Gilbert Gress, als Trainer zwei Mal Meister mit Neuchâtel Xamax, ehemaliger Fussball Nationalcoach und derzeit regelmässiger Studiogast bei Champions League – Übertragungen des Schweizer Fernsehens, jeweils nicht müde zu sagen. Und selbstverständlich gilt diese Aussage nicht nur für Fussball- sondern auch für Eishockeyvereine. Deshalb sind Handeln und Aussagen des Präsidenten entscheidend dafür, ob der Verein Erfolg hat oder nicht. Die SCL Tigers hatten in den letzten Jahren keinen Erfolg.

 

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Gilbert Gress, zwei Mal Meister mit Neuchâtel Xamax, Ex Nati-Coach, Fussball-Experte: «Der wichtigste Mann im Verein ist der Präsident!» Diese Aussage hat auch im Eishockey Gültigkeit.

 

Ob Michael Flückiger der Torhüter gewesen wäre, mit dem die SCL Tigers aufgestiegen wären, könnten wir nach der verlorenen Schlacht gegen den EHC Visp zwar behaupten. Wir tun es jedoch nicht, weil dies sowieso nicht bewiesen werden könnte. Der 30-jährige zeigte jedoch bei seinem temporären Engagement als Ersatz von Martin Gerber bei den Kloten Flyers starke Leistungen. In 11 Spielen wehrte er 92,2 Prozent aller Schüsse ab. Doch der Transfer nach Langnau kam nicht zustande. Dem Vernehmen nach, weil Flückiger einen Dreijahresvertrag forderte. Um folgende Fakten kommen wir jedoch nicht herum: a) Der EHC Visp hatte in der Finalserie der NLB-Playoffs ganz klar den besseren Torhüter als die SCL Tigers. b) Coach Bengt-Ake Gustafsson wollte Michael Flückiger unbedingt, und «Flügu», ein Langnauer, wollte nach Langnau. Dies bestätigte er kürzlich im Kreise der Nationalmannschaft explizit. Gustafsson vernahm von der Absage der Tigers an Flückiger von einem Journalisten, und er glaubte das für ihn Unglaubliche erst, als Rolf Schlapbach, Medienchef der SCL Tigers ihm dies bestätigte (FANTIGER-online berichtete).

 

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Er wäre gerne nach Langnau zurück gekehrt, unterschrieb nach der Absage der SCL Tigers (gegen den Willen von Coach Bengt-Ake Gustafsson) beim HC Ambri-Piotta: Michael Flückiger

 

Am 8. Januar 2014 sagte Wolfgang Schickli in der Berner Zeitung den Satz, der heute noch vielen schwer aufliegen könnte: «Kaum waren wir an der Spitze mit dabei, wurde ich aber bereits gebeten, Tempo rauszunehmen». Es gibt also bei den SCL Tigers mindestens einen, der aufs Bremspedal drückt, weil er den Wiederaufstieg in die NLA nicht mit letzter Konsequenz will. Peter Jakob sagte in der Berner Zeitung vom vergangenen Donnerstag, die SCL Tigers würden viel zu viel Geld ausgeben. Und am Samstag am «Hautnah-Event» wiederholte er seine Aussage. Immerhin wurde dem aufmerksamen Zuhörer klar, dass es sich dabei um die persönliche Meinung Jakobs handelt, die wohl nicht von allen Verwaltungsräten geteilt wird. Die Frage, wie er denn die Kosten zu senken gedenke, und welche sportlichen Kompromisse er einzugehen bereit sei, liess Jakob weitgehend unbeantwortet. Er verwies jedoch darauf, dass es nach dem überraschenden Abstieg der Tigers aus Zeitgründen nicht möglich gewesen sei, die in der NLB herrschenden Verhältnisse bei den Löhnen zu analysieren.

 

Peter Jakob im Talk 

Ein unbestrittener Held im Emmental. Tiger-Retter und Ilfishallen-Sanierer Peter Jakob im Neo1 Tigers Talk.

 

Der Verzicht auf einen starken Torhüter und Schicklis Ausbremsung sind jedoch Signale, welche zumindest unterschwellig auch beim Team ankommen und Wirkung hinterlassen. Es ist bequem in der NLB, die Löhne, die in Langnau gezahlt werden, sind für NLB-Verhältnisse sehr, oder fast schon zu gut (insofern hat Jakob mit seiner Aussage, es werde viel zu viel Geld ausgegeben, ja sogar recht). Doch eine Leidenschaft auf dem Eis wird anders entfacht, als mit defensiven Handlungen und Aussagen der Chefs. Was natürlich die Akteure auf dem Eis nicht zwangsläufig daran hindern muss, eine solche zu erbringen. In Langnau scheinen sich vor allem die Verwaltungsräte nicht bewusst zu sein, wie sehr sie durch ihr Handeln und ihre Aussagen auf das Team Einfluss nehmen. Denn wenn schon der oberste Chef nicht richtig will...

