Wenn die Videowürfel zum Ärgernis werden

Die Videowürfel in den Eishallen könnten ein Segen sein für Zuschauer, Presse und Werber. Was jedoch darauf abläuft, ist ein Ärgernis für die Einen, und die Andern erreichen nicht, was sie erreichen wollen.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Ein Eishockeyspiel in der obersten Spielklasse ist heutzutage sowohl Event als auch Sportanlass. Auf modernen Videowürfeln laufen die Spiele mit, in den Pausen werden sowohl Werbespots wie auch die Pausenspiele übertragen, im Idealfall moderiert von einer Moderatorin oder einem Moderator mit einer angenehmen, warmen Stimme und in einer Lautstärke, die einerseits alles, was da abgespielt wird, für jedermann, der daran interessiert ist, gut vernehmbar ist, die aber andererseits Pausengespräche unter den Zuschauern zulässt. Wie geschrieben: Im Idealfall. Davon sind wir in den meisten Eishallen weit entfernt. So weit, dass manche Zuschauer die Würfel am liebsten wieder demontieren würden.

 

Ärgernis Nr. 1: Die Zeitlupenwiederholungen

Wer kennt das nicht: Da wird Frau oder Mann gerade für einen Moment von den schönen Augen des Nachbars oder der Nachbarin abgelenkt (Männer lassen sich hoffentlich nach den gründlichen Belehrungen in den aktuellen Debatten auf vorwiegend deutschen Fernsehkanälen von nichts anderem mehr ablenken als von schönen Augen und hübschen Gesichtern, Frauen sollen und dürfen selbstverständlich hinschauen, wo sie wollen), und ausgerechnet in diesem Augenblick fällt ein Tor. Kein Problem, denn dafür haben wir ja in der Eishalle einen Videowürfel. Unverzüglich wandert unser Blick zu diesem Wunderwerk, und siehe da: Das Tor wird gebührend gefeiert. In Zug tanzt zum Beispiel das M einer allseits bekannten Fastfoodkette vor Freude so lange, bis die Wiederholung des Tores, trotz Zeitlupe, meistens vorbei, oder nur noch die allerletzte Sequenz daraus zu sehen ist. In solchen Momenten wird mir noch klarer als sonst, wo ich in nächster Zeit bestimmt nicht hingehe, um zu essen.

 

Dabei sollte doch jedem Marketingbanausen klar sein, wie Werbung auf dem Videowürfel in solchen Momenten am besten funktioniert. Zwei Sekunden (das reicht vollkommen) erscheint auf dem Videowürfel: «Tooooooooooor – Mr. Fastfood präsentiert: Die Zeitlupe». --- Und dann erscheint sie, und zwar in voller Länge: Die Zeitlupe, die wir alle sehen wollen.

 

Alles andere geht für mich unter Vergewaltigung der Zuschauer. Jeder weiss: Heute läuft nichts ohne Werbung. Wir haben uns daran gewöhnt. Wir finden sie sogar gut. Aber auch Werbung soll bitte, bitte, bitteeeeeeeeeeee zu unserer Unterhaltung beitragen und uns nicht bloss nerven, malträtieren und foltern.

 

