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Wenn Lolek und Bolek Hockey-Gott spielen

Die Langnauer haben ein neues Trainer-Duo: Sportchef Köbi Kölliker und Alfred Bohren. Aber sie haben mit Kölliker den falschen aus diesem Duo zum Chef gemacht.

Presse • • von Klaus Zaugg

Mittwochmorgen, kurz nach 08.00 Uhr im Gotthelf-Dorf Lützelflüh. Alfred Bohren (56) will sich gerade einen Anken-Bock (berndeutscher Ausdruck für Butterbrot) machen. Da rappelt das Natel. Am Apparat sein alter Freund Köbi Kölliker. Sportchef der SCL Tigers. «Er fragte mich, ob ich bereit sei, mit ihm zusammen die Mannschaft sofort zu übernehmen. Ich habe ohne lange zu überlegen zugesagt. Über Geld haben wir nicht einmal gesprochen. Im Emmental ist es Brauch zu helfen, wenn jemand in Not ist. Ich denke, für die paar Tage werde ich auch kein Geld verlangen.»

 

Und so steht Alfred «Fredu» Bohren, in Langnau als Bauernbub aufgewachsen, um 11.00 Uhr im neuen Hockeytempel auf dem Eis. Er ist eine Hockey-Kultfigur. Als Spieler und als Trainer. 1976 gehört er als bissiger Defensivstürmer zum einzigen Langnauer Meisterteam. Später wird er Trainer der SCL Tigers. Am 1. November 2002 wird er gefeuert und durch den Kanadier Ron Ivany ersetzt. Ein Wechsel ohne Not. Die Langnauer sind nicht in Abstiegsgefahr. Aber sie wollen ein Spitzenteam werden. Die Jahre des Hochmutes beginnen. Grosse Erfolge feiert der gelernte Schriftsetzer im Regionalhockey. Er gewinnt mit Wiki und den Huttwil Falcons die Amateur-Meisterschaft. Diese Saison führte er die SCB-Elitejunioren bis ins Finale. Seit Jahren ist er erfolgreicher Trainer verschiedener Junioren-Nationalteams.

 

Bohren kann ein Donnerwetter auslösen

Alfred Bohren kann noch etwas: Toben. Und zwar so, dass jeder hinhört und anschliessend jeder weiss, was es geschlagen hat. Ja, seine Donnerwetter sind im Regionalhockey nachgerade legendär. Aber er tobt jetzt bei den SCL Tigers nicht. Weder auf dem Eis noch in der Kabine. Er darf nicht. Er ist ja nicht Chef. Sondern nur Assistent.

 

Sportchef Jakob Kölliker ist nun doch noch dort angelangt, wo ihn alle erwartet haben, seit er in Langnau Sportchef geworden ist: an der Bande. Schon einmal war er Langnaus Trainer: Er führte das Team 1998 in die NLA zurück und hielt die Emmentaler im Frühjahr 1999 mit einem Sieg im 7. Spiel der Liga-Qualifikation gegen Chur in der höchsten Spielklasse. Schliesslich wird er hauptberuflicher U-20-Nationaltrainer und Dauerassistent von Ralph Krueger. Letzte Saison war er mit mässigem Erfolg deutscher Nationaltrainer.

 

Zwei Männer, die eigentlich alles über Hockey wissen. Trotzdem folgen nun ein paar bösartige Worte. Weil es bei Langnau nicht mehr um Hockey-Wissen geht. Sondern nur noch darum, mit einer Art Schocktherapie die Mentalität zu verändern. Nicht mehr um Taktik. Sondern um «Hockey-Voodoo». Um einen Führungsstil, den Kevin Schläpfer in Biel schon so oft in Extremsituationen und zweimal auch in der Liga-Qualifikation zelebriert hat.

 

Wenig Emotionen im ersten Training

Es folgen nun ein paar Bösartigkeiten. Jakob Kölliker und Alfred Bohren wirken bei ihrem ersten Eistraining nicht gerade charismatisch. Sie wecken keine Emotionen. Sie wirken irgendwie verloren und hilflos. Sie gemahnen an zwei Comic-Figuren und der Chronist denkt spontan: Lolek und Bolek spielen Hockey-Gott. An der Tafel erklärt Kölliker den Spielern die Taktik. Er wirkt so mitreissend und überzeugend wie eine ledige 60-jährige Handarbeitsschullehrerin aus dem Hühnerbach, die versucht, den Bauerntöchtern zu erklären, wie sie im Haberstroh einen müden Knecht in einen feurigen Liebhaber verwandeln können. Ende der Bösartigkeit.

 

«Es geht jetzt um Regeneration», erklärt Langnaus neuer Cheftrainer den schlappen Auftritt. «Wir müssen Energie sparen.» Deshalb seien ja auch nicht alle auf dem Eis gewesen. Tatsächlich werden Simon Moser und Kurtis McLean geschont. Sie sind angeschlagen, können aber im nächsten Spiel eingesetzt werden. «Toben hilft in dieser Situation nicht», sagt Alfred Bohren. «Wir haben alles, um uns zu retten. Es muss bloss jeder wieder Vertrauen in seine Fähigkeiten gewinnen.» Da helfe gutes Zureden mehr als herumschreien.

 

Alfred Bohren vergleicht die Situation mit einer Gruppe Bergsteiger im Steilhang kurz vor dem Gipfel, die das Vertrauen in Seil und Pickel verloren haben. Er sagt auch, es sei richtig, dass er lediglich die Rolle des Assistenten übernehme. «Köbi kennt die Mannschaft, er hat sie ja seit Monaten gesehen.» Köbi wird also die Strategie entwerfen, die Taktik festlegen und coachen. Bohren soll sich um Spezialsituationen kümmern.

 

Die Lösung Jakob Kölliker/Alfred Bohren ist ganz einfach eine kostenlose Notlösung. Weil der Verwaltungsrat bis und mit Dienstag Trainer Alex Reinhard in Nibelungentreue ergeben war, hat sich niemand um einen neuen Trainer bemüht. Und nun, da es doch passiert ist, reicht die Zeit nicht mehr für eine andere Lösung.

 

Köbi Kölliker zum Cheftrainer zu machen ist der letzte Fehlentscheid in einer Kette von vielen unglücklichen Massnahmen. Aber es ist wenigstens ein Entscheid. Nun kann nur noch der Beistand der Hockeygötter helfen. Aber manchmal ist es so, dass man mehr Glück als Verstand hat. Die SCL Tigers brauchen ja zur Rettung nur drei Siege gegen ein NLB-Team. Nicht mehr. Aber eben auch nicht weniger.