 

Nun geht es bereits an den Verkauf der Abonnemente für die nächste Saison. Und da sollte dem zahlenden Kunden das Recht zugestanden werden, zu wissen, welche Ziele die Sport-Unternehmung SCL Tigers verfolgt, und – fast noch wichtiger – mit welcher Konsequenz sie dies tut. Denn obwohl eine vermutlich stattliche Anzahl von Fans die Meinung von Peter Jakob teilen, und ebenfalls finden, dass ein Aufstieg viel zu früh gekommen wäre (oder gar nicht nötig sei, weil es in der NLB auch schön ist), so ist trotzdem davon auszugehen, dass mit einer NLB-Philosophie wohl künftig gegen 1'000 Saisonabonnemente weniger verkauft würden, und die durchschnittliche Zuschauerzahl sogar noch deutlicher sinken könnte.

 

Im Sport nicht zuhause

Es gibt nicht wenige, die würden Peter Jakob gerne ein Denkmal erstellen, wenn sie dieses nicht selbst bezahlen müssten. Und so ganz falsch ist das Anliegen nicht, denn der Unternehmer hat mit der Rettung der SCL Tigers und mit der Sanierung der Ilfishalle Grossartiges geleistet, und sich damit beinahe unsterblich gemacht. Diese Verdienste wurden auch durch den unnötigen Abstieg der Langnauer in die NLB in keiner Weise geschmälert. Jakob und seine Mitstreiter schufen durch ihr Wirken die nachhaltige Grundlage für einen erfolgreichen NLA-Eishockeybetrieb in Langnau. Seither wurde indes offenbar, dass der Drahtseil- und Drahtnetze-Fabrikant im Sport und im Eishockey einfach nicht richtig zuhause ist. Seit der sensationellen ersten und einzigen Qualifikation für die NLA-Playoffs 2011 geht es mit den SCL Tigers trotz neuer Infrastruktur unter der Führung von Jakob sportlich nur noch bergab. Er führte die SCL Tigers durch oft seltsame, mit vermeintlicher Vernunft begründeten Entscheide in die sportliche Zweitklassigkeit, und er zeigt ganz offensichtlich wenig Lust, sich aus der Gemütlichkeit der NLB wieder zu erheben. Obwohl immer wieder die «Vernunft» die Basis der Entscheide gewesen sein soll, handelte die Führungsetage der SCL Tigers oftmals genau entgegengesetzt.

 

Dass er die Tigers nach 2011 in die NLB gespart haben soll, hört und liest Jakob nicht gerne. Der Vorwurf lässt sich wohl nicht anhand nackter Zahlen belegen. Doch bekannt ist, dass einigen Playoff-Helden der Lohn auf die Saison 2011/12 hin kräftig aufgebessert wurde, während andere, unter ihnen Torhüter-Held Benjamin Conz, aus Kostengründen gehen mussten. Zu vermuten ist, dass diese beiden Massnahmen zusammenhängen. Dabei weiss Peter Jakob als Unternehmer sehr gut, dass es nichts bringt, der halben Belegschaft die Löhne drastisch zu erhöhen, und gleichzeitig – zum Ausgleich - seine wichtigsten Kräfte an die Konkurrenz abzugeben. Auch Daniel Steiner, der eine hervorragende Saison 10/11 ablieferte, liess man aus Kostengründen ziehen. Steiner, gerade von seinem gescheiterten Experiment aus Nordamerika zurück gekehrt, suchte einen Arbeitgeber in der Schweiz und fand diesen dank bescheidener Lohnforderungen bei den SCL Tigers. Daraus ergab sich für beide Parteien eine Win-Win-Situation. Trotzdem waren Jakob, Zesiger & Co. im Sommer 2011 nicht bereit, die Offerte von Lugano auch nur halbwegs mitzugehen. Bei derartigen Entscheiden (Conz, Steiner) die «Vernunft» als Begründung beizuziehen, wirkt in der Betrachtung der Gesamtumstände (drastische Lohnerhöhungen, Neuverpflichtung anderswo gescheiterter Spieler zu beachtlichen Löhnen) befremdlich.

 

Conz 

Benjamin Conz - in Langnau als Playoff-Held unvergessen

 