Ärgernis Nr. 2: Schrille Stimmen und überdrehte Lautstärken

Die Schlusssirene ertönt, ich habe diesmal weder Hunger noch Durst, und bleibe deshalb sitzen, um sich mit der Nachbarin oder dem Nachbarn (ihr erinnert euch: der/die mit den schönen Augen) zu unterhalten. Aber das ist beinahe unmöglich. Mit penetrant überdrehter Lautstärke werden mir in marktschreierischer Art und Weise die Sponsoren des Klubs um die Ohren gehauen, oder Pausenspiele, die mich nicht interessieren. Manchmal gibt es auch ein Interview mit einem Spieler, bei dem aber rasch klar wird: Der will eigentlich gar nicht, viel lieber würde der gleich in die Kabine marschieren. Aber der Moderator will! Der sieht sich selbst gerne auf dem Videowürfel, denn der streckt seine Visage lieber eine Sekunde zu lang in die Kamera als umgekehrt. All dies deutet darauf hin, dass die Veranstalter dieser Spiele und Meisterschaften ihrer Kundschaft nicht zutrauen, sich zwei Mal eine Viertelstunde lang selbst zu unterhalten, um beispielsweise über den Verlauf des Spieles zu diskutieren, sich über den neusten Klatsch auszutauschen, zu politisieren, Termine zu vereinbaren oder zu flirten. Nein! Solche Dinge werden uns Zuschauern nicht nur nicht zugetraut, sondern es gilt, derartige Tendenzen durch akustische Vergewaltigung auch gleich rigoros zu unterbinden. Übrigens: Die Sponsoren interessieren mich schon. Mich nimmt sogar wunder, wer dies ist und was die für Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Sie dürfen deshalb auch überall und permanent im Stadion präsent sein, denn schliesslich soll sich ihr Engagement für alle Seiten lohnen. Aber dafür braucht man mir weder einen Ohrenschaden zuzufügen, noch die Konversation zu unterbinden. Clevere Marketingstrategen finden da andere Lösungen.

 

In Langnau ist nur Ärgernis Nr. 2 erträglich

Wie fast überall ist die Einblendung von Werbung zu dem Zeitpunkt, wo gerade die Zeitlupe läuft, auch in Langnau ein Ärgernis. Und es ist nicht kleiner als anderswo. Liebe Verantwortliche, macht euch darüber Gedanken. Sprecht mit den Werbern und den Sponsoren. Sie brauchen Beratung, damit sie ihr Geld nicht für etwas zum Fenster hinaus werfen, das bei den Zuschauern lediglich für Ärger sorgt, und bestimmt nicht den erhofften Effekt bringt. Wir Zuschauer in der Halle wollen den Service, der heute möglich ist, und vor allem wollen wir eine Gleichbehandlung mit dem Fernsehzuschauer. Dieser verfolgt zuhause gratis und franko das Spiel und kriegt die Wiederholung aus jedem erdenklichen Winkel und in Zeitlupe geboten. Dass sich der zahlende Zuschauer in der Eishalle statt dessen mit Werbung begnügen muss, ist eine ärgerliche Ungerechtigkeit. Das gilt übrigens auch für die Ausblendung bei umstrittenen Szenen (Strafen etc.). Gut, für diese Auslassungen sind nicht die Sponsoren, sondern der Verband (Swiss Eishockey, ehem. SEHV) zuständig. Offenbar befürchtet man ein «Durchdrehen» der Zuschauer bei Fehlentscheiden der Schiedsrichter. Nichtsdestotrotz ist dies eine Ungleichbehandlung des zahlenden Zuschauers gegenüber dem Gratis-Konsument am Bildschirm. Ein «No go»!

 

Zweifelhafter positiver Effekt «dank» fehlenden Sponsoren?

Ärgernis Nr. 2 ist in Langnau gerade noch erträglich. In der Ilfishalle wird weitgehend auf marktschreierische Präsentationen von Pauseninterviews, Pausenspielen etc. verzichtet. Die Zuschauer können sich meistens einigermassen ungehindert unterhalten. Die Frage ist lediglich, ob diese Schonung der Zuschauer freiwillig geschieht, oder ob der Grund hierfür darin zu suchen ist, dass es in Langnau bisher nicht gelungen ist, die genial sanierte Ilfishalle nicht nur im Cattering, sondern auch im Sponsoring gut zu vermarkten. Die Sponsorenliste auf dem Internetportal der SCL Tigers präsentiert sich fast wie eh und je eher trist. Dabei ist die Ilfishalle eine Spielstätte, die nebst einem modernen Angebot an Vermarktungsmöglichkeiten auch eine «Seele» hat. Ganz im Gegensatz zu den seelenlosen Spielstätten der ZSC Lions, des EHC Kloten, des EV Zug oder des HC Lugano. Zudem spielen auch die SCL Tigers, obwohl im tiefsten Emmental beheimatet, dank Fernsehen und Internet auf der nationalen Bühne. Wir hoffen, dass die einigermassen angenehme Pausenatmosphäre in der Ilfishalle auch dann noch Bestand hat, wenn es den Verantwortlichen gelingt, im Sponsoring zuzulegen. Was hoffentlich bald der Fall sein wird.