Zentrale Spieler sind teuer

Zugegeben: Benjamin Conz wäre sehr teuer gewesen. Doch er war die zentrale Figur bei der Qualifikation für die Playoffs 2011. Ohne seine hervorragenden Leistungen wäre dieses Husarenstück nicht gelungen. Wir erinnern uns: Sämtliche Experten schrieben vor der Saison die SCL Tigers auf den letzten Rang, viele weissagten sogar den Abstieg. Geworden ist es ein 6. Rang, und in Langnau hatte man das Gefühl, «es» eben viel besser zu wissen als «die Idioten von selbst ernannten Experten». Conz war damals an den HC Genf-Servette gebunden, und die SCL Tigers hätten zwei weitere Jahre eine hohe Leihgebühr an die Genfer bezahlen müssen. Doch die Chance wäre gross gewesen, den Jurassier nach Ablauf der Ausleihe langfristig an sich binden zu können. In Langnau hätte eine Mannschaft vor einem überragenden Torhüter, mit vier überdurchschnittlichen Ausländern, einigen guten Schweizern, einem guten Coach und vielen Nachwuchsspielern aufgebaut werden können. Die grossen Eishockey-Organisationen der Schweiz machen es inzwischen den Langnauern vor. Dank ihrem grossen Potential im Team können sie es sich über die Qualifikation leisten, junge Spieler in ihre Teams zu integrieren, und sie haben Erfolg damit. Ihre Playoff-Qualifikation ist deswegen kaum je in Frage gestellt. In Langnau war dies – zumindest in der NLA - nicht in gleichem Masse möglich. Mit vergleichsweise wenig Potential wird es schwierig, erfolgreich junge Spieler einzubauen. Die Gefahr, die Playoffs frühzeitig abschreiben zu müssen, wäre noch grösser geworden, was sich auf die Zuschauerzahlen ausgewirkt hätte. Benjamin Conz war deshalb für die SCL Tigers DIE Toplösung für die Zeit nach der Saison 10/11, und er wäre wohl heute noch in Langnau der Garant für gute Torhüterleistungen und zudem Integrationsfigur für die Fans.

 

Dass die SCL Tigers den Wert eines überdurchschnittlichen Torhüters auch nach dem Abgang von Benjamin Conz und dem Flop mit dem Amerikaner Robert Esche weiterhin nicht zu schätzen wussten, beweist der Verzicht auf Jaroslav Hübl im Dezember 2012, welchen die Emmentaler danach mit dem Torhüter-Theater zum Saisonende und mit dem Abstieg in die NLB bitter bezahlten. Hübl wurde soeben mit dem italienischen Verein HC Bozen, der erstmals an der österreichischen Meisterschaft teilnahm, auf Anhieb Meister. Sein Gehalt in der gerade abgelaufenen Saison betrug lediglich 40'000 Euro. Das Salär wurde jetzt aufgebessert auf ungefähr 70'000 Euro. Der Tscheche ersetzte bei den SCL Tigers im Herbst 2012 den verletzungsbedingt abwesenden Thomas Bäumle, und er tat dies hervorragend. Aus Kostengründen verzichteten die Langnauer danach trotzdem auf seine Weiterbeschäftigung, obwohl unsicher war, ob der mental als nicht besonders stark geltende Bäumle nach seiner langen Verletzung tatsächlich bis Saisonende der benötigte Rückhalt sein würde. Heute wissen wir, dass die SCL Tigers wohl bereits die Playout Finalserie gegen die Lakers aus Rapperswil oder spätestens die Ligaqualifikation gegen den HC Lausanne mit einem Torhüter von Hübls Klasse gewonnen hätten. Dass Hübl eine Ausländerlizenz beansprucht hätte, wäre bei der Qualität von Langnaus damaligen Söldnern absolut unerheblich gewesen. Klar ist auch, dass die Langnauer die Finalserie gegen den EHC Visp vor allem auf der Torhüterposition verloren. Der solide und deshalb untadelige Lorenzo Croce konnte mit dem formstarken Matthias Schoder nicht Schritt halten.

 

Hübl 

Auch er wäre gerne in Langnau geblieben und hätte im Kampf gegen den Abstieg helfen können: Jaroslav Hübl

 

Verwaltungsräte sollten Farbe bekennen, wenn...

Es ist höchste Zeit, dass die Teppichetage der SCL Tigers den Fans reinen Wein einschenkt. Es ist fair, wenn der zahlende Zuschauer wissen darf, für was er bezahlt. Falls die NLA in der Planung von Peter Jakob nicht mehr die Rolle spielt, die einst verkündet wurde, so gilt es, dies zu kommunizieren, zumindest falls auch die andern Verwaltungsräte die Sichtweise ihres Präsidenten teilen. Andernfalls sollten Käru Brügger, Walter Gerber, Thomas Wyss, Martin Lenz und Ernst Kühni aus dem Schatten Jakobs hervor treten und Flagge zeigen, Farbe bekennen, und sagen, was Sache ist. Immerhin hat im VR der SCL Tigers jeder Verwaltungsrat wie auch der Präsident eine Stimme. Anders als noch im Regime Hans Grunder, der alles diktierte und bei dem die Verwaltungsräte nur Kopfnicker und Jasager waren, haben im heutigen Verwaltungsrat der SCL Tigers sämtliche Räte das gleiche Stimmrecht (je eine Stimme). Wenn also schon der Präsident seine persönliche Ansicht äussern darf, müsste dies den andern Räten ebenfalls gestattet sein. Vielleicht erfahren wir dann auch mehr darüber, ob nur Peter Jakob, oder der gesamte Verwaltungsrat Differenzen mit Geschäftsführer Wolfgang Schickli hat. Fast will es nämlich scheinen, als wäre Schickli für Jakob in gewissen Bereichen etwas zu erfolgsorientiert.